(USA/Italien 1987) Killerpuppen spielen nachts - Absolut tödlich / Bonecas Macabras / Dolls – Bambole
Regie: Stuart Gordon Drehbuch: Ed Naha Kamera: Mac Ahlberg Makeup-FX: John Carl Buechler, John Vulich Stop-Motion/Puppeneffekte: David Allen Produzenten: Brian Yuzna, Charles Band Darsteller: Ian Patrick Williams, Carolyn Purdy-Gordon, Carrie Lorraine, Guy Rolfe, Hilary Mason
Wer mich kennt, dem war klar, dass zumindest ein Stuart Gordon Film mit in meinen Inselkoffer gehört. Gordons Erstling „The Re-Animator“ (1985) und ein Interview mit dem – damals bereits fast 40-jährigen – Jungregisseur machten einen großen Teil der Nullnummer von EVIL ED im April 1986 aus und im Laufe der Jahre hat mich der Theatermann aus Chicago noch einige Male mit überragenden Werken überrascht und nur wenige Male wirklich enttäuscht („Robotjox“, „Daughters of Darkness“). Sicherlich hätte es sich dementsprechend angeboten eine schicke Edition von Re-Animator mit einzupacken, aber mal ganz ehrlich, der Film ist mittlerweile totgeschrieben und dank seiner überraschenden Befreiung vom Index vor einigen Jahren und der damit verbundenen mehrfachen Ausstrahlung der ungeschnittenen Fassung auf ARTE, ist es wirklich schwer dazu noch Neues zu finden. Da böte sich dann sogar noch „From beyond“ aus dem Folgejahr eher an, der zwar im Oevre des Regisseurs eher im Mittelfeld einzuordnen ist, aber zumindest hierzulande unbekannter ist, als die Geschichte um Herbert West. Aber erstens ist der Fim nicht wirklich so überragend und zweitens hatten wir hier an dieser Stelle bereits einmal einen (zugegeben schwachen) Text dazu veröffentlicht. Aber „Dolls“, Gordons dritte Regiearbeit, ist da schon ein ganz anderes Kaliber und vielleicht der erste Film, bei dem er zeigte, dass mehr in ihm steckte als nur der Splatteregisseur, was um so erstaunlicher ist, da sich hinter der Kamera nahezu das gleiche Team versammelte wie bei den beiden Vorgängern. „Dolls“ ist im Endeffekt eher ein Märchen für Erwachsene, was schon damit beginnt, dass wir als Protagonistin ein 7-jähriges Mädchen (Carrie Lorraine) angeboten bekommen, dass sich offensichtlich in einer „grimmschen“ Familienproblematik befindet. Unterwegs auf einer Autofahrt mit ihrem gerade neu verpartnerten Vater (Ian Patrick Williams) und ihrer Stiefmutter (herrlich böse Carolyn Purdy-Gordon) wird dem Zuschauer schon in den ersten Dialogen klar, dass der Erzeuger der kleinen Judy nicht sonderlich viel Lust hatte die Kleine als Anhängsel mit in den geplanten Paarurlaub zu nehmen. Genreüblich kommt es nun zu einem plötzlichen Unwetter, das dafür sorgt, dass das Auto mitten im Wald in einer Schlammpfütze stecken bleibt und die disfunktionale Kleinfamilie zu Fuß weiter muss. Bereits hier beweist die böse Stiefmutter, dass sie ihrer Rolle gerecht werden will und befördert den Lieblingsteddy von Judy in hohem Bogen ins Dickicht, was zu einer herrlichen Sequenz führt, die erstens die überbordende Phantasie unserer Heldin und zweitens zeigt, dass wir es nicht mit einem netten Familienfilm zu tun haben. Nach überraschend kurzer Zeit kommen die drei an einem verfallen wirkenden Landhaus an, in das sie auch gleich einbrechen. Kaum aus dem Regen entkommen, werden sie aber direkt von den Besitzern des Hauses, einem seltsam wirkenden älteren Ehepaar gestellt, die sich aber als überraschend gastfreundlich zeigen und ihnen ein Abendessen und einen Schlafplatz für die Nacht in dem Tardis-mässigen (innen größer als außen) Haus anbieten. Beim Abendmahl, bei dem Judy von dem alten Mann, der sich mittlerweile als Puppenmacher vorgestellt hat, auch noch eine passende Punch-Puppe geschenkt bekommt, tauchen auch noch ein dicklicher und sehr nerdiger Mann und seine zwei gerade aufgesammelten eher punkigen weiblichen Anhalter auf, womit das Figurenensemble nach gerade mal 15 Minuten komplett steht. Wenig überraschend