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Ivan Zuccon "liest" Lovecraft - Teil 2

The shunned house / Shunned House - Haus der Toten

Regie: Ivan Zuccon

Vorlage: H.P. Lovecraft

Drehbuch: Enrico Saletti

Darsteller:  Giuseppe LorussoFederica QuaglieriEmanuele Cerman

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The only word I know in French is "merde"!

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Nach zweieinhalb Filmen, die sich eher frei aus dem Fundus lovecraftianischer Ideen bedienten und damit puristisch veranlagte Anhänger des Einsiedlers aus Providence vor den Kopf stießen, wagte sich Ivan Zuccon mit „La casa sfugitta“ an eine stärker auf der literarischen Vorlage basierende Adaption heran. Allerdings beschränkte er sich nicht auf die titelgebende Erzählung „The Shunned House“, sondern arbeitete auch gleich noch „The Music of Erich Zann“ und „Dreams in the Witch-House“ mit ein.

Und auch wenn man erneut den billigen Look oder die eher mäßigen schauspielerischen Leistungen bemängeln kann, muss man feststellen, dass diese inhaltlich deutlich geschlossenere Konzeption dem Film gut tut. In gewissem Sinne geht Zuccon den umgekehrten Weg wie in „L’Altrove“ und „Maelstrom – Il figlio dell’altrove“: wo seine ersten beiden Lovecraft-Filme den zentralen Plot (ein armes Menschlein sitzt irgendwo in seiner privaten Hölle fest) immer weiter ausbauten bis schließlich alles in einer beliebig auswuchernden und darum unbeholfen wirkenden Zeichenkette verschwamm, haben wir nun durch das Motiv des haunted house einen zentralen Fokus, der die einzelnen Bausteine zusammenhält.

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Wobei aber im Zuccon-Kosmos selbstverständlich trotzdem wieder alles drunter und drüber geht, denn auch in „La casa sfugitta“ verweigert er sich einer chronologischen Erzählweise. Sein gemiedenes Haus ist ein Ort, an dem die Vergangenheit – speziell in Form unschöner Erlebnisse, die man für gewöhnlich verdrängt – keine Ruhe findet und sich dadurch negativ auf all jene auswirkt, die sich an diesen finsteren Ort begeben. Was das Paar Rita und Alex (lustigerweise handelt es sich um einen nicht gerade vom Erfolg gesegneten Schriftsteller; das muss wohl am Namen liegen…) prompt am eigenen Leibe erfahren darf.

Die beiden haben sich jedenfalls aus Recherchegründen in den alten Bunker begeben, doch anstatt ihm seine Geheimnisse zu entlocken erliegen sie dem zersetzenden Einfluss einer nicht-linear ablaufenden Zeit. Ein zu einem früheren Zeitpunkt, als das Haus noch als Hotel diente, dort abgestiegener somnambuler Mathematiker macht ganz ähnliche Erkenntnisse – scheinbar wurde das Gebäude nämlich von seinen Erbauern geometrisch dergestalt konzipiert, dass eine Bruchstelle im Raum-Zeit-Gefüge entsteht, durch die sich die zahlreichen Realitätsebenen des Films überlappen und gegenseitig durchdringen. 

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Und wo auf Konstanten wie Zeit und Raum kein Verlass mehr ist kann der menschliche Verstand eben nur noch alle Viere von sich strecken, was sich im Fall des Mathematikers durch verschwundene Nachbarskinder und schwarze Messen Gehöhr verschafft.

Auf einer anderen Zeitebene erliegt derweil das Gehöhr eines unbedarften Mieters dem betörenden Geigenspiel seiner stummen Zimmernachbarin Carlotta Zann. Nur spielt diese wie zu erwarten nicht für ein gewöhnliches Publikum, sondern um irgendetwas Fremdes vom Eindringen in die rationale Welt abzuhalten. Und wie in Lovecrafts Geschichte bezieht dieser Erzählstrang einen Großteil seiner Spannung daraus, dass diese Abwehrversuche immer manischer und ekstatischer werden ohne dass die konkrete Natur der Bedrohung enthüllt wird. Anders als der Asket Lovecraft verstärkt Zuccon allerdings die sexuelle Konnotation der Vorgänge – wo man bei einem alten Zausel wie Erich Zann nicht einmal mehr darüber spekulieren konnte, was  genau er da eigentlich mit seiner Musik übertönen wollte, kämpft Carlotta gegen das u. a. auch in „Suspiria“ und „Inferno“ verwendete freudianische Motiv des geöffneten Fensters an.

shunned house 005Wobei selbstverständlich am Ende alle Saiten reißen und sich der entfesselte Sexus als Wahnsinn seine Bahn bricht.

Und wenn sie schließlich in Ermangelung eines Instruments ihre eigenen Sehnen mit dem Geigenbogen bearbeitet ist es beinahe ein wenig schade, dass sich Zuccon nicht auf diese sehr dicht inszenierte Zann-Erzählstrang beschränkt hat sondern ihn lediglich in ein erneut recht sperriges Durcheinander von Visionen und Rückblenden einbettet.

Zwar gelingen ihm – speziell mit Blick auf die beschränkten technischen Möglichkeiten – dabei einige schöne Bilder[1] und vor allem die mitunter sehr geschickt gestalteten Übergänge zwischen den unterschiedlichen Zeit- bzw. Realitätsebenen[2] erheben „La casa sfugitta“ deutlich aus dem versifften Einerlei vergleichbarer, möglichst blutrünstiger Amateur-Horrorfilme.

shunned house 007Gleichzeitig kommt er aber auch diesmal hinsichtlich eines vernünftigen Spannungsaufbaus oder gar charakterlicher Entwicklungen schlicht und einfach nicht vom Fleck. Stattdessen tappen Alex und Rita durch die moderigen Zimmer bis sie Schimmel ansetzen und das war es dann auch im Wesentlichen.

Alexander

[1] In den Rückblenden überwiegt natürliche Ausleuchtung und ein Hauch von Sepia.

[2] So kreuzen sich des Öfteren die Wege der diversen Hausbewohner, wodurch die lineare Zeit aufgehoben wird – ganz ähnlich wie sich in der nicht-euklidischen Geometrie parallele Linien plötzlich schneiden können und damit die Gesetze des dreidimensionalen Raumes verletzen. Ich schätze mal, dass auf diese Weise auch Cthulhu & Co. in unseren Kosmos eingesickert sind.

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