Pánico en el Transiberiano, The Possessor, Terreur dans le Shanghai-Express (GB / Spanien 1973) Regie: Eugenio Martin Drehbuch: Arnaud d'Usseau, Julian Zimet Darsteller: Christopher Lee, Peter Cushing, Alberto de Mendoza, Julio Pena, Telly Savalas "Sie bleiben also zusammen? Was ist, wenn nun einer von ihnen die Bestie ist?"
Die Tage werden kürzer, die Nächte kälter, und wir schreiten flotten Schrittes auf Halloween und die damit verbundenen Traditionen keltischen Ursprungs zu, welches man zum Anlass nimmt, die Toten und den Schrecken zu feiern. Über Sinn und Unsinn des Ganzen lässt sich ganz vortrefflich streiten, doch das soll jetzt und hier nicht Thema sein. Auf Evil-Ed verbinden wir dieses Jahr die Zeit vor Halloween mit Horrorfilmen der 70er-Jahre, der Zeit, als alte Traditionen, wie der klassische Hammer Horror, zu Grabe getragen, aber auch neumodische Strömungen wie der Slasher-, der Zombie- oder der pseudo-wissenschaftlich untermauerte Sci-Fi-Horror-Film kultiviert wurden. In diesem Rahmen stelle ich heute einen Horrorfilm vor, der sich irgendwo dazwischen befindet, da er Elemente klassischer wie moderner Genre-Filme verbindet, und mich zudem seit früher Kindheit durch die Welt des Horrors begleitet hat. Wir schreiben das Jahr 1906, als der britische Anthropologe Prof. Sir Alexander Saxton (Christopher Lee) in der Mandschurei auf seiner Himalaya-Expedition in einer gefrorenen Höhle eine scheinbar wegweisende Entdeckung in Bezug auf die Entwicklungsgeschichte des Menschen macht. Diese ist von solch großer Bedeutung, dass er seinen Fund gut gesichert und auf schnellsten Wege mit der Transsibirischen Eisenbahn Richtung England befördern will. Auf dem Bahnhof von Shanghai, wo sich der Zustieg zur Langstrecken-Linie durch den asiatischen Kontinent als schwierig erweist, trifft er auf seinen Kollegen Dr. Wells (Peter Cushing). Auch ihm gegenüber schweigt er sich über seinen Fund aus. Als es doch gelingt, einen Platz für sich und seine Fracht im Zug zu erwerben, kommt es am Gleis zu einem Eklat. Neben der Kiste mit Saxtons Fund liegt ein toter Dieb, dessen Augen so weiß wie die eines Blinden sind. Das ruft nicht nur Inspektor Mirov (Julio Pena) auf den Plan, denn auch der Mönch Pujardov (Alberto de Mendoza), geistiger Beistand des Grafen Petrovski (George Rigaud), glaubt das Böse in der Kiste zu verorten. Der Express-Zug fährt dennoch ohne weitere Verzögerungen ab. Da sich Prof. Saxton weiterhin über seine Fracht bedeckt hält, aber durchschimmern lässt, dass es sich um eine Entdeckung epochaler Tragweite handelt, besticht Dr. Wells einen Schaffner um nachzusehen, was er dort vor allzu neugierigen Augen verborgen hält. Dies erweist sich als großer Fehler, denn das dort verstaute haarige Fossil ist mitnichten seit zwei Millionen Jahren tot. Nun aufgetaut, nutzt es die Gelegenheit und erstaunliche Fähigkeiten im Lock Picking, um sich aus der gut gesicherten Kiste zu befreien. Als dann Inspektor Mirov dem mittlerweile als vermisst geltenden Schaffner sucht, gesteht Wells seinen Auftrag an diesen, sich zu kriminalisieren und Saxtons Kiste, die dort unversehrt steht, als wäre nichts geschehen, zu öffnen. Nun insistiert Mirov, dass das Objekt der Begierde jetzt und auf der Stelle freigelegt werde. Unter dem heftigen Protests des Professors, der kurzerhand den Schlüssel unbrauchbar macht, schlagen die Polizeibeamten die Schlösser auf, und es kommt ein toter Schaffner zum Vorschein, dessen Leiche der des Diebes am Bahnhof sehr ähnelt. Es entbrennt eine Jagd auf das Zottelvieh aus der Urzeit, in deren Verlauf Saxton und Wells zur Kenntnis gelangen, dass das Biest nur der Wirt für ein außerirdisches Wesen ist, das auch in der Lage scheint, sein Gefäß zu wechseln. Ein paar Leichen später glaubt man, endlich eine Möglichkeit gefunden zu haben, der Lage Herr zu werden, als der Kosaken-Hauptmann Kasan (Telly Savalas) den Zug mit seiner Kompanie entert und die Befehlsgewalt an sich reißt... Horror-Express war in den 80er-Jahren der erste Film, neben Das Schreckenskabinett des Dr. Phibes, der mein Interesse am phantastischen Kino und speziell der Horror-Sparte geweckt hatte. Ich war vielleicht acht oder neun Jahre alt und der unheimliche Schocker hat mich sofort für sich eingenommen. Meine Helden des Düsteren und Makabren waren folglich Vincent Price, Peter Cushing und Christopher Lee, meine Vorliebe galt fortan den Horrorfilmen klassischer Prägung. Und dies ist auch die Sparte, in der es sich der Horror-Express gemütlich macht; wir haben eine verschneite Landschaft, ein haariges Monster und grausige Morde. Dazu salbadert ein manisch scheinender Mönch etwas von Tod und Teufel. Und doch hält der Film einige moderne Elemente parat, die auf den ersten Blick gar nicht mal als solche zu erkennen sind. Denn der damals schon veraltete Gothic-Stil des klassischen Horrors weicht dem Setting des gängigen Massen-Transportmittels, eines Langstrecken-Zuges. Den Anstoß für die Handlung gibt die Suche Saxtons (dessen Namen ein