(USA 2018)
Darsteller: Maika Monroe, Ed Skrein
No Bars. No Guards. No Escape.
In einer nicht weiter definierten, aber nicht allzu entfernten Zukunft tingelt Julia durch die Nacht und hält sich mit kleineren Diebstählen über Wasser. Eines Abends wird sie betäubt und entführt, findet sich darauf in einem Verlies zusammen mit einer Frau und einem Mann wieder. Sie sind alle fixiert und mit einer Maulsperre geknebelt, während ihr Entführer, der sadistisch erscheinende Alex, verschiedene, schmerzhafte Tests an ihnen durchführt. Als er sie in ihrer Zelle wieder alleine lässt, erweist sich Julia als einfallsreich und sprengt mithilfe einer Gasleitung die Tür ihres Kerkers auf. Im Erdgeschoss des hypermodernen Anwesens erwartet sie ein riesiger Roboter, der ihre Mitgefangenen tötet. Julia selbst hat das Glück, dass just in dem Moment Alex nach Hause kommt und TAU, die künstliche Intelligenz, die alle Funktionen des Hauses wie auch den Roboter steuert, anweist, sie zu verschonen. Alex stellt sie vor die Wahl: entweder stirbt sie jetzt auf der Stelle oder stellt sich für einige Tests und Aufgaben zur Verfügung, die sie unter der Aufsicht von TAU löst, um dem lernfähigen Computer bei seiner Entwicklung zu helfen. Julia willigt ein, nutzt aber die Tage, während Alex außer Haus weilt dazu, die künstliche Intelligenz im Zwiegespräch auf ihre Seite zu ziehen... Regisseur Federico D'Alessandro, der ansonsten als Storyboard Artist aufwändige Action-Szenen großer Marvel-Produktionen skizziert und die Entwicklung von dazugehörigen Animations-Sequenzen überwacht, greift in seinem Langfilm-Debüt das ewig hippe Thema der Vermenschlichung künstlicher Intelligenzen auf, das seit Fritz Langs METROPOLIS (1927), über Kubricks 2001 – ODYSSEE IM WELTRAUM (1968) und Camerons TERMINATOR 2 (1991) bis zu aktuellen Filmen wie Alex Garlands EX MACHINA (2014) und Spike Jonzes HER (2015) einen weiten Weg gegangen ist. Drehbuchautor Noga Landau entschied sich dabei für eine sich über den Intellekt als eigene Persönlichkeit definierende künstliche Intelligenz ohne menschliches Äußeres. Der Kniff des Scripts ist dabei, dass sich TAU überhaupt gar nicht gewahr ist, was eine Person ist und dass er selbst tatsächlich an der Grenze zu einem eigenständigen Wesen steht. Dies nutzt die erstaunlich smarte Julia für sich aus und verwickelt TAU in Diskussionen um Persönlichkeit, das Leid physischer wie psychischer Schmerzen und Grundsätzen ethischen Handelns. Und hier liegt dann auch schon der Hund begraben, denn der Film streift in diesem Diskurs sein Thema gerade einmal oberflächlich. Er stellt diese Gespräche zwar im Fortlauf der Geschichte immer mehr in den Mittelpunkt, es kommt einem allerdings vor, dass dies aus der Not heraus geboren wurde, um diese nur irgendwie am Laufen zu halten. Das Hauptanliegen von Julia ist und bleibt die Flucht, ihre Diskussionen mit TAU nutzt sie dabei, um hierfür dienliche Informationen zu sammeln und die etwas unbeholfene KI auf ihre Seite zu ziehen. Diese Manipulation erweist sich allerdings als recht hanebüchen, und das schien dem Autoren auch klar gewesen zu sein, streut er doch regelmäßig kleinere Spannungsmomente ein, um den Zuschauer bei Laune zu halten. Das Verhalten des Erfinders Alex, der mit seiner Entwicklung von TAU unter Termindruck zu stehen scheint, worauf aber nicht wirklich