(D 1973) Regie: Ulli Lommel Buch, Idee, Ausstattung: Kurt Raab Produktion: Rainer Werner Fassbinder Darsteller: Kurt Raab, Jeff Roden, Ingrid Caven, Brigitte Mira, Rosel Zech, Rainer Werner Fassbinder
Hannover – eine Stadt, ähnlich bekannt wie Bielefeld, die - im Gegensatz zum in Wirklichkeit nicht vorhandenen Örtchen am Rande des Ruhrgebietes – zumindest einige Dinge zu bieten hat. Als da wären, das akzentfreieste und reinste Sprachdeutsch, die CeBit, einen Ex-Bundeskanzler und...
Wer hier Genaueres und faktenorientierteres wissen will, sollte entweder die als Taschenbuch erwerblichen Haarmann-Protokolle lesen oder sich deren Verfilmung „Der Totmacher“ mit Goetz George zulegen. „Die Zärtlichkeit der Wölfe“ erzählt die Haarmann-Geschichte zwar weitestgehend an den Fakten entlang, ist aber in erster Linie natürlich eine Produktion der Fassbinder-Familie (mit zusätzlichen Ensemble Mitgliedern von Peter Zadeks Theater) und dementsprechend was die Figuren betrifft eher frei interpretiert. Dazu aber später mehr, beginnen möchte ich mit einem kleinen Diskurs über den Regisseur des Filmes, Ulli Lommel (1944 – 2. 12. 2017), dessen Person mindestens genau so interessant ist wie seine Werke[1].
Im Gegenteil zu Langs Film aber, der den Serientäter Peter Kürten zum Vorbild hatte, konzentriert sich das von Kurt Raab geschriebene Drehbuch nahezu komplett auf den Täter – die Polizeiarbeit und das Leben der Opferfamilien bleibt eher im Hintergrund. Raab selbst spielt die Hauptfigur, mit einer extra für den Film frisch geschorenen Komplettglatze, als eine verstörte und – trotz seiner Taten – paradoxerweise nicht wirklich unsympathische Figur. Ebenso werden Haarmans Taten, im Gegensatz zu allem, was die plakative Vermarktung einen glauben lassen will, nicht unbedingt explizit gezeigt.
So verpackt der Film, in der typischen Art des deutschen Autorenfilmes, gleichzeitig auch noch seine soziale Botschaft, eine Anklage der Nachkriegsgeneration, die ja weder etwas gewusst noch sich am Nationalsozialismus beteiligt hat und nutzt zur Verdeutlichung derselben den Kunstgriff, die Geschichte, die ja eigentlich in den 1920er Jahren spielt in eine Zeit kurz nach dem zweiten Weltkrieg zu verlagern, bringt ihn also zeitmässig näher an sein 70er Jahre Publikum. Das mag jetzt für „Tru Crime“-Fetischisten ein Affront sein, entspricht aber der Art und Weise des deutschen Filmes der damaligen Zeit, der gerne mal zugunsten einer Botschaft die Realität verbog.
Trotzdem leidet der Film aber auch unter dem, was den „Neuen deutschen Film“ halt so sperrig machte. Dialoge werden zumeist eher emotionslos vorgetragen, Realismus ist wichtiger als dramaturgische Konstruktion, was natürlich sämtliche potentielle Horror-Elemente direkt von vorneherein zu Nichte macht. Da hier, ebenso wie bei allen Filmen aus dem Fassbinder-Umfeld auch ohne Liveton gearbeitet wurde, ist zusätzlich auch noch eine eher kalte Synchronisation eine weitere Schwelle, die es zu überwinden gilt.
Somit ist offensichtlich, dass „Die Zärtlichkeit der Wölfe“ nicht für jedermann geeignet ist. Horrorfans, die sich vom tollen Cover des Mediabooks verführen lassen, werden eher enttäuscht sein und anderen werden die vielen homsexuellen Szenen im Film sicherlich nicht sonderlich zusagen (Lommel und Raab zeigen hier keinerlei Zurückhaltung, es gibt sogar einige männliche Nacktszenen und ein schwuler Kuss war damals sicherlich noch ein Schock für das Publikum). Trotzdem hat er einen ganz eigenen visuellen Stil und viele Momente, die mit zum besten zählen, was es aus dieser Zeit in deutschen Landen zu sehen gab. Das angesprochene – und unter diesem Text wie üblich verlinkte – auf 999 Exemplare limitierte Mediabook von CMV wird dem Klassikerstatus des Filmes dann auch wirklich gerecht. Neben einer interessanten Dokumentation über die Dreharbeiten, in der viele Überlebende interviewt werden ist hier vor allem der Audiokommentar von Ulli Lommel und Uwe Huber interessant, der auch tief in die Geschichte der Dreharbeiten einsteigt und einige Details des Filmes doch in einem anderen Licht dastehen lässt. Ob man sich den Film nun in seine Sammlung stellen muss, ist allerdings eine schwere Entscheidung, denn so gerne ich ihn auch mag, wirklich häufig wird er sicherlich nicht im Player landen.
Dia [1] Hier verweise ich gerne auf seine äußerst kurzweilige Auto-Biographie
|