Crash / Karambol (Canada / UK 1996) "I want really big tits, out to here,
Durch Cronenbergs Werke finden sich mehrere immer wiederkehrende Themen, die der Regisseur durch die Jahrzehnte immer neu und dem jeweiligen Zeitgeist angepasst, präsentiert. Bei seiner Verfilmung des Romans "Crash" von J.G. Ballard variiert er das Thema der zunehmenden Entmenschlichung der Gesellschaft, der immer weiter voranschreitenden Maschinisierung und Ersetzung der Menschen durch selbst geschaffene Maschinen. Zudem zeigt Cronenberg die zunehmende abstoßende Faszination an Abartigkeiten und der Sensationslust einer völlig abgestumpften Gesellschaft. Die Handlung des Films ist schnell erzählt: Der Werbefilmer J.G. Ballard (James Spader) lernt durch einen Autounfall Dr. Helen Remington (Holly Hunter) kennen und gerät durch sie in eine Welt fremder Sexualität. Prophet dieser Welt ist Vaughan (Elias Koteas), der die tödlichen Unfälle berühmter Filmstars nachstellt und den Körper seiner Freundin (Rosanna Arquette) allmählich zu einem vernarbten Kunst-Werk gestaltet, das nur noch durch Leder und Chrom zusammengehalten wird. Ballard zieht bald auch seine Frau Catherine (Deborah Unger) in sein neues Leben hinein, und beide finden zu einer radikalen, neuen Form der Liebe. Eine wirklich klare Struktur ist bei der Geschichte aber nicht erkennbar. Mit schonungsloser Offenheit wechselt Cronenberg zwischen Sexszenen und Autocrashs hin und her und variiert sie. Die zunehmende Faszination der Hauptfigur, die der Unfall aus seinem glatten, oberflächlichen Yuppieleben holt demonstriert Cronenberg mit absurden Szenenfolgen, die keine Erkärung oder Deutung bieten. Der Film will erfahren und erlebt, nicht verstanden werden. Tatsächlich ist Ballards sexuelle Reise eigentlich eine Suche nach Erfüllung, nach dem ausweglosen Streben nach neuen Kicks, aber einer gleichzeitig unausweichlichen Entmenschlichung und dem völligen Verlust von menschlicher Wärme. Fleisch wird zu Gummi und Knochen zu Stahl, die menschliche Sexualität wird zu einer technisierten Sexualität. Bei seiner Vorstellung auf dem Filmfestival von Cannes sorgte der Film für Aufregung und es hagelte Kritik aber auch Lob und so blieb der Jury nichts anderes übrig, als dem Film einen eigens geschaffenen Preis zu verleihen. Eigentlich ungerecht, denn Cronenbergs Stil ist eigentlich nicht abstossend oder provozierend. Er lädt ein, sich auf ihn einzulassen. Handwerklich und darstellerisch ist der Film auf hohem Niveau. Alle Schauspieler sind in Topform und liefern grandiose Leistungen ab. Cronenberg filmt seine Vision mit sehr ästhetischen, kühlen Bildern, die fast einen in eine tranceähnliche Stimmung bringen. Der Film ist sicher kein Tipp für einen gemütlichen Filmabend aber wer offen ist für verstörende Bilder und seiner Wahrnehmung auch mal ungewohntes zutrauen will, dem sei "Crash" nur wärmstens ans Herz gelegt. Frank Rinsche |
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