Regie: Norio Tsuruta Vorlage: Kôji Suzuki Drehbuch: Naoya Takayama, Norio Tsuruta FX: Makoto Morita Darsteller: Daniel Gillies, Yoshino Kimura, Ryo Ishibashi
Normalerweise kommt das Beste ja immer zum Schluss. Im Falle der „Masters of Horror“-Reihe wurde darum wie bereits in Staffel 1 auch bei der 2. Staffel wieder ein Beitrag aus Japan als finale Episode ausgewählt. Doch wo Miikes „Imprint“ ein verstörender Höhepunkt der Serie war, schwächelt Norio Tsurutas lustige Bootsfahrt in „Dream Cruise“ leider merklich vor sich hin. Dabei ist die Ausgangslage zunächst gar nicht so uninteressant: Eine Dreiecksbeziehung auf hoher See, bei der einer der Beteiligten wie seinerzeit Chief Brody panische Angst vor dem Wasser und der andere eine ordentliche Portion Dreck am Stecken hat, das Ganze auch noch basierend auf einer Story von Koji Suzuki[1] („Ringu“), weshalb der obligatorische japanische Langhaargeist nicht fehlen darf – da kann doch eigentlich nichts schiefgehen? Und trotzdem tut es das – wenngleich man fairerweise anmerken muss, dass das nicht an Regiefehlern oder Schlamperei liegt. Inszenatorisch bietet die „Dream Cruise“ die bewährte Mischung aus der für J-Horror typischen kühl-distanzierten Optik, Jump-Scares und einigen Gewaltspitzen, das eigentliche Problem ist eher, dass diese nüchterne Herangehensweise sich anders als bei den vergleichbaren „Ringu“-Filmen letztlich negativ auf die Spannungskurve auswirkt. Denn zunächst einmal nimmt sich Tsuruta viel Zeit, um sein kleines Kammerspiel auf der Luxusjacht zu veranstalten: den jungen Anwalt Jack Miller (Daniel Gillies) hat es nach Japan verschlagen. Dort soll er passend zur geplatzten Bubble Economy und der auch in den 2000er Jahren noch herumkränkelnden Wirtschaftslage mit dem Geschäftsmann Eiji wichtige Dinge besprechen, weshalb sich Jack, Eiji und dessen Frau Yuri zu einem kleinen Bootsausflug aufmachen. Verkompliziert wird die Situation dadurch, dass Jack eine Affäre mit Yuri hat, Eiji davon weiß und als waschechter Psychopath natürlich nicht gewillt ist, den gehörnten Ehemann zu spielen. Außerdem hat Eiji bereits aus Geldgier seine erste Frau bei einer ähnlichen „Dream Cruise“ entsorgt, bringt darum ausreichend kriminelle Erfahrung mit, um auch für Jack und Yuri zur Gefahr zu werden. Dumm nur, dass Eijis Ex ebenfalls - in grünlicher Spektralgestalt - mit an Bord ist und ihre eigenen Rachepläne verfolgt. Weshalb nach einem geschwätzigen Auftakt die Technik versagt, das Funkgerät herumspinnt und es neben gewalttätigen Eifersuchtsszenen auch noch zu geisterhaften Erscheinungen wie beispielsweise einer in langen schwarzen Haaren verhedderten Schiffschraube kommt. Hierbei ist insbesondere die Sequenz, in der sich das Schiffsbadezimmer langsam mit Wasser füllt, während Yuri darin gefangen ist und Eijis frühere Schandtaten flashbackt, ziemlich spannend geraten, und auch der Auseinandersetzung zwischen Eiji und Jack kann man nichts vorwerfen, nur leider versandet die Episode danach schnell in den üblichen Auftritten einer blassen japanischen Spukgestalt, die sich zwar mit seltsamen Verrenkungen bewegt und auch mal über das Wasser wandelt, insgesamt aber nur noch für verhaltenen Grusel sorgt. Und dann wäre da noch Jacks Wasserphobie, die selbstverständlich mit einem Kindheitstrauma zu tun hat, denn als er noch ein Junge war fiel sein kleiner Bruder aus einem Boot und musste jämmerlich ertrinken. Was im Verlauf des Films dazu führt, dass schließlich noch ein zweiter Geist kräftig mitmischt, damit die psychologische Komponente des Ganzen nicht zu kurz kommt. Da bereits der Auftakt von „Dream Cruise“ aus einer Reihe von Traumsequenzen besteht (das bewährte Schema: nachdem etwas Schlimmes passiert ist erwacht der Held, danach passiert etwas Schlimmes und der Held erwacht erneut) könnte man auch die Haupthandlung als einen solchen Alptraum deuten, in dessen Verlauf sich Jack der Bedrohung von ganz weit unten (aus den Tiefen des Meeres und damit aus seinem Unterbewusstsein) stellt und zum „ganzen Mann“ wird. Zu dieser Deutung der übernatürlichen Geschehnisse passt auch ganz gut, dass Jack einen Rivalenkampf austragen muss, um am Ende die Frau als Belohnung einzuheimsen. Der Verlust seines kleinen Bruders hat darum auch sehr viel mit dem Ende der Kindheit und den Schrecken des Erwachsenseins zu tun, bzw. damit, dass unter der (Wasser-)Oberfläche zuweilen reichlich unbeherrschte und obendrein rachsüchtige Ladies lauern. Womit Jack letztlich auch gegen (gerade vor dem Hintergrund der damaligen japanischen Ökonomiekrise bedeutsame) negative Charakterzüge wie Habsucht und Egoismus ankämpfen muss. Diese wirtschaftlichen Bezüge fallen allerdings in der literarischen Vorlage noch deutlicher aus, hier geht es nicht um Rechtsstreitigkeiten sondern um ein Pyramidensystem (diese auf den ersten Blick verlockenden Geschäftsmodelle, bei denen letztlich aber immer nur die anderen absahnen…), wodurch die Kapitalismuskritik stärker im Vordergrund steht. In der knapp einstündigen TV-Fassung von „Dream Cruise“ wird hingegen nicht einmal mehr deutlich, worum es bei der auf dem Boot zu bequatschenden juristischen Angelegenheit überhaupt gehen soll, wer es etwas ausführlicher will sollte darum zur 87 Minuten langen Wunschfassung Tsurutas greifen. Da die „Masters of Horror“-Serie den jeweiligen Regisseuren Narrenfreiheit ließ gab es nämlich keine Vorgaben zur Laufzeit, so dass Norio Tsuruta einen kompletten Spielfilm ablieferte. Allerdings zieht sich „Dream Cruise“ in dieser Langfassung noch mehr in die Länge ohne dass die Geschichte grundlegend bereichert wird, so dass man getrost bei der strafferen Version bleiben kann. Zumal bisher in Deutschland ohnehin nur diese TV-Fassung auf DVD veröffentlicht wurde.
Alexander
[1] Enthalten in Suzuki, Koji: Dark Water, Universo Verlag 2011
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