Die Nacht der lebenden Toten, Night of Anubis, Yasyan Ölülerin Gecesi (USA 1968) Darsteller: Duane Jones, Judith O'Dea, Karl Hardman, Marilyn Eastman Idee & Drehbuch: George A. Romero, John A. Russo
„All persons who die during this crisis from whatever cause will come back to life
Während George A. Romero als Vater des modernen Zombiefilms letztes Jahr schon am 16. Juli nach kurzer Krebserkrankung mit 77 Jahren die Welt der Lebenden verließ und, trotz seiner innigen Verbindung zu den Wiedergängern, uns nicht als Untoter weiter beehrt, feierte sein legendärer Erstling „Night of the Living Dead“ am 1. Oktober 2018 seinen mittlerweile 50sten Geburtstag. Und dies ist nun wirklich Anlass genug, obzwar ein wenig verspätet, diesen Meilenstein des modernen Horrorkinos und seine bewegte Geschichte noch einmal Revue passieren zu lassen.
„They’re coming to get you, Barbra!“ Die lange Anfahrt beim alljährlichen Besuch am Grab des Vaters nervt Johnny und er lässt es gehässig an seiner Schwester aus. Auf dem Friedhof ist es friedlich und still, keine Menschenseele zu sehen. Doch dann taucht plötzlich ein Mann auf, er humpelt, ihm geht es augenscheinlich nicht gut. Als er sich auf Barbara stürzt, geht Johnny dazwischen. Im Gerangel stürzt er, prallt mit dem Kopf auf einen Grabstein und bleibt regungslos liegen. Die schockierte Barbara flüchtet zurück zu ihrem Auto, doch die Schlüssel hat Johnny. Sie kann sich darin verbarrikadieren, aber der scheinbar Verrückte schlägt die Scheibe mit einem Stein ein. Darauf löst Barbara in Panik die Handbremse, kann rückwärts rollend einige Meter gewinnen. Sie flüchtet sich in ein naheliegendes, scheinbar leerstehendes Haus, wo sie im ersten Stock zu ihrem Entsetzen einen schrecklich zugerichteten Leichnam findet. Da ihr Angreifer vor dem Haus ausharrt und sich auch noch andere komische Gestalten zu ihm gesellen, sitzt sie hier fest, zudem wird es schon dunkel. Da taucht Ben auf, dessen Auto mit leerem Tank liegen geblieben ist. Er erweist sich gegen die seltsamen, stummen Gesellen, die das Haus belagern, als sehr wehrhaft. Im Haus fragt er die verstörte Barbara aus und durchsucht die Räume nach Vorräten und Waffen, danach verrammelt er Fenster und Türen. Ein Radio funktioniert und so kriegen die beiden zu hören, dass aus der ganzen Gegend Berichte von Menschen, die ihre Mitbürger anfallen, eingehen, es ist sogar von Kannibalismus die Rede. Plötzlich tauchen zwei Männer auf, Mr. Cooper und Tom, die sich mit Mrs. Cooper, ihrer verletzten Tochter Karen und Toms Freundin Judy im Keller einquartiert haben. Und Mr. Cooper drängt darauf, schnell Vorräte einzusammeln und sich wieder dort unten zu verbarrikadieren, um die ganze Sache auszusitzen. Ben ist anderer Meinung, er will einen Weg finden, das Haus vielleicht zu verlassen und zu fliehen und erst im Notfall auf den Keller ausweichen. Tom teilt diese Meinung und holt Judy nach oben. Mr. Cooper verweigert sich beharrlich, doch auch seine Frau möchte wissen, was in der Außenwelt los ist und dem Radio lauschen. Ben hat inzwischen den Fernseher zum Laufen gebracht. Dort berichtet ein Wissenschaftler, dass es sich bei den zu reißenden Bestien mutierten Menschen um nicht beerdigte Tote handelt, die scheibar nach menschlichem Fleisch gieren. Dann fassen Ben und Tom den Plan, an der nahegelegenen Tankstelle Benzin zu organisieren, um alle zu den sicheren Notfallzentren zu schaffen…
