Christine - La macchina infernale / Christine: O Carro Assassino / De Satanische Schuit (USA 1983) Regie: John Carpenter Drehbuch: Bill Phillips Musik: John Carpenter, Alan Howarth
Darsteller: Keith Gordon, John Stockwell , Alexandra Paul, Harry Dean Stanton
"Oh man, there is nothing finer than being behind the wheel of your own car!
Nach seinem an den Kinokassen gescheiterten und von der zeitgenössischen Kritik geschmähten Meisterwerk „The Thing“ stand John Carpenter unter Erfolgsdruck. Und wenn man „Christine“ im Vergleich zu „The Thing“ heute so anschaut fällt einem tatsächlich als allererstes auf, dass Carpenter in jeder Hinsicht auf Nummer Sicher gegangen ist. Das fängt schon bei der Wahl der literarischen Vorlage an: Stephen King war nach einer Handvoll hervorragender Romane auf der Überholspur und hätte vermutlich noch seine gesammelten Einkaufszettel in den Bestsellerlisten platzieren können, das Buch „Christine“ war sein neuester Streich und stand kurz vor der Veröffentlichung; Carpenter hingegen war ein Experte für straff organisierte Projekte mit kurzer Drehzeit, so dass man Roman und Verfilmung letztlich nahezu simultan auf den Markt bringen konnte, ohne die in solchen Schnellschüssen oftmals vorhandenen technischen und inhaltlichen Schlampereien befürchten zu müssen. Mit Blick auf diesen Hintergrund ist es darum sehr sinnfällig, dass Carpenter (anders als King) in einem Prolog genau diesen Produktionsprozess thematisiert bzw. seinen Film mit der Arbeit am Fließband eröffnet. Allerdings hat sich unter die seriell gefertigten 58er Plymouth Furies, die da an uns vorbeirollen, ein kleines Schmuckstück gemogelt: eines der Modelle ist in knalligem Rot lackiert (das Standardmodell hingegen war beige mit goldener Seitenverzierung). Und obendrein ist diese schnittige, aber auch ein wenig bösartig aussehende Lady eine ziemliche Zicke. Asche auf dem Beifahrersitz wird jedenfalls nicht toleriert, außerdem scheint „Christine“ auch nicht auf plumpe Fummeleien zu stehen, denn solcherlei endet für einen der Handwerker recht schmerzhaft mit einer in der Motorhaube eingeklemmten Hand. Unsere Chrissie ist einfach „Bad to the Bone“ und praktisch von Anfang an auch die eigentliche Hauptfigur des Films – ein von Männern gebautes Spielzeug, das die Emanzipation für sich entdeckt hat. Durch diesen Ansatz wird im weiteren Verlauf der Autokult ironisch auf die Spitze getrieben, denn nach einem Schnitt in die Gegenwart, der auch auf dem Soundtrack durch den Übergang des Songs „Not Fade Away“ in eine moderne Coverversion hörbar wird, entspinnt sich eine geradezu klassische Liebesgeschichte nebst Eifersuchtsdrama und einigen Anleihen beim Rape and Revenge-Subgenre – nur dass in diesem Fall nicht aufs Grab gespuckt sondern in den Kofferraum geschissen wird. Doch der Reihe nach: Arnie Cunningham ist der geradezu prototypische Loser. Schmächtig, linkisch, mit großer Brille und unter dem Einfluss seiner übermächtigen Eltern, die alle anstehenden Entscheidungen streng demokratisch mit Zweidrittelmehrheit nach ihrem Gusto ausfallen lassen, ist er auf den ersten Blick begeistert von einem alten Schrotthaufen, der auf einem ungepflegten Grundstück vor sich hinrostet. Entgegen den Ratschlägen seines Freundes und auch gegen den Willen seiner Eltern kauft er Christine – denn selbstverständlich handelt es sich dabei um ebendiese – und verschanzt sich in einer Do-It-Yourself-Werkstatt, um den Wagen wieder auf Vordermann zu bringen. Durch seine Arbeit an Christine wird Arnie „erwachsen“ (was im King-Kosmos natürlich auch immer die Gefahr birgt, dass man sich zum Arschloch entwickelt): er legt seine Brille ab, kleidet sich im Stil von James Dean, begehrt gegen seine Eltern auf, was schließlich sogar in einer Handgreiflichkeit mit seinem Vater gipfelt und schleppt schließlich kurzerhand Leigh, das hübscheste Mädchen an der Schule ab. Diese wird übrigens von der späteren „Baywatch“-Nixe Alexandra Paul gespielt, bleibt aber leider den ganzen Film über eher zugeknöpft. Zum gewaltigen Problem an der Sache wird für Arnie dabei allerdings, dass seine Beziehung mit Christine - anders als vergleichbare Männerfreundschaften mit Fahrzeugen wie beispielsweise