Assault – Anschlag bei Nacht, Das Ende (USA 1976)
Darsteller: Austin Stoker, Laurie Zimmer, Darwin Joston, John Carpenter
„The very least of our problems is that we’re out of time.”
Ein totes Mädchen, ein verzweifelter Vater, ein in der Räumung befindliches Polizeirevier in einem der schlimmsten Viertel der Stadt, dass sich plötzlich einer Belagerung durch einen Haufen zu allem entschlossener Gangbanger gegenüber sieht. Mit „Assault – Anschlag bei Nacht“ huldigte John Carpenter zugleich einem seiner Lieblingsfilme und brachte gleichzeitig die Thematik des Bösen ein, dass mit austauschbarem Gesicht und scheinbar ohne persönliche Motivation über seine Opfer hereinbricht. Nach einem Massaker an einer Gruppe jugendlicher Bandenmitglieder durch schwer bewaffnete Polizisten machen sich vier schweigsame junge Männer auf die Suche nach Opfern, um die Gesellschaft für die Toten büßen zu lassen. Im gleichen Bezirk verfranst sich ein Vater mit seiner Tochter, die auf dem Weg zur Oma sind, um sie zu überreden, nach dem Tod des Opas bei ihnen einzuziehen. Und gleichzeitig macht sich die Notbesetzung des Polizeireviers im dreizehnten Bezirk auf die letzte Nachtschicht vor der Schließung bereit, der sich Highway Patrol Officer Ethan Bishop, der gerade wegen Befehlsverweigerung strafversetzt wurde, anschließt, und ein Gefangenentransport durchquert die Stadt, um u.a. den Gangster Napoleon Solo in den Todestrakt zu befördern. Vier Fraktionen bewegen sich, ohne es zu wissen, aufeinander zu, auf eine Konfrontation in der Nacht, die viele von ihnen nicht überleben werden. Und am Anfang steht der Tod der Unschuld. Als der Vater anhält, um zu telefonieren, geht seine Tochter zum Eismann. Dieser schielt schon nervös zum immer wieder an ihm vorbei fahrenden Auto der vier juvenilen Delinquenten. Tatsächlich machen sie genau bei ihm halt, nachdem er dem Mädchen ein Eis verkauft hat, und knöpfen sich ihn vor; erst stirbt das Mädchen, ohne mit der Wimper zu zucken schießt es der blonde Anführer der vier Männer über den Haufen, dann ist der Eismann dran. Damit wird eine Welle der Gewalt in Gang gesetzt, die am Ende unbarmherzig und mit aller Brutalität gegen die Fenster und Türen der Polizeistation schlägt. Während sich Bishop an seinem vorübergehenden Arbeitsplatz mit allen bekannt macht, stellt sich im Bus des Gefangenentransports ein Insasse als schwer krank heraus, worauf man das besagte Revier für einen Zwischenstopp ansteuert. Der Vater, schwer unter Schock ob des Verlusts seiner Tochter, zahlt den Verbrechern gleiches mit gleichem heim und knallt den Kindermörder über den Haufen. Er flüchtet anschließend in das Polizeirevier, in dem es sich inzwischen Napoleon Wilson in der Zelle gemütlich macht. Als Starker, der für den Transport verantwortlich ist, gerade nach einem Arzt für den kranken Gefangenen telefoniert, bricht die Leitung zusammen und ist tot. Als er sich danach auf den Weg zu einem anderen Revier machen will und vor die Tür tritt, tut er es der Leitung gleich. Den Polizisten dämmert es, dass dort draußen in der inzwischen aufgekommenen Dunkelheit jemand auf sie lauert. Die Wachen des Transports wollen darauf ihren Weg fortsetzen, fallen aber auch den Belagerern zum Opfer. Bishop sieht sich mit seinen verbliebenen Kollegen, den Sekretärinnen und den Gefangenen im Visier einer unbekannten Anzahl gesichtsloser Angreifer stehen, die gewillt ist, im Schutze der Nacht das Revier zu stürmen und sie alle zu töten... Nachdem sein Vorgänger „Dark Star“ als Projekt unter Filmstudenten begann, um später zu einem richtigen Kinofilm ausgeweitet zu werden, durfte sich John Carpenter in „Assault on Precinct 13“ unter weit professionelleren Voraussetzungen an einem neuen Projekt versuchen. Als Grundlage wählte er die Belagerungssituation des von ihm sehr verehrten Western „Rio Bravo“ (1959) von Howard Hawks. Doch das Kernstück dieses Films, wie auch jedes weiteren Carpenter-Films nach einem eigenen Drehbuch, ist das Build-up seines Szenarios. Denn Carpenter hatte nicht die Asche für angemessen inszenierte Action; seien wir ehrlich, die Szenen, in denen die Horden der Gegner in der Nacht versuchen, das Gebäude zu stürmen, sind nicht wirklich eindrucksvoll, sondern nur die Konsequenz, die sich aus der Situation ergab, es ist eine zeitweilige Auflösung, ein notwendiges Übel. Und statt John Wayne, Dean Martin und Ricky Nelson standen Nobodies wie Austin Stoker, Darwin Joston und Laurie Zimmer vor der Kamera. Die machen ihre Sache gut, keine Frage, weil Carpenter ihnen eben nicht aufbürdete, ebensolche gewichtigen Charaktere verkörpern zu müssen wie die Stars in Hawks Klassiker. Einen großen Teil seiner Kraft, seiner dichten Atmosphäre zieht der Film aus dem von der ersten Sekunde an vereinnahmenden Synthie-Score Carpenters, eines seiner größten Markenzeichen. Der Film beginnt mit seinem ersten Ton. Dann führt er die Figuren ein, lässt sie ganz allmählich bis zur Eskalation aufeinander