The golden Glove (Deutschland 2019) Buch & Regie: Fatih Akin Kamera: Rainer Klausmann Produktionsdesign: Tamo Kunz Artdirector: Seth Turner Mit: Jonas Dassler, Margarete Tiesel, Katja Studt, Martina Eitner-Acheampong, Dirk Böhling, Hark Bohm
Serienkiller. Eine unerschöpfliche Inspiration für Autoren, Filmemacher und Journalisten jeglicher Couleur. Ohne sie wäre die Bücher- und Kinowelt um so einige Figuren ärmer. Als faszinierende und zumeist komplexe Figuren bieten sie geradezu unendliche Möglichkeiten sich erzählerisch an ihnen zu reiben, so dass man schnell vergisst, dass diesen Figuren oftmals reale Vorbilder zugrunde liegen.
Die Kneipe besteht bis heute. Das damals prägende Klientel wurde zwar zwischenzeitlich zum großen Teil aus St. Pauli herausgentrifiziert, aber das Lokal versprüht immer noch viel Charme und so wundert es auch nicht, dass es sich immer mehr zum Ziel von geführten Touristen wandelt, die ihre Welt der hippen Szenekneipen kurzfristig verlassen, um dort etwas morbide Luftveränderung zu genießen.
Fatih Akin hat sich nun angeschickt, das Buch zu verfilmen und geht dabei im wahrsten Sinne des Wortes gnadenlos zu Werke. Er entnimmt dem Buch lediglich den roten Faden und komprimiert den Inhalt auf die Geschichte eines hässlichen Alkoholikers von minderer Intelligenz mit deformiertem Gesicht. Brachial und zutiefst schmucklos lernen wir das Leben von Fritz Honka kennen. Ausgestoßen aus der normalen Welt, ohne Anerkennung und zutiefst unzufrieden mit dem Erreichten, hat er durch seinen schäbigen Job zumindest ausreichend Geld um sich seine Welt erträglich zu saufen. Doch selbst in dieser Welt ganz unten findet er keine Partnerin, und so besteht seine Sexualwelt aus Porno und weiblichen Gegenstücken, die für etwas Schnaps alles machen und natürlich auch mit sich machen lassen. An diesen armen Gestalten arbeitet Honka dann seinen Frust ab und geht dabei bis zum Mord. Und weil er die Entsorgung der Leichen nicht hinbekommt, lagert er diese zerstückelt in der Abseite seiner Mansardenwohnung ein. Gegen den Gestank der Verwesung helfen dann Wunderbäume und die Ausrede, dass die griechischen Nachbarn permanent Hammel und Knoblauch kochen.
Ganz konträr dagegen die Szenerie im Goldenen Handschuh. Hell, sauber und mit knuffig-direktem Umgangston finden sich am Tresen durchaus sympathisch-skurrile Persönlichkeiten, die mit Witz und Esprit zu glänzen vermögen. Aber auch hier beweist Akin seine extrem gute Beobachtungsgabe und lässt die Fassade dieser nur durch Alkohol verbundenen Gemeinschaft nach und nach bröckeln und die Fratzen der darunter weilenden zerbrochenen Charaktere zum Vorschein kommen. Musikalisch kontrastiert wird diese abscheuliche Szenerie durch sehr gewählt ausgesuchte Siebziger Jahre Schlagermusik. Und damit kommen wir zu einer weiteren Stärke des Films, nämlich sein fein eingesetzter hintergründiger Humor. Es ist wirklich großartig wie in den übelsten Situationen die Skurrilität auf die Spitze getrieben wird und es urplötzlich komisch wird. Angesichts des düsteren Grundtons war dieser Effekt den anderen Zuschauern aber anscheinend eher peinlich, denn ich war dann doch der einzige im Kino, der manchmal schallend loslachte. Ob deswegen die Dame in der Reihe vor mir früher ging, vermag ich nicht zu sagen, ich hoffe aber nicht.
Bei Fatih Akin gibt es aber keine Flucht. Die Figuren entwickeln sich nicht weiter, sondern zeigen lediglich immer nur neue Facetten ihres Charakters. Dadurch ziehen sich leider auch einige Längen durch den Film. Trotzdem entsteht dramaturgische Spannung, in dem sich die Welt um den Protagonisten immer enger zieht. Die Opfer von Honka werden immer stärkere und kampferprobte Persönlichkeiten und auch die griechischen Nachbarn rücken ihm immer dichter auf die Pelle. Selbst seine Wohnung wird immer enger inszeniert, so dass das unvermeidbare Ende irgendwie schon einen katharischen Effekt hat, allerdings ohne jede Hoffnung.
„Der goldene Handschuh“ ist nicht unbedingt ein Meisterwerk, aber ein wirklich starkes Stück deutsches Kino. Das in den Kulturredaktionen vorherrschende Unverständnis macht ihn darüber hinaus noch richtig sympathisch. Sören
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