Shinboru Regie: Hitoshi Matsumoto
Hitoshi Matsumoto ist ein im Jahr 1963 geborener japanischer Komiker, der erst im Jahr 2007 mit seinem Erstling "Big Man Japan" (Dainippon) seinen ersten Langfilm vorlegte. Hier spielte Matsumoto selbst einen cirka 40-jährigen Mann, der einsam am Rande der Großstadt in einem kleinen Häuschen lebt und dabei von einer Dokumentarfilmcrew beobachtet wird. Der Grund dafür ist, dass er sich halt ab und an – mit Hilfe einiger Wissenschaftler - in einen Riesen verwandelt und sich mit grade die Stadt angreifenden Monstern prügelt. Hier präsentiert der Film dem Zuschauer die vielleicht originellsten Monster der Filmgeschichte – und zwar in wirklich ansehnlicher und hier nicht störender Computeranimation. Doch neben dem ganzen Eyecandy ist der Film doch viel tiefsinniger als erwartet. Das Drehbuch (natürlich auch von Matsumo verfasst) lässt sich viel Zeit damit unseren Hauptcharakter und seine Lebensumstände zu beschreiben und die Kämpfe wirken wie eine zweite Handlung, da er dort halt zu einem anderen Wesen wird. Diese Zweigeteiltheit seines Lebens zusammenzuführen will ihm (und dem Film auch) nicht gelingen und so entlässt er den Zuschauer am Ende zwar nicht unbefriedigt, jedoch mit einer Menge Stoff zum nachdenken. Diese Mischung aus Ernsthaftigkeit und zum Schreien komischer Kaiju-Parodie machte den Film in Japan zu einem Riesenhit, schränkte aber logischerweise auch die internationalen Vermarktungschancen beträchtlich ein. Der Film ist hierzulande natürlch komplett untergegangen und die beiden DVD-Versionen kommen leider ziemlich nackt daher. Auch der hier zu besprechende „Symbol“ aus dem Jahre 2009 lebt von seiner Dualität, aber hier geht der Meister – wieder nach eigenem Drehbuch – etwas geschickter vor. Ein Mann in einem großen und anfangs kargen weißen Raum, ein mexikanischer Wrestler mit Namen „Escargot Man“ – diese beiden Geschichten werden abwechselnd erzählt. Der Film beginnt mit dem Familienleben des auf Worstelpartys (das ist holländisch und bedeutet Wrestlingveranstaltung) arbeiteten Schneckenmannes und ist im realistisch fast dokumentarischem Stil und vor allem komplett in spanischer Sprache erzählt. In der sozusagen weißen Hälfte des Filmes sehen wir unseren Helden (natürlich im knatschbunten Pyjama) verwirrt erwachen. Er ist gefangen in einem Nichts von Raum – Wände, Boden und Decke sind glatt, sauber – und blendend weiß. Der einzige Anhaltspunkt ist ein einsamer seltsamer Knopf an einer der Wände. Logisch, das unser Mann den drücken muss, woraufhin – in einer der schönsten Einstellungen des Filmes – sich alle Wände mit Knöpfen versehen, die wie kleine Puppenpenisse aussehen. Jeder weitere Knopfdruck befördert entweder etwas mehr oder weniger sinnvolles in den Raum hinein oder verändert zeitweise etwas in ihm. Die Aufgabe unseres Helden ist klar – zumindest scheint es anfangs so. Die Art und Weise, wie er nun Knöpfe ausprobiert, zuerst nur um zu überleben und dann später auch um zu entkommen, das fördert andauernde Lachstürme hervor. Eine Mischung aus (niemals billigem) Slapstick, subtilem schwarzen Humor, Kalauern und gelungener Körperkomik Matsumotos (der auch hier wieder die Hauptrolle selbst spielt) bei der nahezu jeder Gag sitzt. Und während sich die Parallelhandlung dem Main-Event in einer kleinen Wrestlinghalle nähert, schafft es unser bunter Mann tatsächlich aus seinem weißen Gefängnis auszubrechen und die beiden Handlungsstränge laufen in einer nahezu surrealen Endsequenz zusammen. „Symbol“ ist in sich geschlossener als "Big Man Japan", der Humor genauer und treffsicherer und das Ende lässt sich auf viele Arten und Weisen interpretieren. Der damals bereits 47-jährige Hitoshi Matsumoto ist ein mutitalentierter Spätzünder (in dem Alter hatte Spielberg schon 20 Filme auf dem Buckel), der es auf geniale Art und Weise schafft Unterhaltung und Tiefgang zu kombinieren, ohne das das Endprodukt aufdringlich daherkommt. Seine Bildsprache ist so gewaltig und überraschend gradlinig, das „Symbol“ nahe dran ist an einem Film, der gänzlich ohne Dialoge auskommen könnte, ohne das man auch nur viel von seiner Wirkung verlieren würde. "Symbol" ist einer dieser Filme, bei denen man sich nach dem Sehen fragt, warum er kein großer Hit geworden ist. Hier greifen wirklich alle Rädchen perfekt ineinander und damit meine ich nicht nur die rein technische Seite. Bei allem Tiefgang bleibt der Film komplett unterhaltsam und funktioniert in gleichem Maß als Comedy und als seriöses Drama. Durch das für Interpretationen offene Ende bietet er außerdem auch noch genug Grund ihn sich immer und immer wieder anzusehen. Mittlerweile hat Matsumoto auch noch zwei weitere phantastische Tragigkomödien gedreht, nach denen zu suchen sich auch sehr lohnt. In "Saya Samurai" (2011) verbindet er den klassischen Samuraifilm mit seinem ganz speziellen Humor und "r100" (2013) handelt von einem Mann, der einen Domina-Service als Begleitung für sein normales Leben engagiert. Auch diese beiden Werke sind eher als außergewöhnlich und wenig zugänglich zu bezeichnen. Als Tipp würde ich dem Leser raten sich erst einmal mit "Symbol" auseinanderzusetzen, da er mit Sicherheit der zugänglichste Film seiner bisherigen Filmografie ist.
dia
|
- Hauptkategorie: Film