Sir voransteht) nach dem berühmten Missing Link in der Evolutionskette des Menschen. Dieses Wesen, dass in seiner Erscheinung sehr an das erinnert, worunter man sich einen Yeti vorstellen würde, erweist sich dann als von einem quasi-parasitären Außerirdischen besessen. Als solches war dies keine Innovation und erinnert nicht von ungefähr auch an Nigel Kneales Quatermass, speziell Quatermass & the Pit, in dem die außerirdische Entität am Ende in einen metaphysischen Kontext gesetzt wird. Doch während Quatermass durchgehend eine streng wissenschaftliche Herangehensweise an Herkunft und Sinn des außerirdischen Lebens propagiert, wird der Horror-Express vom Mönch Pujardov begleitet, der sich schnell darauf festlegt, dass dieses Wesen der Teufel sein muss und es bereits am Bahnhof zu beweisen sucht, in dem er den Beteiligten vor Augen führt, dass es nicht möglich sei, das Zeichen des Herrn, also das Kreuz, auf die Kiste zu zeichnen. Das Drehbuch behält sich allerdings vor, dies im Anschluss aufzuklären, und es ist nur die erste von mehreren Begebenheiten und Spuren, die letztendlich ins Nichts führen. Auch die Beschreibung des Außerirdischen ist ein ziemlicher Kuddelmuddel; das Wesen kann sich in anderer Körper einnisten und dazu noch das Wissen seiner Opfer durch ihre Augen absorbieren. Hauptsächlich besteht seine Motivation daraus, die Erde wieder verlassen zu können, weswegen es sich später beiläufig danach erkundigt, wie weit es denn in der menschlichen Wissenschaft mit der Überwindung der Schwerkraft her ist, was etwas kurios anmutet. Aus spannungsförderlichen Gründen musste aber noch eine darüber hinausgehende Motivation her, die das Wesen als Monster und Gefahr für die ganze Menschheit ausweist, und darum gibt es später noch zu Protokoll, dass seine Spezies sicherlich die Menschen über kurz oder lang unterjochen wird. Alle anderen Charaktere scheinen nur ihrer Funktion nach entwickelt worden zu sein und sind dementsprechend flach. Umso wichtiger war es hier, zumindest gute Schauspieler zu besetzen, um diese Schablonen überzeugend mit Leben zu füllen. Christopher Lee und Peter Cushing waren als Gespann eingespielt, wovon der Film enorm profitiert. Dabei musste Lee seinen Freund Cushing, der gerade verwitwet war und ehedem nicht gerne die britischen Inseln verließ, erst überreden, den Job in Spanien anzunehmen. Die Chemie zwischen beiden war damals trotzdem ungebrochen, und sie tragen einen großen Teil des Films auf ihren Schultern. Aber tatsächlich ist Horror-Express ein Ensemble-Film, denn Julio Pena als Inspektor Mirov wird genauso viel Screentime eingeräumt wie den beiden britischen Stars. Der Genre-Darsteller verstarb übrigens noch vor der Premiere des Films. Als Vierter im Bunde agiert Alberto de Mendoza als Pujardov, der bei seiner ebenfalls dünnen Figur dick aufträgt. Der Argentinier liefert, gemessen an seiner Rolle, von allen Darstellern sicherlich die beste Leistung ab. Seine Figur, die sich später der höheren Macht unterwirft, wird ironischerweise durch einen polnischen Grafen und seine Frau – Jorge Rigaud und Silvia Tortosa – in die Handlung gebracht, die als veraltet und überholt keinen Einfluss auf die Handlung ausüben und bezeichnenderweise von Telly Savalas als Hauptmann Kasan aus dem Waggon in ihr Privat-Abteil geschickt werden, als die Jagd auf das Monster in die heiße Phase eintritt. Savalas wurde freilich gebucht, um die Starpower auf den Plakaten zu erhöhen, spielt aber seine Rolle als von sich selbst eingenommener Kosaken-Hauptmann mit dem ihn innewohnenden Verve. Tatsächlich tritt seine Figur zu einem Zeitpunkt in die Geschichte ein, als die Dramaturgie zu kippen droht, und rettet den Film damit in das Grande Finale, in dem sich Eugenio Martin darauf verlegt, doch noch blutige Action in die Geschichte einzubringen. Horror-Express, und da sollte man sich keinen Illusionen hingeben, ist über fast die gesamte Filmlänge näher am Trash dran denn kunstvollem Horror-Kino. Dank des interessanten Potpourri, das die Script-Autoren Arnaud d'Usseau und Julian Zimet, die später das englische Horror-Rocker-Debakel Der Frosch verantworteten, dort zusammengewürfelt hatten, der versierten Regie Eugenio Martins, des schön gestalteten Interieurs, und natürlich der gut gelaunten Stars ist hierbei ein gleichsam spannender wie auch höchst unterhaltsamer Horrorfilm bei herumgekommen, der über seine Laufzeit nicht nur die Grenze zur unfreiwilligen Komik scharf entlang fährt, sondern auch mal überschreitet. Bei jeder Sichtung des Films schwingt in meinen Fall natürlich eine gewaltige Welle der Nostalgie mit, doch es bleibt festzuhalten, dass er trotz seiner Defizite, die ich ihm so gerne vergebe, alles andere als langweilig ist. Und so erweist sich diese Reise aus dem fernen Asien in das moderne Europa zu Teilen als ein später Ausläufer altmodischen Horrorkinos, der sich im Grunde eher Motive des progressiven Genre der Science-Fiction bedient. Horny
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