eine Kultur Reportage von Gea Kalthegeners (WDR 1988) "Ihr dummen Schnösel, Ihr wisst ja gar nicht was schöne breite Sofas wert sind." Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat sich in den 70er und 80er Jahren regelmäßig mit dem Thema Gewaltdarstellung und Jugendschutz beschäftigt. Am bekanntesten dürfte hier die Sendung „Mama, Papa, Zombie - Horror für den Hausgebrauch“ sein, die 1984 den Erziehungsberechtigten in Deutschland das Thema sehr nahebrachte. Heute, nicht nur in Fankreisen, gerne verlacht beinhaltete der Film aber durchaus sinnvolle Ansätze, stellte aber schon durch die Auswahl besonders qualitätsarmer Beispielfilme (insbesondere Ein Zombie hing am Glockenseil) sehr deutlich fest, dass eine Diskussion über die kulturelle Wertigkeit dieses Genres definitiv nicht erwünscht sei. Ich erinnere mich auch noch an das ZDF-Erziehungsmagazin „Kinder, Kinder“ in welchem bestimmte Familien-Situationen laienhaft dargestellt wurden, um anschließend von einem Moderator derart emotional betroffen kommentiert zu werden, dass man jede Sekunde mit einem Weinkrampf rechnete. In einer Folge ging es um angebliche Mutproben, bei denen sich Kinder durch das Anschauen von Horrorfilmen selbst traumatisieren und von Schlafstörungen berichteten. „Ja“, gab der Moderator zu, „mich hat es beim Lesen von Märchen auch gegruselt, aber Angst vorm Einschlafen hatte ich nie.“ Film als Kulturgut an sich war aber auch hier kein Thema, die Gören sollten gefälligst lesen. Leider sind die meisten dieser Beiträge zur Meinungsmachefindung bestenfalls noch in analogen Archiven zu finden, was einer größeren Verbreitung über Videoportale doch arg im Wege steht. Aber wir von Evil Ed konnten nun mit „Verboten!“ einen wohl vollkommen zurecht in Vergessenheit geratenen Beitrag dieser Art in die digitale Welt retten. Im Jahr 1988 war die öffentliche Diskussion über Horror- und Splatterfilme bereits weitgehend entschieden. Gewalt in Filmen galt als überflüssiges Übel und konnte nie und nimmer ernsthaft als legitimes dramaturgisches Mittel gesehen werden. Viele Filmkritiker entschieden, dass Gewaltdarstellung auch bei eigentlich gut gemachten Filmen grundsätzlich zur Abwertung in der Gesamtnote führen muss. Menschen die sich so etwas gerne anschauten trugen mindestens den Makel, dass sie ihre niederen Instinkte nicht im Griff hätten, standen aber darüber hinaus im Generalverdacht einer daraus resultierenden Verrohung. Alles was brutal war wurde geächtet und in Folge wurde geschnitten, indiziert, beschlagnahmt und noch mehr geschnitten. Gegenrede kam nur wenig, denn in einem Land in der Historie von Thomas Mann und Karl May war kein Platz für Schund und Schmutz. Niemand wollte dafür seinen guten Namen aufs Spiel setzen. In etwa genau so war dann auch mein erster Eindruck bei der Ausstrahlung. Insgeheim hatte ich natürlich auf eine kritische Auseinandersetzung gehofft. Ja mir schwebte so eine aufklärerische Herangehensweise vor, wie man sie von Monitor oder Panorama gewohnt war. Aber mitnichten. Die Sendung besteht aus fast 30 Minuten Selbstdarstellung der BPS mit nur ein klein wenig und sehr spezieller Verfahrenskritik. Und wieder diese unsägliche Gleichmacherei aller Horrorfilme, geradezu unerträglich! Der Beitrag war damals definitiv nicht hilfreich, für Jahre nicht! Im Laufe der Zeit ist die Dokumentation aber hervorragend gealtert. Wie auch in anderen Disziplinen erfolgte der Wandel im Jugendmedienschutz nicht über Überzeugung, sondern schlicht durch das Aussterben der alten Meinungsvertreter. Das macht wiederum „Verboten!“ nun zu einem hochinteressanten zeitgeschichtlichen Dokument. Die alten Geister im Zenit ihrer Macht haben die Gelegenheit sich so zu präsentieren wie es ihnen genehm ist. Und so reden sie sich retrospektiv um Kopf und Kragen! So zum Beispiel Wolfgang Lindemeyer, Sozialinspektor und Mitglied des Dreier-Gremiums (für die Schnell-Indizierung im „vereinfachten Verfahren“). Sein Erscheinungsbild mit Hemd (weiß mit grauen Streifen), Krawatte (grau), Pullunder (grau) und einem über dem Arm getragenen Mantel in Kombination einer nonchalant gehaltenen Tasse-Untertasse-Kombination entspricht wahrscheinlich genau dem, was viele im Bildwörterbuch der Redewendungen unter „Stock im Arsch“ erwarten. Nahtlos passend dazu sein mit frappierend männlicher Hochnäsigkeit vorgetragenes Mansplaining über die Würde der Frau, oder besser gesagt, wie diese denn auszuschauen hätte. Es ist generell auffallend, wie selbstherrlich die Selbsteinschätzung der Protagonisten in der Regel ist. Von Natur aus für diese Aufgabe qualifiziert, da sie einst ja selbst Kinder gewesen sind und damals natürlich schon immun gegen die dramaturgischen Mittel des Films. Nun wollen sie alle anderen die Dummen davor schützen, denn es sind ja nicht alle so klug wie sie selbst. Die Argumentation ist dementsprechend weniger von entwicklungspsychologischem