„They know, we’re in here now.“ Alles begann Mitte der 60er Jahre, George A. Romero hatte gerade mit Russell Streiner die Produktionsfirma The Latent Image gegründet, sie drehten Werbe- und Lehrfilme. Nach seinem Militärdienst stieß John A. Russo, den beide noch vom College kannten, zu ihnen. Die Firma warf nicht viel Gewinn ab, und so reifte in ihnen der Entschluss, einen kommerziellen Spielfilm zu drehen. Die Wahl fiel auf das Horror-Genre, weil sie glaubten, solch einen Film am einfachsten finanzieren, drehen und vermarkten zu könnten. Russo und Romero brachten einen Story-Entwurf, etwas eher Harmloses über Teenager und Außerirdische, zu Papier, im nächsten Draft wurde es schon düsterer und die Aliens waren Menschenfresser. Danach setzte sich Romero alleine an die nächste Bearbeitung, heraus kam eine dritte Fassung mit menschenfressenden Kreaturen, die er als Ghouls und die selbst als ein Ripoff von Richard Mathesons „I Am Legend“ bezeichnete. Um sich vom offensichtlichen Vorbild abzuheben, wurden aus den Ghouls lebende Tote, und hinzu kam auch der Überlebenskampf der menschlichen Protagonisten, die Frage, wie sie mit dieser Situation umgehen würden. Die Geschichte stand damit soweit, nun ging es ans Eingemachte, die Finanzierung. Man rief eigens dafür die Produktionsgesellschaft Image Ten Productions ins Leben, bei der zehn Leute je 600 $ investierten und zu gleichen Teilen am Gewinn beteiligt werden sollten. Später stießen noch einmal zehn Leute mit einer Beteiligung von 600 $ dazu, aber man merkte, dass das Geld nicht annähernd reichen würde, um den Film zu drehen. Also tat man weitere private Investoren auf, bis man schließlich auf ein Budget von 114.000 $ kam. Jedoch reichte auch dieses Geld nur aus, um nur einen Teil der Ideen, die Romero in seinem letzten Entwurf festgehalten hatte, umzusetzen, viele davon verarbeitete er erst später in den Drehbüchern zu „Dawn of the Dead“ und „Day of the Dead“. Der junge Filmemacher bewies schon damals große Ambitionen. Im Juni 1967 war es dann soweit, die erste Klappe zum Dreh fiel.
„Don’t you know what’s goin‘ on out there? This is no Sunday School picnic!“ Columbia Pictures und auch Samuel Z. Arkoffs auf B-Movies spezialisierte American International Pictures winkten ab. Sie hätten einen Vertrieb des Films nur in Erwägung gezogen, wenn der Film etwas entschärft und das Ende komplett neu gefilmt worden wäre. In Walter Reade’s Continental Film, die eigentlich auf ausländische Filme spezialisiert waren, fand man dann doch noch einen Verleih, der gewillt war, den Film unzensiert in die Kinos zu bringen. Inzwischen hatte man sich auf den Titel „Night of the Flesh Eaters“ geeinigt, und unter diesem Titel wurde der Film überall angekündigt, doch zum allgemeinen Entsetzen erhielt Walter Reade’s Continental Film Post von einem Anwalt, der ihnen unter Androhung rechtlicher Schritte untersagte, genau diesen Titel zu verwenden, da schon der Film seines Mandanten so hieß. Also musste ein neuer her, man einigte sich schlussendlich auf „Night of the Living Dead“, und Continental Film fügte den neuen Titel in den Vorspann ein. Dabei vergaßen sie allerdings den für damals unerlässlichen Copyright-Vermerk, die dann auch auf den gezogenen Kopien fehlten, die damit quasi zu Freiwild wurden. Von den 30 Mio $, die der Film seitdem alleine im Kino umgesetzt hat, sahen die Macher deswegen kaum etwas. 20 Jahre später entschlossen sich die Gründer von The Latent Image, noch einen Versuch zu unternehmen, aus dem guten Namen des Films doch noch für sich finanziell etwas herauszuschlagen. Ein zeitgemäßes Update in Farbe, ein Remake sollte her. George A. Romero selbst schrieb das Drehbuch zu „Night of the Living Dead – Die Rückkehr der Untoten“ und sein langjähriger F/X-Wizard Tom Savini sollte damit sein Regie-Debüt geben. [Not-really-funny-Fact: Der junge Savini bewarb sich schon Mitte der 60er-Jahre für ein anderes Film-Projekt von George A. Romero, das nicht realisiert wurde. Bevor er jedoch Antwort erhielt, wurde er zum Kriegsdienst in Vietnam einberufen, den er als Gefechts-Fotograf ableistete. Der originale „Night of the Living Dead“ wurde gedreht, als er die meiste Zeit verletzte und tote Soldaten fotografierte; was ihn, nach eigenen Angaben, später in seiner Arbeit als F/X-Spezialist inspirierte.] Dieses Mal nahm man vor dem Kinostart Anpassungen für ein R-Rating vor, ein großer Box-Office-Hit wurde der Film trotzdem nicht.
