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Planet der Vampire

(IT/USA 1965)

Regie: Mario Bava

Buch: Mario Bava, Alberto Bevilacqua, Callisto Cosulich

Darsteller: Barry Sullivan, Norma Bengell, Ángel Aranda

 

Wenn der Evangelische Filmbeobachter von „zähflüssigem Gegrusel billigster Machart“ fabuliert, weiß der (Alex) Jäger und (DVD-)Sammler, dass er zugreifen muss. Vor allem wenn der solcherart gegeißelte Film auf das Konto von Mario Bava geht, der zuvor mit „La maschera del demonio“, „Sei donne per l’assassino“, „I tre volti della paura“, usw. einige der schönsten und einflussreichsten Beiträge zur klassischen gothic-horror-Phase des italienischen Gruselkinos beisteuerte.

planetposterSelbige schienen jedenfalls auch bei den amerikanischen Produzenten von American International Pictures (AIP) einen ausreichend guten Eindruck hinterlassen zu haben, so dass Bava kurzerhand für eine ganze Reihe von Filmen unter Vertrag genommen wurde. Jedoch – daraus wurde nichts, „Terrore nello spazio“ blieb Bavas einziger Ausflug in die Staaten (ebenso wie in den Weltraum) und wer darauf hoffte, dass dem Maestro nun ein größeres Budget zur Umsetzung seiner Visionen zur Verfügung stehen sollte, war ebenfalls angeschmiert. Stattdessen merkt man dem fertigen Film deutlich an, dass sich die Geldgeber lediglich Bavas Talent, eine absolute Billigproduktion teurer aussehen zu lassen als sie tatsächlich war, zu Nutze machen wollten. Und ganz in diesem Sinne wurde „Terrore nello spazio“ schließlich im Doppelpack mit der nicht gerade herausragenden Lovecraft-Verfilmung „Die, Monster, Die!“ in die Kinos gebracht.

Was den Film aber über ähnlich gelagerte Schundproduktionen erhebt, in denen grobschlächtige Raumschiffmodelle an Fäden durch das Bild gezogen werden, die Pappmaché-Felsen bei jedem unbedachten Schritt erzittern und insgesamt alles noch ein wenig spartanischer aussieht, als in den ältesten „Star Trek“-Folgen sind zwei Dinge: Zum einen entfaltet „Terrore nello spazio“ die bis dato konsequenteste Horror-Atmosphäre, die es unter dem publikumswirksamen Deckmantel eines Science-Fiction-Films zu sehen gab, kann Szenenweise sogar für sich Reklamieren, ein echter Space-Splatter zu sein, und zum Zweiten holt Bava tatsächlich mit den einfachsten filmischen Mitteln künstlerisch das Maximum aus der Geschichte heraus.

Planetofthevampires05Außerdem dürfte der Inhalt so manchem Filmfreund ein wenig bekannt vorkommen: Die Raumschiffe Galliott und Argos folgen einem rätselhaften Signal zum Planeten Aura. Aufgrund der enormen Anziehungskraft des Planeten kommt es beinahe zur Bruchlandung, lediglich Captain Markary (Barry Sullivan) steckt g-Kräfte, die einen normalen Menschen zu roter Schmiere zerdrücken würden, heldenhaft weg und landet das an Fäden durchs Bild gezogene grobschlächtige Modell in der Pappfelsenkulisse von Aura. Und spätestens an diesem Punkt geschieht Dreierlei: im Film fallen plötzlich die Crewmitglieder grundlos übereinander her, ohne sich nach ihrem Anfall erinnern zu können, woher ihre Aggressivität rührte. Der Zuschauer hingegen beißt entweder in die DVD, weil das pseudowissenschaftlich-technologische Gesabbel in Kombination mit den restlos künstlichen Kulissen und der Lederkluft der Weltraumfahrer gar zu unrealistisch wirkt (als ob Wookies oder Ewoks was mit Realismus zu tun hätten…) – oder aber er wird gefangen von ebendieser restlos künstlichen Atmosphäre, die aus „Terrore nello spazio“ ein bewegtes Gemälde in satten Primärfarben macht. Planetofthevampires01Anstatt nämlich wie ein George Lucas den Weltraum in jeder Einstellung mit einem Übermaß an Details zuzumüllen („Revenge of the Sith“ dürfte wohl den Höhepunkt dieser Unübersichtlichkeit darstellen), macht Bava aus der Not eine Tugend und setzt auf absolute Reduktion. Das Innere der Raumschiffe ist abgesehen von den obligatorischen Blinklichtern und Schnickschnack wie dem Meteor-Rejector (auf der Enterprise wäre das wohl ein Schutzschildgenerator oder so ähnlich) sehr weitläufig und sehr leer, blaugrau ausgeleuchtet und damit ähnlich wie die versiffte Nostromo ein interessanter Spiegel des Innenlebens der Hauptfiguren. Aura hingegen ist die in tiefes Rot getauchte Hölle, in der der Kunstnebel wabert wie in Bavas Horrorfilmen oder im Hades von „Ercole al centro della terra“. Drittens schließlich wirft Bava so gut wie alles, was entfernt mit science zu tun haben könnte aus der Einstiegsluke und konfrontiert Captain Marakary samt Crew mit ihrer Angst.