eingegangen wird, bleibt dabei relativ unerklärt. Er hat die ganze Zeit über die volle Kontrolle über sein intelligentes Eigenheim, hat aber keine Ahnung davon, was sich dort während des Tages abspielt, denn ansonsten würde er die Manipulationsversuche Julias TAU gegenüber gewiss unterbinden. Das Kammerspiel ist dabei natürlich auf die Leistungen seiner Protagonisten angewiesen, um einigermaßen glaubwürdig zu funktionieren. Hauptdarstellerin Maika Monroe, die im Independent-Horror IT FOLLOWS (2014) noch überzeugen konnte, weiß nicht wirklich etwas mit der Rolle anzufangen, was man ihr nicht verdenken kann, denn ihr intellektueller Schlagabtausch mit dem Computerwesen, das im englischen Original von Gary Oldman gesprochen wird, spielt sich durchgehend eher auf Kindergarten-Niveau ab, und so macht sie sich am besten, wenn sie mal wieder, nervlich angespannt, einen ihrer Fluchtversuche startet. Die Rolle des von Ed Skrein gespielten Alex ist dabei noch weit undankbarer, seine Figur deutet anfangs klar soziopathische Tendenzen an, die er aber im folgenden, oder eher gesagt bis zum Finale, kaum ausspielen darf, da sich der Erfinder seinem Versuchsobjekt wie seiner Schöpfung überlegen zu fühlen scheint und kaum mehr Emotionen als Wut und Verachtung offenbart. Wahrlich keine Rolle für den jungen Engländer, der im ersten DEADPOOL (2016) den Oberschurken Ajax verkörperte, um sich für höheres zu empfehlen. Viel mehr Wert hat man sichtlich auf den Look des Films gelegt, denn der kann sich, trotz eines gewiss überschaubaren Budgets, wirklich sehen lassen. Die Optik verortet die Handlung in einer nicht weit entfernten Zukunft im neonfarbenen Retro-Style der 80er Jahre. Man bekommt nicht wirklich viel von der Welt zu sehen, aber durchaus ein Gespür für sie. Auch im hochgerüsteten High-Tech-Haus dominieren einfache geometrische Formen und leuchtende Farben, bei Gefahr wird die Szenerie desöfteren in tiefes Rot getaucht. Wenn es schon nur einen faden Hamburger zu essen gibt, darf der doch wenigstens appetitlich aussehen. Der Syntesizer-Score von Bear McCreary, derzeitiger Hauskomponist der Serien MARVEL'S AGENTS OF S.H.I.E.L.D. und THE WALKING DEAD, fügt sich hier wunderbar ein. Bezogen auf Optik und Sound könnte man mutmaßen, dass Netflix bevorzugt Filme und Serien einkauft, die gut mit dem Streaming-Dienst identifizierbar sind, um so ein Trademark zu etablieren und an seiner eigenen Identität zu feilen. Wünschenswert wäre nun, dass dann hin und wieder mal mehr gehaltvolleres als filmisches Fast Food dabei herumkommt, also mehr ANNIHILATION und THE OUTSIDER als BRIGHT, CARGO, WAR MACHINE oder eben TAU. Der Film schaut gut aus, lässt sich nett weg gucken, ist zeitweise sogar richtig spannend, doch er krankt an der eigenen Oberflächlichkeit, was die Story und vor allem die Charaktere angeht, was sich sogar dahingehend äußert, dass dem Computerwesen TAU in diesem 3-Personen-Kammerspiel die meisten Sympathien zukommen dürften. Wer sich nach Feierabend mal etwas nett berieseln lassen möchte, ist hier genau richtig, wem es aber nach der Auseinandersetzung mit den großen Fragen in der moralischen und ehtischen Entwicklung künstlicher Intelligenz dürstet, bekommt hier auf halber Strecke einen nicht nur trockenen, sondern wohl auch dicken Hals. Horny
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