(Japan 1999)
Regie: Takashi Miike Drehbuch/Vorlage: Ryû Murakami Darsteller: Ryo Ishibashi, Eihi Shiina, Tetsu Sawaki, Jun Kunimura
„Willst Du es mit der traditionellen Partnerwahl versuchen? “ „Nein. Ich glaube, das kommt nicht infrage. Irgendwo wird sich doch eine gute Frau verstecken...“
Bei meiner Suche nach Filmen für die Insel tat ich mich erst einmal schwer, hier einen vor dem Hintergrund der zur Seite passenden, phantastischen Ausrichtung zu finden, denn viele meiner All-Time-Faves, also Filme, bei denen ich auch bei der x-ten TV-Ausstrahlung immer wieder hängen bleibe, könnte man zu den üblichen Verdächtigen zählen. Es sind Filme, die fast jeder mag und bestimmt auch schon mehrfach gesehen hat. Oder es sind spezielle Filme, die nicht in die Richtung gehen, für die diese Seite steht. Trotzdem habe ich mir vorgenommen, in den nächsten Wochen mindestens einen Film vorzustellen, der mit dem phantastischen Bereich überhaupt nichts am Hut hat, der Bandbreite wegen, aber das nur am Rande. Bevor ich dann endlich mit einer kleinen Liste als Vorauswahl begonnen habe, kam mir ein anderes Problem in den Sinn; ich hatte mir in den letzten Jahren schon ernsthaft vorgenommen, nicht mehr so viele Filme zu schauen, die ich schon in- und auswendig kenne, und in Bezug auf Inselfilme wäre es ja eigentlich ratsamer, vorwiegend Filme mitzunehmen, die ich schon immer mal oder endlich mal wieder sehen wollte, da man auf der berühmten einsamen Insel bestimmt genug Zeit und Aufmerksamkeit dafür aufbringen könnte. Also wäre das ja ein guter Zeitpunkt, dies als Chance zu begreifen. Ein weiterer Gesichtspunkt bei meiner Auswahl war dann noch, dass ich genauso wenig Filme vorstellen wollte, die auch jeder andere schon tausendmal gesehen hat, wozu eigentlich schon alles gesagt und geschrieben wurde. Dieser erste Film von einem meiner Lieblingsregisseure ist ein Mittelding, denn AUDITION dürfte, auch aufgrund verschiedener Veröffentlichungen für das Heimkino wie auch durch die Ausstrahlung auf dem Sender ARTE vor einigen Jahren, hierzulande recht bekannt sein. Es ist zwar mein Favorit unter den Werken Takashi Miikes, doch tatsächlich habe ich den Film jetzt gerade mal zum dritten Mal gesehen, was auch daran liegt, dass man in der richtigen Stimmung für diesen verstörenden Leckerbissen sein muss, der auch wahrlich nicht leicht verdaulich ist. Der Witwer Aoyama hat sein Leben seit dem Tod seiner Frau einzig der Arbeit und der Erziehung seines Sohnes gewidmet. Der Junge ist jetzt im Teenager-Alter und beginnt, sich selbst für das andere Geschlecht zu interessieren. Im Zuge dessen regt er an, dass sich sein Vater doch auch mal eine neue Frau suchen sollte. Abends in der Bar erzählt er seinem Freund Yoshikawa davon, meint aber, zu alt für das althergebrachte "date and miss" zu sein, würde sich die Risiken einer falschen Wahl lieber ersparen. Yoshikawa arbeitet in der Filmbranche und bietet Aoyama an, sich bei einem Casting zu einem vermeintlichen Film geeignete Kandidatinnen ansehen, ihren Hintergrund überprüfen und persönlich ins Kreuzverhör nehmen zu können, um so die perfekte, auf ihn abgestimmte Frau zu finden. Trotz erster Bedenken willigt der Witwer ein und stürzt sich auf die Berge von Lebensläufen hoffnungsvoller Jungschauspielerinnen. In den Interviews der Audition jedoch hält er sich zurück und scheut sich, die Damen selbst auszufragen. Dann stößt er auf die jüngere Asami, die sich als bodenständig, aber sehr scheu und etwas unsicher herausstellt. Er findet sofort Gefallen an der schönen Frau, die etwas geheimnisvolles umgibt. Yoshikawa mahnt ihn an, die Sache langsam angehen zu lassen, da er ein ungutes Gefühl bei Asami hat. Nach kurzer Zeit hält es Aoyama jedoch nicht mehr aus und kontaktiert die schüchterne Frau. Er kann nicht wissen, dass sich in ihr Abgründe auftun, in die er zunehmend hineingezogen wird... Mit AUDITION gelangte der einstmals als Enfant Terrible des japanischen Films berüchtigte Takashi Miike zum ersten Mal in den Fokus der internationalen Fachpresse, denn der Film fand bei seinen Aufführungen auf verschiedenen Festivals weltweit großen Anklang und brachte dem Regisseur in der Folge eine breite, über den ganzen Globus verteilte Fanbase ein. Und ich muss sagen, dass auch mich dieser Film bei der Erstsichtung, es muss so 2002 rum gewesen sein, ziemlich umgehauen hat. Ich bin damals vollkommen unvoreingenommen an