Planetofthevampires09Diese Angst ist übrigens trotz der formal überrepräsentierten gothic-Atmosphäre, die neben der ermordeten Besatzung der Galliot auch noch ein uraltes Raumschiff mit den versteinerten Skeletten einer außerirdischen Rasse bemüht (Ridley Scott stritt zwar ab, den Film zu kennen, aber auch sein „Prometheus“ orientiert sich streckenweise stark an „Terrore nello spazio“, man braucht nur auf die Uniformen und Schutzhelme zu achten), die überaus moderne Angst vor dem Individualitätsverlust. Dieser wird durch die riesigen leeren Räume, die Uniformierung (mit Rangabzeichen, die auch der SS gefallen hätten) und den Umstand, dass außer dem Captain kein Crewmitglied so etwas wie Profil entwickelt, bereits vorweggenommen; handfest wird die Bedrohung jedoch durch böse körperlose Auraner, die nach und nach die geistige Kontrolle über die Notgelandeten übernehmen.

Planetofthevampires02Und da sich Verstorbene noch besser für derartige feindliche Übernahmen eignen gibt es sogar eine Auferstehungsszene zu sehen, so dass „Planet of the Zombies“ letztlich der passendere englische Titel gewesen wäre, denn die Vampire scheinen eine Erfindung der Synchronisation zu sein (die jeweiligen Schauspieler sprachen während der Aufnahmen ihre Landessprache, der fertige Film wurde anschließend für den jeweiligen Markt angepasst, wodurch sich neben abweichenden Laufzeiten auch kleinere inhaltliche Unterschiede ergeben – die deutsche Synchro basiert allerdings auf der englischen, so dass anders als beispielsweise bei „The Hills Have Eyes“ der Schwachsinn auf das Konto der Amerikaner geht).

