KIN-DZA-DZA! (UDSSR 1986) Regie: Georgiy Daneliya Drehbuch: Georgiy Daneliya, Revaz Gabriadze Kamera: Pavel Lebeshev Musik: Giya Kancheli Mit: Stanislav Lyubshin, Evgeniy Leonov, Yuriy Yakovlev. Levan Gabriadze
"Verwandeln Sie Leute wirklich in Kaktusse?" - "Nur Plükaner." "Das sind Chanudaner, keine Plükaner." - "Das spielt keine Rolle." Wieder eine kaum gekannte Perle aus dem Fundus der östlich-sozialistischen Filmproduktionen, welche kürzlich mit einigen Dekaden Verspätung in die hiesigen Kinos gekommen ist. "KIN-DZA-DZA!" ist ein russischer Science-Fiction Film, der sich ganz gut durch die Vorstellung beschreiben lässt, Tarkowski hätte, basierend auf einem Drehbuch von Jim Jarmusch, ein Crossover aus "Mad Max" und "The Hitchhiker's Guide to the Galaxy" inszeniert. Der pflichtbewusste und Ordnung liebende Vorarbeiter Wladimir Nikolajewitsch Maschkow, genannt Onkel Wowa, kommt nach einem anstrengenden Tag nach Hause. Seine Frau bittet ihn noch einmal Brot und Nudeln einzukaufen. Vor dem Einkaufszentrum wird er vom „Geiger“, dem Studenten Gedewan Alexandrowitsch Alexidse, um Hilfe gebeten. Neben dem Eingang befindet sich ein verkommen aussehender Mensch ohne Schuhe, welcher dazu auch noch behauptet er wäre ein Außerirdischer. Gewissenhaft nehmen sich die beiden des augenscheinlich kranken Zeitgenossen an, lösen aber in ihrer ignoranten Art den Teleporter des tatsächlichen Extraterraners aus und landen in der Einöde des Wüstenplaneten Plük. Zunächst treffen die beiden Genossen auf Uef und Bi, die sie mit den Gepflogenheiten von Plük vertraut machen. Die Sprache dort besteht neben einigen Fachbegriffen lediglich aus der Silbe "Ku", was aber angesichts der telepathischen Fähigkeiten der Einwohner vollkommen zur Verständigung ausreicht. So ist auch die Kommunikation mit den unfreiwilligen Raumfahrern kein Problem. Technologisch ist der Planet zwar der Erde bei weitem überlegen, die Zivilisation ist aber anscheinend schon vor langer Zeit untergegangen und der Umgang untereinander entsprechend grobschlächtig. Die Gesellschaft ist in zwei Kasten unterteilt die sich durch einen radikalen Rassismus voneinander abtrennen und von den Mitglieder der niedrigeren Kaste regelmäßig entwürdigende Gesten der Unterwürfigkeit abverlangt. In der Wüstenlandschaft von Plük befinden sich die verfallenden Gebäude zumeist unter der Erde und alle essentiellen Produkte sind knapp. So zum Beispiel Wasser. Da man in der Vergangenheit herausgefunden hatte wie daraus Treibstoff gewonnen werden kann, wurden sämtliche Wasservorräte zu Treibstoff verarbeitet. Folglich muss das Trinkwasser aufwändig aus dem Treibstoff wieder zurückgewonnen werden. Zum Glück sind Uef und Bi im Prinzip nicht zwingend abgeneigt den beiden unfreiwilligen Kosmonauten zu helfen, zumindest solange sich daraus der eine oder andere Vorteil ergibt. Onkel Wowa und der Geiger passen sich im Gegenzug immer besser an die örtlichen Gegebenheiten an und so entwickelt sich ein Roadmovie von einer absurden Situation in die nächste bis irgendwann die Heimkehr zur Erde ansteht. Zunächst erscheint KIN-DZA-DZA! eigentlich nur grotesk und reichlich träge. Die Geschichte ist aber wirklich gut erzählt und Stück für Stück lernt der Zuschauer zusammen mit seinen beiden Protagonisten diese absurde Welt immer besser kennen und irgendwann tatsächlich auch lieben. Die Anleihen von Hitchhiker's Guide to the Galaxy sind unverkennbar, aber hier wurde die Idee