kreuzquer

(Deutschland 1983 - TV-Film)

 

Regie: Rainer Boldt

Drehbuch: Rainer Boldt, Hans Rüdiger Minow

Darsteller: , ,

 

kreuz07Eigentlich ist dies eine ganz gewöhnliche Fernsehproduktion aus den 80ern. Allerdings wurde der Inhalt damals bereits im Vorwege derart kontrovers aufgenommen, dass es zu keiner Ausstrahlung im Ersten Programm kam. Nach entsprechenden Protesten bekam der Film einen unattraktiven Sendeplatz in den Dritten Programmen, verbunden mit einer Diskussionsrunde, welche das Thema nachhaltig zu relativieren versuchte, um es wissenschaftlich korrekt gesellschaftspolitisch erwünscht einzubinden. Aber auch ohne diese Anekdote der Filmzensur ist der Thriller durchaus sehenswert.

Wir befinden und in näherer Zukunft, sprich den 90er Jahren. Die Ehe von Christine und Dr. Jörg Bensch ist in die Krise geraten. Beide betreiben eine erfolgreiche Arztpraxis, haben sich aber auseinander gelebt und wollen nun erst einmal in Ruhe entscheiden, wie es denn nun in Zukunft weitergehen soll. Hierzu bringen sie ihren renitenten und vorzugsweise mit Konsum besänftigten Sohn Michael auf den Bauernhof eines befreundeten Ehepaars in Niedersachsen.

kreuz03Gerade dort angekommen gibt es eine gewaltige Explosion in der Nähe. Ein von ihnen auf der Hinfahrt überholter Gefahrguttransporter ist mit einem Gastransporter zusammengestoßen. Jörg Bensch eilt zur Unfallstelle um zu helfen, findet dort aber nur Leichen vor. Aus den Fässern des Gefahrguttransporters dringt allerdings eine seltsame Flüssigkeit aus. Der Bürgermeister und die freiwillige Feuerwehr haben die Lage aber im Griff und so fährt er zusammen mit seiner Frau zurück zur Praxis.

Dort werden sie aber bald von Polizisten aufgesucht, die sie offiziell zum Gespräch bitten, in Wirklichkeit aber entführen und unter Quarantäne stellen. Auch die Dorfbewohner wissen nicht wie ihnen geschieht. Der Katastrophenschutz interniert sie in der Kirche und zieht nach Hinterlegung einiger Jodtabletten von dannen.

Über ein Radio erfahren die Eingeschlossenen, dass sie durch den Unfall anscheinend derart verstrahlt wurden, dass von ihnen selbst eine Gefahr ausgeht und es niemand zugemutet werden kann ihnen zu helfen. Die zum Sterben verdammten beschließen nun aus der von der Bundeswehr gesicherten Zone auszubrechen. Diese will das natürlich verhindern, gegebenenfalls mit der Schusswaffe.

kreuz09Es ist erstaunlich wie gut der Film auch heute noch funktioniert. Sehr geschickt wurden die unterschiedlichen Handlungsstränge verknüpft und auch die Figuren sind wirklich gut getroffen. Eine schöne Kamera und ein passender Soundtrack runden das Bild ab und machen den Film nach wie vor sehenswert.

Natürlich sind aufgrund des überschaubaren Budgets immer wieder Abstriche bei der Produktion gemacht worden, aber was an Aufwand fehlt, macht der Film locker über die Atmosphäre wett.

Wirklich beeindruckend ist aber die Leistung von Regisseur Rainer Boldt, derart vielen Menschen gleichzeitig auf den Schlips zu treten. Der Bayrische Rundfunk verkündete als erstes, dass sie den Film nicht in Bayern zeigen werden. Die ARD stand also mal wieder vor der Zerreißprobe. Aber so wichtig war das Thema dann anscheinend doch nicht, denn man knickte ein und verlegte den Film in die Dritten Programme und bettete ihn dann noch programmatisch mit relativierenden Inhalten ein.

kreuz05Aus heutiger Zeit kann man das kaum verstehen, aber bei Betrachtung der damaligen Verhältnisse werden die Zusammenhänge sehr plausibel. Es gab damals kein Privatfernsehen. Bei drei Programmen hatten Sendungen eine erstaunliche Reichweite, zumal auch kein Internet ablenkte.

Der Nato Doppelbeschluss hatte die Friedensbewegung so stark wie nie gemacht. Atomkraft war die propagierte Rettung aus der Ölkrise und Menschen die es wagten das Wort „Entsorgung“ in den Mund zu nehmen galten als alternative Freaks. Gorleben galt als sicher und Vokabeln wie Castor oder gar Tschernobyl hatten bestenfalls mit Geografie und klassischer Bildung zu tun, aber definitiv nichts mit Atomkraft.

Die Regierungsgeschäfte waren gerade erst von Helmut Kohl übernommen worden und so galt es den Miesmachern und Zweiflern Einhalt zu gebieten, damit es für Atomindustrie, Bundeswehr und andere Leistungsträger der Gesellschaft endlich wieder bergauf ginge. Eine öffentlich Diskussion über die Gefahren von Atomkraft oder den Einsatz der Bundeswehr im Inland galt es mit allen Mittels zu unterbinden.

kreuz08Schnell setzte sich die Ansicht durch, dass sich die Stimmung im Lande hervorragend durch die Bekämpfung unerwünschter Medieninhalte steuern ließe. Neben dem politischen Einfluss in den Gremien der öffentlich-rechtlichen Sender, begann parallel der Kampf gegen Killerspiele wie River Raid und natürlich auch der Horrorfilme.

Wie es sich für gute Zensoren gehört, wurde die Diskussion möglichst ideologisch und ohne störenden Sachverstand geführt. Verteidigungsminister und Atom-Hardliner Manfred Wörner konstruierte sich die verquaste Aussage, dass „die Sendeanstalten mit dieser Produktion die grundgesetzlich zugesicherte Pressefreiheit überschritten hätten“ zusammen und verwahrte sich gegen den Gedanken die Bundeswehr würde sich jemals gegen das eigene Volk richten. Solche Aussagen klingen im Nachhinein besonders schön, wenn man weiß, dass innerhalb der Bundeswehr im Geheimen der Einsatz von Chemiewaffen nicht nur ernsthaft in Erwägung gezogen wurde sondern aktiv geplant war. Andere „Experten“ sprachen Film und Drehbuch jegliche Qualität ab und dachten dabei wohl eher an „Hexen bis aufs Blut gequält“. Oder an Himbeerschokoladentorte.

Ja letzteres wird es wohl gewesen sein.

„Im Zeichen des Kreuzes“ wurde nie wieder im TV gezeigt, erschien aber 2006 auf DVD. Menschen die Google benutzen können, haben sogar noch weitere Möglichkeiten.

Sören

 

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