Planetofthevampires11Ein wenig schade ist es allerdings, dass Bava seinen Trip ins All nicht nutzt, um in die dunkleren Aspekte der Erotik abzutauchen. Zwar verzichtet er nicht auf damals drastische Makeup-Effekte, aber echten Body-Horror sollte dann doch erst „Alien“ zu den Sternen tragen. Wenngleich das ehrwürdig-uralte (das ja immer auch etwas mit fehlgeleiteten Trieben zu tun hat) einen starken Kontrast zur modernen Kälte des Raumschiff-Dekors und dem auf Professionalität bedachten Verhalten des Captains ergibt. Wenn man seinen Logbucheintrag berücksichtigt, in dem er betont, dass er als Captain gegenüber der Crew auf keinen Fall seine Angst zeigen darf, geht es im Grunde genommen weder um Vampire noch um Zombies, sondern darum, dass im Sinne eines reibungslosen Funktionierens emotionale Regungen unterdrückt werden müssen. Und die Auraner sind nichts anderes als unterdrückte und darum umso unheimlichere Emotionen, die zu ihrem Recht kommen wollen bzw. auf der filmischen Ebene nach neuen Körpern auf anderen Planeten suchen, weil ihre Sonne erkaltet und Aura dem Untergang geweiht ist. Planetofthevampires08So gesehen wäre es durchaus reizvoll gewesen, wenn Bava tatsächlich dem englischen Titel gerecht geworden wäre und „richtige“ Vampire mit ins Spiel gebracht hätte, um das Vakuum innerhalb eines rational ausgerichteten Systems bzw. die letztliche Sinnlosigkeit einer vom irrationalen Ballast befreiten Technokratie mit einer Prise Sex zu würzen. Interessant wäre in diesem Zusammenhang auch, zu wissen wie Renato Pestrinieros Story „Una notte di 21 ore“ aussieht, mangels Kenntnissen der italienischen Sprache kann ich allerdings nicht sagen, was die ursprüngliche Intention dieser literarischen Vorlage gewesen sein könnte (vielleicht ackert ja mal jemand die Sammlung „Interplanet 3“ durch und erweitert meinen beschränkten Horizont…).

Für den Film selbst hingegen gilt: Klassiker!

Planetofthevampires03Zwar wirkt das meiste irgendwie lächerlich (z. T. kann man sich über Einfälle wie beispielsweise einen „Hochsicherheitschrank“ wirklich schlapplachen)[1], Spannung kommt durch die aus heutiger Sicht sehr langsame Inszenierung trotz des angedeuteten Zeitdrucks (das Raumschiff muss in drei Tagen wieder einsatzbereit sein, an anderer Stelle läuft der Countdown einer Sprengladung) keine auf und auch der Horroranteil funktioniert wie bereits gesagt nur auf einer eher abstrakten Ebene, aber: gerade dieser reduktionistische Ansatz ist keineswegs ohne Reiz, vielmehr ergänzt sich die formale mit der inhaltlichen Sparsamkeit. Schon alleine weil „Terrore nello spazio“ außerdem der spirituelle Vorgänger von „Alien“ ist – auch wenn er in der Grundkonzeption eher John Carpenter’s „Ghosts of Mars“ vorwegnimmt - sollte man ihn als ernsthafter Horrorfan wenigstens einmal im Leben gesehen haben. Und sei es auch nur um demonstriert zu bekommen, dass ein guter Regisseur auch mit Leim und Spucke bzw. mit surrealer Ausleuchtung und Schüfftan-Verfahren visuell überaus interessante (Alp-)Traumwelten erschaffen kann.

Planetofthevampires10Zum Abschluss noch ein Wort zu den Fassungen: die deutsche DVD von Legend Films basiert auf der amerikanischen Schnittfassung, d. h. es fehlt im Wesentlichen ein Teil des Dialogs mit einem von den Auranern besessenen Astronauten sowie eine kurze Gewaltszene. Im Gegenzug bekommt man dafür die englische Titelsequenz („Planet of the Vampires“), bei der die Credits vor buntem Hintergrund ablaufen, zu sehen. In der italienischen Version hingegen gibt es simple weiße Schrift vor schwarzem Hintergrund.

2015 hat der TV-Sender Arte gemeinsam mit Lamberto Bava allerdings eine rekonstruierte Fassung erstellt, die die bunten Credits, eine neu angepasste Farbgebung und auch die fehlenden Szenen zu bieten hatte. Ob diese Fassung es in naher Zukunft endlich auch auf eine Bluray schaffen wird, steht allerdings leider in den Sternen.

[1] Um diesen Safe zu öffnen fährt einer der Astronauten lediglich ein wenig mit zwei „Schlüsseln“ auf der glatten Schranktür herum. Ebenso putzig ist es auch anzusehen, wenn pantomimisch an irgendwelchem technischen Gerät herumgeschraubt wird, weil das Budget keinen Werkzeugkoffer hergab oder aber ein handelsüblicher Schraubendreher nicht futuristisch genug war.


Alexander


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