A study in Terror
ab 9. November von Koch-Media auf DVD/BluRay Regie: James Hill Musik: John Scott Darsteller: John Neville, Donald Houston, Judi Dench, Charles Regnier
Hinter dem hanebüchenen deutschen Titel "Sherlock Holmes größter Fall" verbirgt sich der Klassiker „A Study in Terror“ (1965), ein Schauerstück aus der Hochzeit des englischen Horrorfilms. 1888 – im Londoner Armenviertel Whitechapel geht ein irrer Schlitzer um, der es vor allem auf Prostituierte abgesehen hat. Da Scotland Yard mit der Jagd auf den Serienkiller hoffnungslos überfordert ist schaltet sich der berühmte Sherlock Holmes ein. Nichts neues unter der Sonne könnte man fast sagen, hat man die Kombination Jack the Ripper-Sherlock Holmes schon öfter im Kino gesehen. Speziell „Murder by decree“ aus dem Jahre 1978 mit Christopher Plummer und James Mason als Duo Holmes-Watson ist vielen Filmfans noch als einer der besten Holmes-Filme in Erinnerung. Der hier vorliegende „A Study in Terror“ ist allerdings das erste filmische Zusammentreffen des realen Serienkillers mit der literarischen Kunstfigur und steht dem bekannteren Film kaum nach. Regisseur James Hill - der vorher vor allem als Hauptregisseur der Serie „The Avengers“ (dt. „Mit Schirm Charme und Melone“) bekannt war und erst später mit dem rührenden und mehrfach ausgezeichneten „Born Free“ („Frei geboren – die Löwin Elsa“) Weltruhm erlangte – holt hier, mit sicherem Gefühl für Atmosphäre, aus dem geringen Budget das Beste heraus und treibt seine Schauspieler zu wahren Meisterleistungen an. John Neville´s Holmes ist hinreissend arrogant und snobistisch, zögert aber auch nicht mal neben seinen überragenden Geistesfähgkeiten auch mal seine Fäuste oder seinen mit einem Messer ausgestatteten Spazierstock einzusetzen. Obwohl Neville sich rollenmässig teilweise an den wohl berühmtesten Filmholmes Basil Rathbone anlehnt, gelingt ihm eine sehr eigenwillige und - damals zumindest – moderne Variation. Auch Donald Houston als Dr. Watson macht eine gute Figur und über weite Strecken scheint der gute Doktor direkt aus den Buchseiten herausgesprungen zu sein. Zusätzlich überraschen noch Frank Finlay als Inspektor Lestrade, Robert Morley (großartig) als Holmes Bruder Mycroft und in kurzen Gastauftritten der deutsche Characterkopf Charles Regnier und die unvergleichliche Judi Dench. Doch was „A Study in terror“ zu etwas ganz besonderem macht ist die gelungene Mischung zwischen der Krimihandlung und den Stilmitteln des englischen Horrorfilmes. Ständig wabert der Nebel, die Morde sind (wie damals durch die berühmten Hammerfilme standartisiert) recht blutig und schockierend und selten war Whitechapel so dreckig. Speziell die Szenen im Armenkrankenhaus bringen eine ungewohnt deprimierende Atmosphäre zum Zuschauer. Auch wenn der Film es mit den historischen Fakten nun garnicht genau nimmt (Der Ripper mordet doch recht „sauber“, in falscher Reihenfolge und wird am Schluss sogar enttarnt), so kann man ihn doch jedem Filmfan empfehlen, der den gepflegten Grusel einer modernen Splatterorgie vorzieht. Für Sherlock Holmes Fans ist der Streifen ohnehin ein Muss. Zum Abschluß noch einige Worte zur aktuellen Veröffentlichung von Koch-Media im Vergleich mit der alten Fassung von MC-one. Als Grundlage der zehn Jahre älteren Fassung diente damals eine recht vernünftige Kopie des Filmes, die allerdings in Sachen Farbqualität und Schärfe zu wünschen übrig liess. Für die akutelle Version scheint man ein neues Master benutzt zu haben, das Bild ist herrlich hell, gestochen scharf und farblich kann man vor allem bei Rot und Schwarz einen deutlichen Unterschied ausmachen. Ebenso sind einige Laufstreifen und "Cigarette Burns", die bei der MC-one-Version den Filmgenuss trübten komplett verschwunden. Leider aber sieht man auch einige Artefakte bei schnellen Bewegungen und in dunklen, bzw. sehr nebligen Szenen, was sich aber kaum verhindern lässt, wenn man nicht das Mastering Bild für Bild durchführt und diesen Zeitaufwand wird mit Sicherheit kein Label für solch einen kleinen und - leider - eher unbekannten Film investieren. Was allerdings im direkten Vergleich beider Versionen deutlich wird, ist dass man sich sehr größe Mühe gegeben hat, den Film aufzuhellen ohne dass er dadurch "künstlich" wirkt - ein Problem unter dem viele BluRay-Fassungen von Filmen leiden, die in den sechziger und siebziger Jahren in England entstanden sind und jetzt durch gefühllose Überfilterung einen "Plastiklook" haben. "A Study in terror" hingegen sieht immer noch so aus wie ein Kinofilm, die wunderbare atmosphärische Kamerarbeit von Desmond Dickinson geht somit nicht verloren. Der deutsche Ton enspricht der alten (und damals üblichen) Synchronisation, das heisst er klingt etwas kalt und hschrill und unterdrückt sämtliche leiseren Nuancen. Zusätzlich hat man sich damals noch nicht die Mühe gemacht verschiedene Sprachfärbungen zu berücksichtigen, so dass selbst der verlausteste "Penner" im Armenhospital noch ein lupenreines hochdeutsch spricht. Deshalb sollte man tunlichst auf den Originalton zugreifen und wenn nötig die deutschen Untertitel zur Hilfe nehmen. Die englische Tonspur klingt verblüffend sauber (auch das war bei der alten Fassung nicht der Fall), lässt sämtliche Nebengeräusche kristallklar durch und addiert durch die sprachlichen Unterschiede zwischen der Ober- und Unterschicht einiges zum positiven Gesamteindruck. Als Extras gibt es auf der BluRay hingegen nur einen Trailer und eine Bildergalerie, was natürlich kein Kaufagrument ist. Trotzdem bietet zumindest die recht umfangreiche Galerie eine schöne Möglichkeit die verblüffend ironische Vermarktung des Filmes (siehe auch unser einleitendes Plakat) nochmals Revue passieren zu lassen. Trotzdem wäre sicherlich mit ein wenig finanziellem Aufwand mehr möglich gewesen, z.B. ein Audiokommentar, der diesen durchaus interessanten Film auch filmhistorisch hätte einordnen können, aber wie bereits erwähnt ist "A Study in terror" halt ein vergessener Klassiker, der - leider - unter einem Berg von Hammer-Filmen begraben wurde. Somit kann ich also eine uneingeschränkte Kaufempfehlung für jeden aussprechen, der sich für klassische Schauerfilme interessiert. In diesem Format sah der Film hierzulande niemals besser aus und es handelt sich wahrscheinlich um den besten Hammer-Film, den Hammer NICHT produziert hat.
dia
|
- Hauptkategorie: Film