Necromania / Deranged: Confessions of a Necrophile / Besessen (USA 1974) Regie: Jeff Gillen, Alan Ormsby Drehbuch: Alan Ormsby Makeup-FX: Tom Savini Darsteller: Roberts Blossom, Robert Warner, Pat Orr Remember what I've always told you:
Als Polizisten des Waushara Countys am Abend des 16. November 1957, im Zuge einer Ermittlung im Fall einer vermissten Verkäuferin, die Farm des Eigenbrötlers Ed Gein durchsuchten, fanden sie dort das sprichwörtliche Grauen. Nicht nur, dass die Vermisste kopflos aber trotzdem kopfüber, frisch entweidet und ausblutend in der Scheune hing, auch in der Wohnung des seltsamen Mannes fanden sich Leichenteile von über 15 Personen sowie Gegenstände, die aus Menschenfleisch und –haut gebastelt worden waren. Der Tod seiner Mutter, die er die letzten Jahre als Pflegefall betreut hatte, hatte den ohnehin etwas seltsamen Gein 12 Jahre zuvor komplett aus der Bahn geworfen. So weit, dass er die Leiche stahl, zu Hause präparierte und ins Bett legte. Auf den Geschmack gekommen begann er nun immer öfter Ausflüge zum benachbarten Friedhof zu unternehmen, um sich mit frischem Ausstopfungsmaterial zu versorgen und entwickelte eine seltsame Kreativität im Umgang mit Leichenteilen. Zusätzlich konnten ihm noch zwei Morde nachgewiesen werden und seine Mitwirkung an verschiedenen Fällen verschwundener Personen in der Umgebung wurde vermutet. Dank des nicht gerade frischen und gepflegten Zustandes der gefundenen Leichenteile konnten ihm diese aber nicht mehr nachgewiesen werden. Das er als nicht geistig gesund genug für eine Verhandlung bzw. Verurteilung war verbrachte er den Rest seines Lebens in der geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Klinik wo er im Jahre 1984 starb. Der Fall schlug damals in den USA große Wellen und wurde von der Popkultur aufgesogen. So inspirierte Gein unter anderem Robert Bloch zum Schreiben seines erfolgreichsten Buches namens „Psycho“, in dem er der Hauptfigur, einem Muttersöhnchen namens Norman Bates, viele Charakterzüge des baseballkappentragenden sogenannten „Butchers of Plainfield“ mitgab. Ebenso wie die geniale Verfilmung des Buches durch Alfred Hitchcock, wurden unter anderem auch in Filmen wie „The Texas Chainsaw Massacre“ (1975) oder „Silence of the lambs“ (1990) zumindest Elemente des Falles verwendet. Auch einige Dokumentarfilme und biographische Filme wurden über den freundlichen Herr Gein gedreht, man kann also sagen, dass sich mit der Schrecklichkeit seiner Taten gut Geld machen liess und Amerika wäre nicht Amerika, wenn die Kuh nicht bis zur Austrocknung gemolken würde. Selbst heute noch werden alle Jahre wieder Filme mit Geinschen Details, wie dem Tragen von echten Gesichtsmasken oder Dekoartikeln aus Körperteilen, verfeinert. Das zeigt deutlich, wie sehr der Fall Gein im amerikanischen Gemeinschaftsbewusstsein verankert ist, selbst wenn er mit gerade mal zwei komplett willkürlichen Tötungsfällen weit entfernt von der Spitzenliste der amerikanischen Serienkiller ist. Die wird von Leuten wie dem, in seiner Freizeit als Clown auftretenden, John Wayne Gacey dominiert. Immerhin 33 Morde an jungen Männern konnte man ihm nachweisen und letzendlich wurde er durch Bissspuren auf dem Hintern seines letzten Opfers indentifiziert. Auch Gaceys Einflüsse sind in Buch und Film deutlich identifizierbar. Zurück aber zu Ed Gein und unserem heutigen Film den man, zumindest hier in Deutschland, eher stiefmütterlich behandelte und der tatsächlich erst seit ungefähr einer Dekade hier erhältlich ist. „Deranged“, der zur gleichen Zeit wie Tobe Hoopers Klassiker „The Texas Chainsaw Massacre“ entstand und deshalb wohl immer in dessen Schatten stehen wird, hält sich tatsächlich ziemlich genau an die originalen Vorfälle. Er beginnt mit dem Tod der Mutter und ihrer illegalen Exhumierung und endet mit dem Fund der letzten Leiche, die hier zwar ihren Kopf behalten darf, aber ansonsten genau so dahängt wie es ein bekanntes Pressefoto (siehe oben) vom Fundtag dokumentierte. Wo Hitchcock wie üblich, auf Spannungskino setzte und „TCM“ eher die Schockmomente betonte, ging „Deranged“ komplett eigene Wege, setzte auf erschreckenden Realismus und beissenden, teilweise schmerzhaften, Humor. Das beginnt schon damit, dass der Erzähler des Filmes, der im Nachrichtenton den Fall begleitet ab und an tatsächlich im Bild auftaucht und somit die vierte Wand durchbricht. Aber auch in anderen Szenen wird deutlich mit dem Entsetzen Scherz getrieben, was den Film auch nach all den Jahren noch gut guckbar macht. Roberts Blossom der die, hier Ezra Cobb genannte, Hauptfigur bietet eine Performance zum Niederknien[1]. Niemals ist er der gefühllose Killer, sondern eher eine