einer fehlgeleiteten Zivilisation in ihr Endstadium gelegt. Allgegenwärtiger Mangel und das Festhalten an längst überkommenen Konventionen sind das Szenario dieser Parabel auf das menschliche Verhalten. Der Film ist dabei niemals schreiend komisch, sondern er besticht vielmehr mit einer großartigen tragikomischen Stimmung und einem herrlichen Fatalismus mit dem sich die Figuren lethargisch durch die Handlung bewegen. Handwerklich absolut solide gemacht und mit einem zwar sehr spartanisch eingesetzten aber nichtsdestotrotz schönen Soundtrack versehen, der die Stimmung hervorragend unterstützt. Schnell ist man geneigt den Film auf die sich damals schon in Auflösung befindliche Sowjetunion zu beziehen. Zeitlich passt es auch ziemlich gut, da Michail Gorbatschow bereits 1985 und somit über ein Jahr vor der Veröffentlichung von Kin-dza-dza! das Amt als Generalsekretär des ZK der KPdSU übernahm und als solcher anstrebte, die Vokabeln Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umstrukturierung) weltweit bekannt zu machen. Allerdings erklärt dieser Umstand nicht, wieso eine solche Produktion in einer Zeit ganz ohne Glasnost und Perestroika überhaupt möglich wurde. Gab es etwa vorher schon entsprechende Strömungen, vielleicht schon mit dem Eintritt von Gorbi ins Politbüro im Jahre 1980? Vielleicht. Aber die Arbeit an Kin-dza-dza! begann schon zu Zeiten Breschnews. Ursprüngliche Idee war die Verfilmung von Stevensons Schatzinsel auf einem anderen Planeten spielen zu lassen. Die Geschichte wurde im Laufe der Zeit allerdings immer wieder umgeschrieben, erweitert, gekürzt und wieder erweitert. So wog das Paket mit allen Skriptvariationen stolze fünf Kilo und war definitiv nicht mehr leicht zu lesen. Gleichwohl hatte Regisseur Georgiy Daneliya durch seine Vorwerke einen derart guten Ruf erworben, dass zum Beispiel der damalige Vorsitzende des staatlichen Komitees für das Filmwesen Alexander Kamshalov nur knapp ein Viertel des Drehbuchs las und die Dreharbeiten mit dem Vermerkt „bei jedem anderen hätte ich das schon längst in den Müll geworfen“ freigab. Tatsächlich wurden aber trotzdem am fertigen Film noch Änderungen eingefordert. Da der „Mineralsekretär“ Gorbatschow nach Amtsantritt eine große Kampagne gegen Alkoholmissbrauch initiierte wurde eine Flasche Wein kurzerhand zu Essig definiert und ein Gelage mit Bremsflüssigkeit entfernt. Letzteres geht dramaturgisch stark zu Lasten eines Wendepunkts, welcher aber dank der skurrilen Charaktere trotzdem funktioniert. Der Film wurde seltsamerweise als Zweiteiler konzipiert, wobei die Gründe dafür unklar sind. Genauso unklar ist, ob er tatsächlich auch so vermarktet wurde oder die Teile immer direkt hintereinander gezeigt wurden. Aber auf diese Weise hatte Regisseur Danelija die Möglichkeit zwei unterschiedliche Enden umzusetzen, was, so entgegengesetzt sie auch sind, in beiden Fällen gut funktioniert. Aber ist es nun eine Parabel allein auf die russische Gesellschaft? Dem ersten Eindruck nach bestimmt, aber bei genauerer Betrachtung liegt dies vor allem an der für westliche Augen ungewöhnlichen Machart. Letztendlich ist die Geschichte ziemlich universal und Parallelen zu "unserer" Welt sind leicht zu finden. Wie auch immer, der Film ist und bleibt ein großer Spaß! KIN-DZA-DZA! wurde jetzt von Bildstörung auf DVD und Blu-ray veröffentlicht. Ich vergebe da eine klare Kaufempfehlung!
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