Regie: Takashi Miike Drehbuch: Daisuke Tengan Darsteller: Billy Drago, Yuki Kudo, Michié
19. Jahrhundert: Der Journalist Christopher (Billy Drago) macht sich auf nach Japan, um ein vor langer Zeit gegebenes Versprechen einzulösen. Dort schwor er einst seiner geliebten Komono (Michié), sie aus Elend und Prostitution zu befreien und mit nach Amerika zu nehmen. Seine Suche nach der Verflossenen führt ihn auf eine Hureninsel voller skurriler Gestalten, wo er schnell Bekanntschaft mit einem entstellten Freudenmädchen macht. Das scheint ganz genau zu wissen, was den Fremden antreibt. Sie erzählt ihm von seiner Geliebten und dem tragischen Schicksal, das ihr damals nach seiner Abreise wiederfuhr. Es ist ein dunkles Schicksal, voller Gewalt und Leid und eines, für das Christopher eine Verantwortung trägt, der er sich nicht entziehen kann. Eines ist sicher: Mit Imprint wurde Takeshi Miike nach Audition (1999) und Ichi the Killer (2001) seinem Ruf als filmischer Grenzgänger gerecht. Sein Beitrag zu Masters of Horrors ist der mit Abstand härteste! Kein Wunder, dass diese 13. Folge die einzige blieb, die nicht im amerikanischen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Nur durch Joe Dante, der in der zweiten Staffel in Screwfly Solution (2006) eine Szene aus Imprint versteckte, schaffte es überhaupt etwas aus Miikes Schocker auf die TV-Schirme. Es ist müßig, zu erwähnen, dass für die deutsche Fassung über drei Minuten weichen mussten – der Film ist erst seit 2011 in der Black Edition von Splendid uncut erhältlich. Selbst hartgesottene Splatter- und Horrorfans müssen sich hier auf einige Szenen gefasst machen, bei denen es an die Schmerzgrenze geht und minutenlange Folter in Nahaufnahme zelebriert wird. Es gibt nicht wenige Stimmen, die Imprint eine Selbstzweckhaftigkeit dieser extremen Gewaltspitzen vorwerfen; ich gehöre jedoch nicht zu ihnen. Die Geschichte von Komono, die in mehreren Versionen von der mysteriösen Prostituierten erzählt wird, hat im Grunde etwas Märchenhaftes. Es ist nie klar, was an ihr wahr ist, wo Übertreibungen liegen und inwieweit der Erzählerin zu trauen ist. Miike zeigt das alles in einem ebenso märchenhaften Stil. Mit perfekten Bildkompositionen, skurrilen Charakteren in erstklassigen Kostümen und einer einzigartigen Farbgebung erschafft der Japaner surreale Filmkunst: Die Hureninsel, auf der sich Christopher wiederfindet, erinnert fast ein wenig an das Badehaus aus Chihiros Reise ins Zauberland (2001). Es ist leicht, sich in diesen Bildern zu verlieren und genau dann, wenn der Zuschauer sich den Farben hingeben möchte und Christopher seine Schuld an Komonos Leid verdrängen will, werden beide auf brutalste Art und Weise in die „Realität“ zurückgeholt. Es entsteht damit ein Kontrast aus Form und Inhalt, in dem das Unmenschliche umso schärfer hervortritt, an dem viele Zuschauer lange nagen werden. Ein weiterer, häufig vorgebrachter Kritikpunkt sind die schauspielerischen Leistungen. Der Cast neigt zum Overacting, einige Dialoge sind überdeutlich formuliert und vorgetragen und gerade Billy Dragos überzeichnete Darstellung des von Sehnsucht zerfressenen Christopher kratzt an mancher Stelle knapp an der Lächerlichkeit. Meiner Meinung nach tut das der Atmosphäre jedoch kaum Abbruch, sondern stärkt das leichte Anime-Feeling, von dem der Film durchdrungen ist. Und dennoch lässt Imprint enttäuscht zurück. Zum einen bekommt es Drehbuchautor Daisuke Tengan hin, den Ansatz der vielen Versionen der Geschichte trotz der geringen Laufzeit von 63 Minuten nicht von Abnutzungserscheinungen freizuhalten. Imprint ist damit eine der wenigen Masters of Horror-Folgen, die Längen aufweisen. Viel schlimmer ist aber, dass der Regisseur zum Ende hin sowohl erzählerisch (denn es wird abstrus) als auch audiovisuell mit dem über weite Strecken großartigen Stil radikal bricht. Das ist vor allem einem dümmlichen Plot-Twist geschuldet und einem damit einhergehenden Effekt, der schlichtweg lächerlich ist und sich überhaupt nicht in das sonst so tolle Art-Design fügt. Wie man einen Horrorfilm auflöst, ohne die gesamte Stimmung eines großartigen Werkes zu versauen, hätte sich Miike bei Carpenters Cigarette Burns (2005) abgucken können, der seinem Beitrag als achte Folge immerhin voranging. So bleibt ein Film, der – sei es aus Neugierde auf die erwähnten Gewaltexzesse, sei es auf Grund der dichten Atmosphäre – seine Fans fand und immer noch findet; der aber viel mehr hätte sein können. Christoph
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