ihn herangegangen, hatte nichts davon gelesen oder gehört, auch der Name Miike war mir, verständlicherweise, noch völlig fremd gewesen. Und auch nur so kann der Film wohl seine ganze Wirkung ungehindert entfalten, denn der Schrecken schleicht sich an. Miike lullt den Zuschauer in der ersten Stunde ein, gibt nur sehr kurze, vage Andeutungen auf das, was noch kommen wird. Auffällig ist dabei der fast vollständige Verzicht auf musikalische Untermalung, so dass die langen, eher statischen Einstellungen, in denen die zögernden Charaktere sich Zeit lassen, eine Unterhaltung aufzunehmen, den Zuschauer in Sicherheit wiegen. Es entspinnt sich dabei, nachdem der Witwer Aoyama eingehend porträtiert wurde, eine leise, recht ungewöhnliche Liebesgeschichte zwischen dem Mann in den besten Jahren und der jungen, zurückhalten Frau, die so sehr den Erwartungen Aoyamas entspricht, dass er gegen den Rat des Freundes, der bei ihr ein ungutes Gefühl hat – an dieser Stelle sollte auch der Zuschauer das erste Mal hellhörig werden, denn nun beginnt schon der subtile Richtungswechsel zum Mystery-Thriller –, sich schon nach kurzer Zeit, wenn auch erst animiert durch Asami, auf eine körperlich intime Entwicklung ihrer Beziehung einlässt. Und hier wird der Bruch in der Atmosphäre deutlich, und dem Zuschauer schwant übles. Asami zieht Aoyama an wie eine Sirene, übt eine Faszination auf den Mann aus, der sich sofort auf sie fixiert und dabei sogar die zaghaften, unbeholfenen Annäherungsversuche einer Kollegin nicht bemerkt. Die Unfähigkeit vieler traditionell erzogener Männer in der japanischen Gesellschaft, selbst Gefühle auszudrücken wie auch die Gefühle anderer wahrzunehmen, machen diese Frau, bei der alles so unkompliziert scheint, ohne dass es sich schmutzig oder falsch anfühlt, für ihn so verführerisch. Er steuert mit immer mehr traumwandlerisch anmutender Sicherheit in sein Verderben. Die letzte halbe Stunde des Films gebiert sich dann auch als fiebriger Alptraum in grausamen Bildern. Mehr sei hier zum Film nicht verraten, nur noch soviel, dass Miike hier das Thema des bösen, weiblichen Geistes, welches in der japanischen Sagenwelt oftmals aufgearbeitet wird, auf ziemlich untypische Weise verfremdet und in einen zeitgemäßen Kontext setzt. Inwieweit er damit den Roman Ryunosuke Murakami, der auf einer Beziehung des Autors basiert, die sehr hässlich endete, entspricht, kann ich nicht sagen, doch Miike ist bekannt dafür, vor allem Sachen aus den Drehbüchern, die er, bis auf wenige Ausnahmen – er schrieb nur die Scripts zu vier seiner mehr als 100 Arbeiten; KRIEG DER DÄMONEN (2005), SUKIJAKI WESTERN DJANGO (2007), LESSON OF THE EVIL (2012) und das Theaterstück MIIKE TAKASHI * AIKAWA SHO: ZATOICHI (2008) – nie selbst verfasst, herauszuarbeiten, die ihn besonders interessieren. Das Gesamtwerk Miikes ist so vielseitig, dass ich wohl meine komplette Sammlung seiner Filme, die inzwischen 51 Titel umfasst, mit auf eine Insel nehmen würde, da so für Abwechslung gesorgt ist und ich in der Ruhe und Abgeschiedenheit endlich einige der bisher von mir vernachlässigten Werke zum ersten Mal sichten und andere nochmalig genießen könnte. AUDITION kann ich jedenfalls jedem ans Herz legen, der mal etwas anderes sehen möchte und auch die Geduld aufbringt, sich auf einen Film einzulassen, der sich nicht gleich in den ersten Minuten dem Zuschauer offenbart, sondern sich Zeit lässt, bewusst gedrosselt an die Sache herangeht, um ganz subtil einen furchtbaren Alptraum aufzubauen, der ihn dann überfällt. Ich habe vielleicht schon ein klein wenig zu viel verraten für Menschen, die weder von Miike noch dem Film bisher etwas gehört haben, aber im allgemeinen gehe ich davon aus, dass die meisten von euch schon einiges mehr über den Film gehört haben, als dass ich ihnen jetzt die Überraschung verdorben hätte. Ich selber besitze die Intro Edition Asien DVD vom Label Rapid Eye Movies, welche ein einstündiges Interview mit Takashi Miike als Extra beinhaltet. Die Bildqualität des Films ist in Ordnung, wobei man auch anmerken muss, dass die Qualität der Blu-ray nicht wesentlich besser ist, was Schärfe und Details anbelangt. Es gibt zu den Film zwei deutsche Synchronisationen, wobei die letztere, die von Arte angefertigt wurde und seitdem auf allen deutschen Veröffentlichungen zuhause ist, auch die bessere Wahl darstellt. Horny
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