Bumblebee oder K.I.T.T. - viel zu stark Auto-erotisch aufgeladen ist und darum zu einer verkappt sexuellen Obsession wird. Christine duldet schlicht und einfach keine Konkurrenz und will Arnies einziger Lebensinhalt sein (so wie das Freundinnen nun mal an sich haben), weshalb Leigh im Autokino beinahe erstickt und einige Nachforschungen von Arnies Kumpel gar Schröckliches über das Schicksal von Christines Vorbesitzer zu Tage fördern. Und selbstverständlich wären wir auch nicht in King-Country wenn dieses Pubertätsdrama vom kleinen Jungen und seinem feuerroten Spielmobil ohne die übliche Clique von boshaften Unterschicht-Proleten auskommen würde. Diese großen bösen Jungs, ein wenig dümmlich, dafür aber gewalttätig, wollen dem kleinen bebrillten Nerd natürlich nicht erlauben, seinen angestammten Platz in der gesellschaftlichen Hackordnung zu verlassen und setzen darum ähnlich wie bereits in „Carrie“ auf eine abschließende vernichtende Demütigung. Denn selbst wenn Christine vordergründig nichts weiter als ein (zugegebenermaßen höchst eigenwilliges) Auto ist wirkt ihre fachgerechte Zerstörung mittels Vorschlaghammer, das Aufschlitzen der Sitze und andere Gemeinheiten mehr geradezu wie eine handfeste Gruppenvergewaltigung, die Arnie vor Augen führen soll, dass er unfähig dazu ist, sein Eigentum (bzw. seine „Frau“) zu beschützen. Nur haben die Jungs die Rechnung ohne Chrissie gemacht, die nun wie seinerzeit „Ms. 45“ oder Camille Keaton in „I Spit on Your Grave“ nach Rache dürstet… Ziehen wir davon einmal spaßeshalber den übernatürlichen Aspekt eines außer Kontrolle geratenen Killerautos ab, ergibt sich mit Blick auf die Eröffnungssequenz ein interessanter persönlicher Kommentar, den Carpenter gewissermaßen in den Film hineinmogelt: Zu Beginn ist Christine ein Industrieprodukt, eine Handelsware, die nach dem Gebrauch als unnützer Schrotthaufen herumsteht. Zum Kunstwerk (und auch zum Fetisch) wird der Wagen erst durch die mühsame und liebevolle Rekonstruktion, durch die harte Arbeit eines besessenen Handwerkers, der damit durchaus auch die Züge eines Dr. Frankenstein annimmt – gewissermaßen werden durch die Gleichsetzung von Frau und Auto die Grenzen zwischen Fahrzeug- und Leichteilen verwischt und das entstandene Produkt in den Rang einer prometeischen (Zweit-)Schöpfung erhoben. Die Zerstörung Christines ist somit ein doppelter Angriff auf Arnies Potenz sowohl als Schöpfer als auch als Liebhaber (im Wortsinne) und es wäre darum auch gut denkbar, dass sich der solcherart Gekränkte einfach selbst hinters Steuer setzt, um mit seinen Feinden abzurechnen. Gewisse Parallelen zur Vita Carpenters stechen jedenfalls ins deutlich ins Auge, denn wenn man so will haben wir es durch diese Konzeption mit zwei Kulturschaffenden zu tun, die beide auf ihre jeweils spezifische Art und Weise ein für sie „magisches“ Relikt aus den 50er Jahren wieder neu aufbereiten (des einen Auto ist des andern Science-Fiction-Film) um anschließend mitzuerleben, wie das Ergebnis nahezu irreparabel in seine Bestandteile zerlegt wird.[1] Dies macht den schon allein durch die Verortung im High-School-Milieu relativ leicht zugänglichen Film „Christine“ im übertragenen Sinne gewissermaßen zu einer Revanche an all jene, die Carpenter nach seinem Ausflug in die Antarktis abgeschrieben hatten und die große Ironie liegt darin, dass sich zu guter Letzt „The Thing“ als unzerstörbares Monstrum bzw. als Kultfilm erwiesen hat, wohingegen der auf den Massengeschmack zugeschneiderte „Christine“ heute bestenfalls eine Randnotiz für King-Fans und brave Allesgucker darstellt. Das soll nun im Umkehrschluss aber nicht bedeuten, dass „Christine“ für sich genommen ein schlechter Film wäre, auch man zugegebenermaßen deutlich bemerkt, dass die Adaption von Kings Roman für Carpenter im Grunde genommen nicht mehr als eine technische Fingerübung darstellt. So werden beispielsweise die von King angeschlagenen gesellschaftskritischen Töne, insbesondere die Auseinandersetzung mit der Scheinliberalität der amerikanischen Durchschnittsfamilie, die durch die Rückkehr der aufsässigen 50er Jahre auf einer symbolischen Ebene nochmals mit ihrer eigenen historisch als gescheitert zu bewertenden Revolte gegen