momoquer

maraaquer noosquer robbiquer

(Deutschland / Italien 1986)

Regie: Johannes Schaaf

Drehbuch: Johannes Schaaf, Rosemarie Fendel, Michael Ende

Nach dem gleichnamigen Roman von Michael Ende

Musik: Angelo Branduardi

Kamera: Xaver Schwarzenberger

Darsteller: Radost Bokel, Mario Adorf, Armin Mueller-Stahl, John Huston

momo 013

“Ach Momo, stell dir vor. Das Gefährlichste im Leben sind Wunschträume, die in Erfüllung gehen.”


Michael Ende (1925-1995) war zweifellos einer der besten deutschen Kinder- und Jugendbuchautoren. Beginnend mit seinen Büchern über „Jim Knopf“, über die „Unendliche Geschichte“ bis hin zu seinem wohl erwachsensten Werk „Satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“ schaffte er es immer wieder Erwartungen zu übertreffen und begleitete mich durch Kindheit, Jugend und mein junges Erwachsenenleben. Mein Lieblingsbuch von ihm war aber immer „Momo“, ein vordergründig kindgerechtes Märchen mit einem wahrlich düsteren Untergewebe der Dystopie eines totalitären Staates mit deutlichen Anleihen beim dritten Reich.

momo 005Da war es nur logisch, dass sich auch die Filmbranche ein Scheibchen vom Erfolg des Autoren abschneiden wollten. Das gelang mehr oder (zumeist) weniger gut. Sicherlich sind die Versionen der Jim Knopf-Bücher der Augsburger Puppenkiste noch jedem in Erinnerung und auch heute noch recht gut anschaubar, aber selbst dort wurden etliche der absurderen Fantasy- und Gruselelemente der Geschichte - entweder durch Weichspültaktik oder aufgrund des Budgets und der Machart – unterschlagen.

Die erste wirkliche Verfilmung eines Ende-Buches war demnach „Die unendliche Geschichte“ aus dem Jahr 1984, eine dummdreiste Amerikanisierung der ersten Buchhälfte nach deren Sichtung Ende sofort seinen Namen vom Projekt zurückzog, da das, was letztendlich auf der Leinwand zu sehen war so gut wie nichts mit dem Buch und der Intention desselben zu tun hatten.

momo016

Mir ging es da ähnlich, hatte das Buch doch einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen.

So war es dann auch eine ziemlich große Überraschung als Mitte des Jahres 1985 die ersten Meldungen über eine anstehende Verfilmung von Momo, nach einem Drehbuch von Ende selbst, durch die Fachzeitschriften geisterten. Zusätzlich sollte der Film dann auch noch mit Armin Müller Stahl und Mario Adorf durchaus prominent besetzt sein.

Ich war zumindest ein wenig gespannt und als unser Filmclub dann die Möglichkeit bekam die Weltpremiere hier in Düsseldorf zu organisieren sagten wir natürlich gerne zu.

Anfang der zweiten Juniwoche 1986 hatte sich das altehrwürdige Savoy, damals Düsseldorfs mit Abstand schönster Kinosaal, toll herausgeputzt. Die Star reisten hollywoodmässig mit dicken Limousinen an und wurden über einen roten Teppich an ihre Plätze geleitet, die sich – netterweise – direkt hinter denen unseres Clubs befanden.

Und so durften wir nur durch wenige Zentimeter von Mario Adorf, Angelo Branduardi, Michael Ende, Radost Bokel und dem zufällig in der Stadt weilenden Otto Walkes getrennt, unsere erste große Weltpremiere geniessen.

Natürlich war das ein tolles Erlebnis und ebenso natürlich war auch unser Applaus nach dem Ende. Trotzdem aber habe ich den Film seitdem nicht mehr gesehen  - warum weiß ich tatsächlich wirklich nicht. Denn natürlich war er recht schnell in den Videotheken erhältlich und wurde auch ziemlich häufig im Fernsehen gezeigt. Aber irgendwie habe ich in den letzten 30+ Jahren immer wenn ich Lust auf die Geschichte hatte einfach das Buch aus dem Regal gezogen.

momo 008Jetzt aber sprang mir die BluRay beim Stöbern auf Medimops ins Auge und irgendwie konnte ich nicht widerstehen. Also habe ich Tochter und Schwiegersohn (beide jünger als der Film) eingeladen und liess mich, nach ziemlich genau 34 Jahren, wieder in die Bilderwelt von „Momo“ fallen.