entpuppen sich die Puppen des Puppenmachers im Laufe der Nacht als lebendiger als üblich und räumen, im Rahmen der gerade mal 77-minütigen Laufzeit des Filmes, alle bösen Charaktere aus dem Weg und machen selbigen für die „Guten“ frei. Das klingt jetzt zwar nicht nach besonders viel, besticht aber durch eine ganz eigene Atmosphäre und das von Gordon gewohnte Augenzwinkern. Zugegeben, das Ende ist nicht nur frag- sondern vor allem auch unglaubwürdig, aber das ist die Zeile „und sie lebten glücklich bis an ihr Ende“ auch und es gibt gerade dadurch die gewollte Märchenhaftigkeit des Filmes preis, denn rein von der Vermarktung her setzte Empire Pictures Chef Charles Band den Fokus natürlich auf anderes. Schließlich hatte sich Gordon, dank des Bombenerfolges von „The Re-Animator“, als der Goldesel der Firma, die mit dem Slogan „1000 movies till the years 2000“ innerhalb weniger Jahre auf die Nase fallen sollte, entpuppt, selbst wenn der Nachfolger nicht so überragend gelaufen war. So verkaufte der findige Charlie den Streifen auch bereits vor dem Drehstart alleine mit dem Plakat und dem Namen Stuart Gordon in Cannes und ebenso wurden natürlich auch Fangoria und Co. mit den blutigsten Bildern beglückt. Das war zwar nicht ganz gelogen, der Film hat natürlich auch einige großartige Schauwerte, dank der Arbeit von Makeup-Spezialist John Carl Buechler und seinem Team, aber alles in allem ist „Dolls“ doch eher ein ruhiger Film, der eher auf sanften Grusel, als auf das Verschleudern von rotem Farbstoff Wert legt. Was die Trickarbeit betrifft finde ich persönlich die eher subtilen Stop-Motion- und Puppen-Effekte von David Allen, der eine Art Low Budget Ray Harryhausen ist, sogar noch bedeutend beeindruckender als die Fussägereien des Splatterdepartments. Grundsätzlich ist der Film aber, wie bereits eingangs erwähnt, eher ein Märchenfilm für Erwachsene, der mehr als eine moderne Variante klassischer Stoffe zu verstehen ist. Dementsprechend ist das Drehbuch von Ed Naha voll mit mehr oder weniger versteckten Anspielungen und Details, die den Zuschauer in eine schön nostalgische Stimmung bringen. Zusätzlich passt auch Nahas düsterer Sinn für Humor ganz fantastisch zu dem von Gordon, so daß eben nicht nur scriptmässig verankerte sondern auch eher visuelle Gags, die offensichtlich von der Regie herrühren, den Film zu einer richtigen Unterhaltungsmaschine ohne auch nur eine Minute Leerlauf machen. Unterstützt wird das Ganze durch eine „märchenhafte“ Kameraarbeit von Gordons Stamm-DP Mac Ahlberg, der das Haus mit seinen langen Gängen zu einem eigenen Charakter gestaltet, nachdem er bereits für die sterile Atmosphäre bei „Re-Animator“ und die eher comichafte Welt von „From beyond“ verantwortlich war. Schauspielerisch allerdings bewegen wir uns hier eher im Mittelmaß, auch das muss man zugeben. Speziell die beiden Punkgören legen nahezu Nicholas Cage-mässiges Overacting an den Tag und auch Judys Vater gönnt man einen frühen Tod und wünscht sich eher mehr von der bösen Stiefmutter und Gordon-Ehefrau zu sehen. Ein weiteres Manko ist, dass Gordons Stamm- und Empires Hauskomponist Richard Band diesmal nur beratende Funktion hatte und ein Neuling namens Fuzzbee Morse komponieren durfte. Der hielt sich zwar offenhörbar, was Instrumentierung und Arangement angeht, genau an seine Vorgaben, hat aber nicht das Talent musikalisch den nötigen Mix aus Horror, Komödie und märchenhafter Fantasy zu erschaffen um die Bilder passend zu unterlegen. Trotz dieser Schwächen ist der Film aber trotzdem zu empfehlen und da ich ihn von den drei Frühwerken Gordons am Seltensten gesehen habe, kommt der jetzt mit in meinen Inselkoffer. Aus dem nächsten Jahrzehnt seines Schaffens wird dann auch nichts mehr darin landen, trotzdem gibt es zum Thema später noch etwas „Gordonesques“ von uns. dia
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