die Elterngeneration konfrontiert wird, stark vereinfacht, und auch Arnies Kumpel und Leigh bleiben recht blasse und austauschbare Charaktere, deren einziger Sinn darin liegt, am Ende wieder den Status Quo herzustellen. Selbst Arnies „Reifeprozess“ bzw. die sich immer stärker abzeichnende Abwärtsspirale seiner charakterlichen Entwicklung hin zu einem vom Objekt der Begierde vollkommen abhängigen Autojunkie beschränkt sich im Wesentlichen auf einen kurzen Monolog, der in Allmachtsphantastereien und einer unbeholfenen „Wir zwei gegen Alle“-Pose verhaftet bleibt. Wenn jemals ein rebel keine cause hatte, dann definitiv dieser kleine Schmierlappen mit seiner zwei Nummern zu groß geratenen Karre. Doch macht Carpenter gar keinen Hehl daraus, dass ihn dieser ganze potentiell vorhandene gesellschaftliche Subtext und die Charaktere überhaupt nicht interessieren. Für ihn steht Christine im Mittelpunkt und er lotet alle Möglichkeiten aus, dieses Auto das keines ist, je nach Situation verführerisch bis bedrohlich aussehen zu lassen. Einen Höhepunkt bildet dabei selbstverständlich die brennend hinter einem ihrer Peiniger herjagende Chrissie, aber auch ihre wundersame Selbstheilung nach dem schmerzhaften Totalschaden ist gemessen an den damaligen tricktechnischen Möglichkeiten hervorragend umgesetzt. Gerade vor dem Hintergrund der momentan üblichen Kameraschütteleien bzw. dem marvelesken Größenwahn bei der Ausgestaltung von Actionszenen ist es jedenfalls eine Pracht, den hinter getönten Scheiben versteckten Stuntfahrern bei ihrer Arbeit zuzusehen oder zum Zeuge zu werden, wie Christine schließlich mit einer Planierraupe (zumindest vorläufig) plattgemacht wird, und genau diese Passagen des Films sind es auch, auf die es Carpenter ankommt: das Röhren des Motors während der Vorspann läuft, die Faszination an und die Angst vor einer Technik, die sich vom Menschen entfernt und im Zyklus von Zerstörung und „Wiedergeburt“ ihr eigener Selbstzweck wird, in gewissem Sinne also genau die Art von Chrom-, Leder und Lack-Fetischismus, die in Cronenbergs „Crash“ endgültig als Ausprägung der Todessehnsucht zum Ausdruck kommt. Es dürfte jedenfalls kein Zufall sein, dass Arnie Autofahren als eine Sache begreift, die nur noch vom Sex mit einer Frau übertroffen wird. So wird der Film in seiner Summe dann schließlich doch noch zu „John Carpenter’s Christine“, so wie es in der Titeleinblendung geschrieben steht – nicht weil Carpenter, wie beispielsweise Kubrick, die Vorlage gegen den Strich liest bzw. den King-Roman lediglich als Ausgangsmaterial für seine eigene Vision verwendet, sondern weil er einfach alles weglässt oder zumindest stark vereinfacht, was mit seiner Geschichte vom von seinem Werk besessenen und gemeinsam mit ihm untergehenden Handwerker/Künstler nicht kompatibel ist.[2] Seine Rechnung ging übrigens auf: der Film war, auch wenn man böswillig von einer Art „Carpenter-Light“ sprechen kann, kommerziell erfolgreich genug, um ihm anschließend den wieder sehr eigenwilligen „Starman“ zu ermöglichen; mit der Freigabe gab es ebenfalls keine Probleme, in den USA wurden für ein R-Rating sogar noch ein paar Schimpfworte mit F bemüht, in Deutschland hingegen erschien „Christine“ mit FSK-16 ohne lästige Zensurschnitte.[3] Wenn man also Spielbergs „Duel“ bereits auswendig kennt, dem drei Jahre später von Stephen King himself entfesselten Aufstand der Maschinen in „Maximum Overdrive“ nichts abgewinnen kann und die „Transformers“ sowieso kindisch findet, steht einer Spritztour mit „Christine“ nichts im Wege. Alexander
[1] Im Feuilleton nennt sich das Verriss. [2] Bei rund 600 Seiten hat sich der König übrigens zur Abwechslung einmal kurz gefasst, es sollte aber trotzdem klar sein, dass man einem solchen Wälzer auch mit einer Laufzeit von 110 Minuten nicht gerecht wird – auch wenn das andererseits für Carpenterverhältnisse wieder geradezu episch ist und „Christine“ zu seinem bisher längsten Film wurde. [3] Dass man allerdings auch diesen Film bis zur Unkenntlichkeit zerschnippeln kann beweist eine RTL 2-Ausstrahlung zur besten Sendezeit, aber wer sich Filme im Fernsehen anschaut ist ohnehin selbst schuld.
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