Im Grunde hält sich der Film erstaunlich genau ans Buch. Der Straßenfeger Beppo findet irgendwann die kleine Momo, ein Mädchen von ungefähr 10 Jahren, im Amphitheater eines kleinen italienischen Örtchens und die Dorfgemeinschaft nimmt das Findelkind bei sich auf. Momo zeigt schnell die Fähigkeit alleine durch Zuhören die Lebensqualität aller, die mit ihr zu tun haben zu verbessern. Ebenso nimmt sie die Kinder des Dorfes mit auf ausgedehnte Fantasieabenteuer.

momo 011

Doch diese überbordende Fantasie ruft das Böse, in Gestalt der grauen Herren auf den Plan. Bei diesen zigarrenrauchenden Anzugträgern handelt es sich um Zeitdiebe, die den Menschen die Zeit stehlen, in dem sie diese davon überzeugen selbige zu verschwenden. Schnell verändert sich das Dorf und seine Bewohner, die sonst fröhlich in den Tag lebten zu kleinen Rädchen im System.

Momo macht sich auf zum Herrn der Zeit, dem weisen Meister Hora (großartig John Huston) um ihre Freunde und die gesamte Welt zu retten.

„Das ist aber ganz schön düster,“ war die erste Reaktion meines Schwiegersohns als der Nachspann begann und dem kann ich nur zustimmen. Nachdem der Film zu Beginn mit fröhlichen Farben und ebensolchen Vignetten aus dem Leben des Dorfes beginnt, wechselt er mit der Ankunft der grauen Herren seine k0mplette Atmosphäre. 

momo 007

Alles sieht verwaschen aus, selbst die fröhliche Musik von Angelo Branduardi bekommt einen düsteren Unterton und visuell glaubt man sich manches Mal in einen deutschen Stummfilm versetzt.

Speziell die Sequenzen in denen der Leiter der grauen Herren (Armin Müller Stahl als wunderbarer Schurke) zu seinen Schergen spricht, rufen Erinnerungen an die schlechte alte Zeit hervor, in denen Deutschland sich unter der Knute eines totalitären Systems befand.

Radost Bokel, die zu Zeiten des Drehs gerade mal 10 Jahre alt war, – „Welch ein niedliches Kind,“ Aussage meiner Tochter –zeigt ein erstaunliches Spektrum an Emotionen und lässt die Buchfigur tatsächlich lebendig werden. Auch Mario Adorf überzeugt in einer kleinen aber feinen Nebenrolle als der Dorftrinker Nicola, die aber leider im Gegensatz zum Buch eher klein gehalten ist.

momo 015

Ebenso grandios sind die Bauten des Filmes. Hier ist speziell das Set des Amphitheaters hervorzuheben, das zum Finale hin erst seine ganze Genialität zeigt und sich als eine komplette Drehbühne entpuppt.

Ein wirkliches Meisterwerk ist Momo allerdings, selbst wenn er weit über dem Schund anzuordnen ist der sich „Die unendliche Geschichte“ nennt, leider nicht. Gerade dadurch, dass er sich so eng ans Buch hält und die Produktion mit allen Mittel zu verhindern versuchte Michael Ende ein weiteres Mal zu verärgern, wirkt er teilweise zu episodenhaft. Die Stimmungswechsel zwischen den einzelnen „Kapiteln“ des Filmes sind teilweise zu drastisch und kommen scheinbar aus dem Nichts. momo 002Trotz einer Laufzeit von über 100 Minuten wirkt der Film zwischenzeitlich etwas gehetzt. Wichtige Szenen des Buches – wie Momos Reise zu Meister Hora – sind zwar toll bebildert, ihnen wird aber die nötige Zeit genommen um zu wirken, was bei der Thematik des Filmes einen besonderen Affront darstellt.

Trotzdem ist „Momo“ viel besser, aber auch weniger kindgerecht, als die Zeichentrickversion aus dem Jahr 2002 und erst mit der Realfilmversion von „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ aus dem Jahr 2019 sollte es wieder gelingen ein Buch von Ende einigermaßen vernünftig auf die Leinwand zu bringen.

momo 012Nach all den Jahren ist mein Eindruck somit, trotz der kleinen Schwächen des Filmes, durchaus positiv. Neben der oben bereits erwähnten „Jim Knopf“-Verfilmung und Tommy Krappweis großartigem „Mara und der Feuerbringer“ habe ich nun einen dritten deutschen Fantasyfilm im Regal stehen. Mal sehen, wie lange es dauert, bis sich ein weiterer hinzugesellt.

dia

     ofdb logo      IMDb logo

maraaquer noosquer robbiquer

Unsere aktuellen Podcasts:
logo042 400 logo041 400 logo040 600