bemitleidenswerte, naive und teilweise wie ein kleiner Junge wirkende Figur, die keinerlei Unrechtsbewusstsein bei ihren Taten hat. Blossom, der hier eine gesunde Mischung aus Over- und Underacting bietet, war zuvor unter anderem in der Vonnegut-Verfilmung „Slaughterhouse Five“ in einer mittelgroßen Rolle zu sehen und lieh sein ausdrucksstarkes Gesicht später in vielen Filmen kleinen, aber auffälligen Charakteren, wie zum Beispiel dem Doc in „Escape from Alcatraz“ oder dem alten Mann in der Kirche in „Home alone“. Zwar gab er auch später selbst zu in „Deranged“ eine gute Leistung abgeliefert zu haben, konnte sich aber mit dem Inhalt des Filmes bis zu seinem Tod im Jahr 2011 in keinster Weise mehr identifizieren. Als Regisseure des Filmes werden offiziell nur Jeff Gillen und Alan Ormsby angegeben, die beide nicht gerade für diese Arbeit sondern eher als Drehbuchautoren bekannt waren. Entweder hat hier der „Lightning in a bottle“-Effekt zugschlagen oder es ist tatsächlich etwas an den, auch in den Extras oft erwähnten, Gerüchten, dass Produzent Bob Clark hier auch gewaltig seine Hände im Spiel hat, denn der Film macht in keinster Weise den Eindruck ein Zufallstreffer zu sein. Die gesamte Dramaturgie und der teilweise absurde Humor ist handschriftlich eher ein Indiz für einen Bob (Porkys, Black Christmas, Murder by Decree) Clark Film, ein weiteres ist die Mitarbeit von Tom Savini, der ja im gleichen Jahr in Clarks ähnlich atmosphärischen „Dead of Night/Deathdream“ als Makeup-Assistent von Alan Ormsby sein Debut hatte. Wo wir gerade vom guten Tom sprechen – in „Deranged“ bietet er erstmals tatsächlich erkennbar eine Kostprobe seiner Kunst, die ja später nahezu alleine dafür verantwortlich war, das der Special-Make-Up-Techniker zum Traumberuf sämtlicher Monsterkids wurde. Nicht nur die realistisch halbverwesten Leichen, die man auch in den diversen zensierten Fassungen nicht komplett entfernen konnte, sondern auch ein paar gut gesetzte und effektive harte Splatterszenen gehen offensichtlich auf sein Konto. Am beeindruckensten hier ist natürlich die berühmte Sequenz, in der Ezra einem abgeschnittenen Kopf zuerst ein Auge und dann das – zugegeben erstaunlich frische – Gehirn entfernt und die bis zum mir vorliegenden Arrow Release nur in einer erschreckend unansehnlichen Form vorlag. Bei der neuen und komplett restaurierten Fassung, die im Übrigen auch in absehbarer Zeit dank Wicked-Media in deutsch erscheinen wird, kann man nun wirklich jedes schleimige und blutige Detail erkennen, was dem Film – auch in einigen anderen Momenten – eine fiese Härte gibt, die im schönen Kontrast zum teilweise derben Humor steht. Ebenso haben wir es auch Savini zu verdanken, dass es – zumindest bei Arrow – eine ganze Menge echtes Behind the scenes Material von den Dreharbeiten speziell der Splatterszenen gibt, denn bekanntlich hat der Latexjongleur aus Pittsbourgh schon immer bei seiner Arbeit eine zusätzliche Kamera mitlaufen lassen. Anfangs – wie auch hier – noch in 16 mm, später dann immer auf dem aktuellen Stand der Technik des kleinen Mannes. Generell sind die Extras auf dem Arrow Release ein Zuckerstückchen, selbst wenn man die US-DVD oder BluRay schon besitzt, denn wo die Amerikaner neben dem Audiokommentar von Savini nur mit Dokumentationen über den echten Ed Gein aurwarten konnten, haben dieEngländer sowohl Scott (Intruder) Spiegel, als auch „Human Centipede II“-Star Laurence R. Harvey zu Interviews über ihre Liebe zu „Deranged“ vor die Kamera gebeten. Das Highlight ist aber das Interview mit Regisseur Jeff Gillen, das mit den eben erwähnten 16 mm BTS-Aufnahmen Savinis illustriert ist und eben auch viele Details zu seiner mehrfachen Zusammenarbeit mit Ormsby und – dem leider im Jahr 2007 bei einem Autounfall ums Leben gekommenen – Bob Clark bietet, was speziell für die eher filmhistorisch interessierten Leser interessant ist. Solltet ihr keine der beiden Versionen bisher im Besitz haben, dann lohnt es sich sicherlich nun noch zu warten, denn bisher steht noch nicht fest welche der beiden Extra-Pakete die Grundlage für die deutschen HD-Veröffentlichung bieten werden und Wicked sicherlich auch noch eigenproduziertes Material dazupackt. Fest steht bisher nur, dass die Scheibe auf alle Fälle die ARROW-Restauration beinhalten wird und im Vergleich könnt ihr ALLE Eure alten Fassungen entsorgen, denn nie zuvor waren alle die herrlichen makaberen Details in Ezras Wohnung so deutlich zu sehen. Wir werden Euch auf alle Fälle auf dem Laufenden halten, denn „Deranged“ gehört in der bestmöglichen Version in jede Horrorsammlung.
dia [1] Grüße an Nils Beckmann
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