Sachverstand als vielmehr von purer Meinung geprägt. So überrascht es auch nicht wenn für Werner Jungeblodt, der Vorgänger von Rudolf Stefen, der Unterschied zwischen Realität und Fiktion verschwimmt. Er offenbart, dass für ihn jede Tötung im Film eine zu viel sei. Jedes Kind wäre ja mal klein gewesen, jedes Kind hätte eine Mutter gehabt und jedes Kind wäre auch geliebt worden und dann werde der Mensch einfach so mit einer Handbewegung ausgepustet. Nein damit könne er sich nicht abfinden. Dann gibt es noch Professor Willy Rehm. Sein Fachgebiet ist die psychoanalytische Pädagogik, die bereits damals, genau wie die von Sigmund Freud entwickelte Psychoanalyse, nur noch ein Nischendasein fristet. Er wandelt die Sitzung des 12er Gremiums in eine Vorlesung und referiert ausgiebig über das männliche Glied und dessen Darstellung. Sein Name hat wenig Spuren in der Gegenwart hinterlassen, neben einigen antiquarischen Büchern findet sich aber ein süffisanter Leserbrief beim Spiegel: In diesem bemängelt er die ungeschnittene 16er Freigabe von Filmen voller Gewalt, Blut und Menschenverachtung wie zum Beispiel „Conan der Barbar“! Auch sonst bleiben keinerlei Fragen über seine Denkweise mehr offen. Eine eher tragische Figur in diesem Kreis ist Thea von Trainer-Graumann. Da die Gremien der Bundesprüfstelle laut Gesetz pluralistisch besetzt sein müssen, die großen Kunst- und Literaturverbände aber die Mitarbeit verweigern, griff diese auf kleine Nischengruppierungen zurück, welche dann willfährige Beisitzer vermittelten. So ist Frau von Trainer-Graumann eigentlich gelernte Buchhändlerin, die ihre vorzugsweise lyrischen Texte, vermutlich in Eigenregie, über kleine Verlage veröffentlicht. So klein, dass es mir lange Zeit nicht gelang irgendetwas von ihr zu finden. Doch jetzt wurde ich im Ramschverkauf fündig und nutze die Gelegenheit um rein exemplarisch diese zufällig ausgewählten Zeilen zu präsentieren: Der aufmerksame Leser spürt hier natürlich sofort die Qualifikation für die Auseinandersetzung mit Horror und Actionfilmen. Oder auch nicht. Es lässt sich in ihrem Œuvre am ehesten noch eine Flucht ins Romantische erkennen. In ihrer Betroffenheit über die für sie unerträglichen Bilder ist sie aber bereit, sich den hanebüchenen Argumenten eines Herrn Jungeblodt allzu gerne hinzugeben. Frau von Trainer Graumann leidet unter den gezeigten Filmen, sieht dabei selbstkritisch die geringe Wirkung ihrer Tätigkeit, bleibt aber Herrn Stefen bei der Stange. So viel Dummheit Ergebenheit wurde dann schließlich mit dem Bundesverdienstkreuz belohnt. Auffällig ist das schlichte bis armselige Erscheinungsbild der Büroräume. Das Türschild ist aus Papier und die karge Einrichtung, aus anscheinend bei anderen Behörden ausgesonderten alten Büromöbeln, verströmt eine fast schon erschreckende Banalität, wie man sie sich angesichts der sich hier abspielenden Handlungen nicht vorstellen vermag. Der gezeigte Behördenalltag mit geschäftlichen Telefonaten und umfassenden Stühle verschieben könnte in jedwedem Amt stattfinden, und sei es ein Grünflächenamt. Und dann ist da noch Herr Stefen selbst. Sich selbst als Workaholic sehend und von seinen Verbündeten als Retter in der Not bezeichnet, führt er einen Privatkrieg gegen das was seinem Geschmack nicht entspricht. Er kümmert sich um rechtssichere Argumentation, zählt dazu die "Morde" in „The Prowler“ oder analysiert den anleitenden Charakter einer Vergewaltigung in der Schwarzwaldklinik (ok, letzteres tat er in einer anderen Doku, aber das passt so schön an dieser Stelle). Der Jugendschutz ist dabei lediglich nur das Fundament für die Standardfloskeln mit denen dann im Fließbandverfahren indiziert wird. Die dazu notwendige Flut von Anträgen liefern einige wenige verbündete Jugendämter und nebenbei werden höchst zweifelhafte "wissenschaftliche" Publikationen zur Diskussion gestellt. Das klingt nach Klüngelei und ist es wahrscheinlich auch. Das konnte der Herr Stefen wirklich gut, wobei ihm hier wohl auch sein zotiger Humor half, den er nach eigenem Bekunden im Schützengraben erworben hat. Ja klar, denn damit befindet er sich in der Tradition von Böll und Borchert und folgerichtig ist das dann auch zu entschuldigen! Ein wenig seltsam bei "Verboten!" ist allerdings, dass niemals das Antlitz seiner damaligen Stellvertreterin und späteren Nachfolgerin Elke Monssen-Engberding zu sehen ist.
Einige Ästheten Seher mögen das vielleicht begrüßen, aber es wäre eigentlich schon sehr interessant gewesen. In ihrer Amtszeit wandelt sich die BPS erst in die BPjS und dann in die BPjM (nicht nur Schriften, sondern alle Medien). Sie erlangte traurige Berühmtheit, in dem sie die Hilfe von Kindern in Anspruch nahm, um vermeintlich jugendgefährdende Computerspiele vollständig durchzuspielen. Aber das ist eine andere Geschichte. Sören Und hier die Videoversion:
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