zu steuern, was Carpenter, ähnlich Stanley Kubrick in „The Killing“ (1955), minutiös dokumentiert. Dabei bleibt ihr Hintergrund im Dunkeln, ihnen gemein ist nur eine gewisse Arglosigkeit dem nächsten Tag gegenüber. Bishop wurde strafversetzt, warum? Egal. Napoleon Wilson wurde zum Tode verurteilt. Sein Verbrechen? Nebensächlich. Auch die Bande aus kriminellen Jugendlichen bleibt uns eher fremd, zuerst sind es nur vier Leute, vielleicht Freunde, die scheinbar ihre toten Kollegen rächen wollen. Wen sie damit treffen, scheint egal. Es ist die Gesellschaft, die sie dafür verantwortlich machen, die Welt als Abstraktum um sie herum. Als der Stein ins Rollen kommt, nachdem der Blonde, die einzig markante Person in der anfänglichen Vierergruppe, das Mädchen, die Unschuld, ermordet hat und danach selbst dem Vater zum Opfer fällt, werden die Gangbanger selbst zu einer gesichtslosen, entmenschlichten Masse, mehr zu einer abstrakten Gefahr als konkrete Gefährder (auch wenn ihre Angriffe sehr konkret tödlich sind). Sie isolieren die Menschen in dem Polizeirevier von der Außenwelt, agieren in, nein, mit der Dunkelheit, die die Eingekesselten zu verschlingen droht. In diesem Augenblick, wo die Leute im Revier diese Gefahr von außen realisieren, wird aus „Assault on Precinct 13“ eigentlich ein Horrorfilm. Es ist das Kunstvolle an Carpenters Inszenierung, dass wir hier einen Horrorfilm ohne richtiges Monster oder übernatürliches Element haben – dabei lässt er es sich aber nicht nehmen, mit dem blutigen Abschuss einer Hand einen heftigen Gore-Effekt zu integrieren. Es ist sein Script, das uns für die Personen, die wir nicht wirklich kennen, Sympathien entwickeln lässt, so dass wir mit ihnen fühlen können. Wir wissen eben nicht, warum Bishop hier ist, was er getan hat. Aber so, wie wir ihn kennen lernen, können wir uns denken, dass er seine Gründe gehabt haben muss, denn er ist jemand, der einen kühlen Kopf und den Überblick behält. Und er ist schwarz, seit über 30 Jahren – nur einer von Carpenters humorvollen Kommentaren zum alltäglichen Rassismus. Wir wissen nicht, warum Wilson zum Tode verurteilt wurde. Er soll wohl getötet haben, wen oder warum, bleibt unklar. Doch auch hier erkennen wir, dass er seine Gründe gehabt haben muss, denn Wilson ist ein guter Mann. Er trägt sein Kreuz gelassen, obwohl er vom Gefängnisdirektor gepeinigt wird. Nach eigener Angabe erwarten ihn nun wohl 57 Jahre Todeszelle, aber alles, was er will, ist eine Zigarette. Er hat nichts zu verlieren, als die Bande beginnt, gegen das Gebäude und alle darin Gefangenen anzurennen, und obwohl er seinen Frieden mit seiner Strafe und ihrer Endgültigkeit gemacht hat, besteht er darauf, nicht hier draufzugehen, sich gegen den gewaltsamen Tod aus einer anderen Hand als der des rechtmäßigen Vollstreckers zu währen. Mein persönlich liebster Charakter war aber schon immer Leigh, die eigentlich unscheinbare Sekretärin, die sich als eine überaus starke Frau mit Nerven aus Stahl herausstellt. Das wird natürlich besonders im Kontrast zu ihrer panischen Kollegin Julie, die später sang- und klanglos im Dauerfeuer dahinscheidet, deutlich; das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht. Ihre spröde Schönheit mit ihren, nach dem goldenen Schnitt, nicht perfekten Gesichtszügen verleiht ihrem Charakter eine Aura von Ernsthaftigkeit und Stärke, die ich (und ich denke, da bin ich nicht der einzige) äußerst anziehend finde. Sie lieferte gewiss auch die grundlegende Blaupause für den Charakter der Laurie Strode in „Halloween“ (1978), eine eher zerbrechlich wirkende Frau, die in sich Alpha-Merkmale entdeckt. Sie, wie auch Bishop, ziehen ihre Sympathien auch daraus, dass sie Wilson, obwohl er als gefährlicher Sträfling gilt, als vollwertiges Mitglied ihrer Zwangsgemeinschaft anerkennen. Sie überwinden etwaige Vorurteile untereinander, da sie merken, dass sie sich aufeinander verlassen müssen und erkennen, dass sie das auch können. „Assault on Precinct 13“ ist noch ein Stück weit von der Qualität entfernt, die Carpenters Werke ab „Halloween“ auszeichnen und in „Escape from New York“ (1981) und „The Thing“ (1982) ihren Höhepunkt erreichten, doch legte er schon den Grundstein für die Trademarks des Regisseur, die seine Werke später für seine Fans zum Kult machte. Da „Dark Star“ noch viel von dem in sich trug, was Dan O’Bannon an Ideen für Story und Effekte beisteuerte, kann man „Assault on Precinct 13“ als ersten echten Carpenter-Film bezeichnen. Und auch wenn er nicht perfekt ist, so ist man sich bewusst, dass es sich um den Start in die große Karriere eines Mannes handelt, der die Geschichte des fantastischen Kinos nachhaltig prägen sollte. Nie werde ich die simple Bass-Linie vergessen, das einprägsame Thema, das den Film einleitet, nicht das erschreckende Ableben des kleinen Mädchens, and i will always remember Laurie Zimmer. In diesem Sinne, gute Nacht!
Horny
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