„Good Shot! OK, he’s dead, let’s go get ‚im. That’s another one for the fire.“ Romero schuf mit seinem Team einen düsteren Horrorfilm mit einem deprimierenden Ende, in dem die menschliche Gesellschaft sich wortwörtlich selbst aufzufressen scheint. Die nüchternen, im Stile einer Dokumentation gehaltenen, Bilder schaffen eine bedrückende Atmosphäre eines realistisch anmutenden Überlebenskampfes, zwischendurch desorientieren schräge Kamera-Winkel und abrupte Bewegungen den Zuschauer, unterstreichen die befremdliche Bedrohung durch die menschenfressenden Wiedergänger. Romero packte einiges an Symbolik in den Film, anfangs z.B. wehen amerikanische Flaggen in der Auffahrt des Friedhofs. Mr. Hoopers Verhalten verweist auf die Konditionierung des Bürgers durch die - gerade in den 50ern überall aufgeführten- Lehrfilme für den Fall einer Katastrophe, vor allem in Bezug auf die Gefahr eines Atomkrieges. „Sich im Keller verschanzen und alles aussitzen“ war die Parole der meisten dieser Filme. Und im unnützen Tod des Afroamerikaners Ben spiegelt sich die geringe Wertschätzung des Lebens eines Schwarzen in den Augen der weißen Mehrheit der Amerikaner wieder. Am Ende scheint die Gesellschaft die Katastrophe abgewendet, aber das nützt den Protagonisten wenig. Amerika befand sich gerade erst in der frühen Phase des Vietnamkrieges, Romero schien wohl sicher, dass diese Krise auch irgendwann wieder endet, sah aber die Leidtragenden dieses Konflikts vor allem im Mittelstand, bei der Jugend und der schwarzen Bevölkerung, denn aus diesen Gruppen rekrutierte sich die US-Army bevorzugt. Der kulturellen Bedeutung des Films, der in die dauerhaften Sammlung des Museum of Modern Arts aufgenommen worden ist, konnten die Probleme hinter den Kulissen nichts anhaben. Er begründete ein neues Subgenre des Horrorfilms, eines der immer noch größten. Auch der Karriere des inzwischen leider verstorbenen Regisseurs tat es keinen Abbruch, er drehte noch fünf weitere Filme der „…of the Dead“-Reihe und galt als einer einflussreichsten Regisseure des modernen Horrorfilms. Vielleicht hätte der Film diesen Bekanntheitsgrad und diese Wertschätzung, die man ihm auch noch heute entgegenbringt, ohne den Fauxpas um das Copyright und die daraus resultierende hemmungslose Verbreitung ja auch nie erlangt. Aber eines ist sicher: so ist dieser Film nie totzukriegen. Anlässlich dieses 50sten Jubiläums nahm sich auch übrigens das renommierte Label Criterion dieses Klassikers an, und verpasste ihm als #909 ihrer Collection einer 4k-Frischzellenkur. Zusammen mit einer Mischung aus über Jahre für verschiedene Veröffentlichungen erstellten Zusatzmaterials, neueren Essays und Featurettes, sowie der Erstveröffentlichung des Workprints unter dem alten Titel „Night of Anubis“, dürfte dies die ultimative Veröffentlichung dieses Klassikers von allerhöchstem Wohlfühl-Faktor darstellen. Zudem ist diese Doppel-Blu-ray auch in Europa ohne Probleme über den UK-Zweig des Labels zu beziehen und wird in diversen Internet-Shops zum Verkauf angeboten. Wer sein Fahrrad liebt, der schiebt. Wer sich Zombie-Fan schimpft, kauft sich gefälligst dieses schöne Stück! Horny
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