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Das Grauen auf Schloss Witley / Colour Out of Space / Bootschapper van de duivel

(USA/GB 1965)

 

Regie: Daniel Haller

Vorlage: H.P. Lovecraft

Drehbuch: Jerry Sohl

Darsteller: , , ,

 

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"
It looks like a zoo in Hell!"
Nick Adams als Captain Obvious

 

 

Daniel Haller dürfte den meisten Leuten vor allem durch seine Arbeiten fürs Fernsehen bekannt sein, da zahlreiche Folgen diverser Kult-Sendungen wie „Knight Rider“, „Battlestar Galactica“, „Kojak“ oder „Buck Rogers in the 25th Century“ auf seine Rechnung gehen.

dieMonsterdie 009Vor diesem Wechsel auf den kleinen Bildschirm durfte er aber unter den Fittichen von Roger Corman für American International Pictures zunächst das Set-Design in Corman’s opulentem Poe-Zyklus übernehmen und schließlich ganze vier Kinofilme inszenieren. Der Biker-Streifen „Devil’s Angels“ sowie „The Wild Racers“ über einen Stock-Car-Rennfahrer taugen allerdings nicht so recht für Evil Ed (wenn schon, dann sollte solcherlei wenigstens von einem David Cronenberg stammen und „Fast Company“ heißen), viel interessanter sind da schon seine beiden auf Geschichten des Großen Alten H. P. Lovecraft basierenden Horrorfilme.

Im Fall von Charles Dexter Ward (oh nein, um den hatte sich ja bereits Corman in seinem „The Haunted Palace“ gekümmert) – nochmal: Im Fall von „Die, Monster, Die!“ sollte man den literarischen Ballast aber zunächst einmal vergessen. Zwar basiert der Film lose auf der Story „The Colour Out Of Space“[1] und der Vorspann bietet zu dramatischer Musik wild-bunte Farbwirbel, doch danach befinden wir uns stilistisch zunächst in einem Film, der mehr mit Edgar Allan Poe zu tun hat als mit Cthulhu & Co.

dieMonsterdie 006Die Stadt Arkham wurde kurzerhand nach Großbritannien verlegt und statt der Miskatonic University gibt es dort das nebelverhangene Schloss Witley, auf dem dem deutschen Titel zufolge das Grauen umgeht. Das muss der Amerikaner Reinhardt (Nick Adams) schon bald am eigenen Leibe erfahren, denn der Schlossherr (Boris Karloff) folgt der Tradition von Figuren wie Roderick Usher und brütet in seinem Gemäuer über alten Familienflüchen und wahnsinnigen Vorfahren. Sehr schön ist dabei die Art und Weise, wie dieser Konflikt mit der Vergangenheit ausgestaltet wird: Reinhardt, den es aus den relativ jungen Vereinigten Staaten in die Alte Welt verschlagen hat, kommt mit dem Zug an (mehr moderne Technik wird man danach nicht mehr zu sehen bekommen), der Taxifahrer weigert sich, ihn zum Schloss zu bringen, die Dörfler reagieren abweisend bis feindselig, man will ihm nicht einmal ein Fahrrad vermieten. dieMonsterdie 008So geht es dann auf Schusters Rappen durch eine merkwürdig verkohlte Heidelandschaft bzw. an einem düsteren Matte-Painting vorbei zum Schloss, wo sich eine schwarzverschleierte Gestalt herumtreibt und Karloff ebenfalls nicht gerade erfreut über ungebetene Besucher ist. Das Geheimnis lauert jedenfalls hinter jeder Ecke, zumal die Schlossbewohner mit Ausnahme der jungen Susan nicht gerade die gesündesten sind. Der alte Witley sitzt im Rollstuhl (kann aber wenn es drauf ankommt trotzdem herumlaufen, der Simulant!), den Butler plagen Schwächeanfälle und die Ehegattin hütet hinter Vorhängen das Bett. Außerdem gibt es noch ein Gewächshaus, das bei Nacht leuchtet wie die Dorfdisco sowie einen grausigen Keller mit Fledermäusen, fetten Spinnen und Skeletten, womit sich „Die, Monster, Die!“ formal überdeutlich an der von Roger Corman entwickelten Herangehensweise, klassischen gothic horror auf die Leinwand zu bringen, orientiert.

dieMonsterdie 011Dies beißt sich aber stärker noch als in „The Haunted Palace“ mit dem moderneren Ansatz Lovecrafts, der nach einigen von Poe und Lord Dunsany inspirierten Geschichten zunächst seinen Cthulhu-Mythos entwickelte, um diesen schließlich schrittweise zu verwissenschaftlichen bzw. zu entmystifizieren, wodurch die Grenze zur Science-Fiction überschritten wird. Seine „Farbe aus dem All“ kommt sogar vollständig ohne Verweise auf Zauberbücher wie das „Necronomicon“ oder irgendwelche fiesen Buchstabensalatgötter aus, sondern schildert minutiös den schleichenden Verfall einer etwas abgelegenen Ranch und ihrer Bewohner, nachdem sich dort eine „Farbe“ (ein letztlich nicht in Worte zu fassendes vampirisches Ungetüm, das als Meteorit vom Himmel fiel) eingenistet hat. Der Schrecken liegt darum ausdrücklich nicht im Mobiliar herkömmlicher Gruselgeschichten (Schlösser, Keller und Skelette), auch nicht in psychischen Defekten (verklausuliert als Fluch und Wahnsinn) und schon gar nicht im Sex begründet,[2] sondern in der absoluten, durch menschliche Sinne nicht vollständig erfassbaren und darum nur unvollständig beschreibbaren Fremdartigkeit sowie in den stark an die Folgen radioaktiver Strahlung erinnernden konkreten Auswirkungen der Heimsuchung.

dieMonsterdie 005Doch zurück nach Schloss Witley: die periphere Stellung des Menschen im Kosmos, der im Angesicht von mindblowing things wie Farben aus dem All nur noch „Iä, Iä, fthaghn!“ stammeln kann und ins nächste Sanatorium eingeliefert wird, spielt hier bestenfalls am Rande eine Rolle. Im Kern geht es in Hallers Film eher um eine typisch amerikanische Erfolgsgeschichte: der Held muss das Mädchen den Klauen des Drachen (bzw. des drachenbösen Vaters) entreißen, und um den Vater zu entmachten muss sein dunkles Geheimnis aufgedeckt werden. Der Einfachheit halber wird dabei die numinose Farbe zu einem Meteoriten, der durch seine Strahlung Mutationen der Flora und Fauna bewirkt. Karloff experimentiert mit diesem außerirdischen Geröll herum, da er sich erhofft, Schloss Witley durch die zu üppigem Wachstum angeregte Vegetation in einen Garten Eden zu verwandeln, um auf diese Weise den aufgrund eines wahnsinnigen Vorfahren eher zweifelhaften Ruf seiner Familie wieder aufzupolieren – selbstverständlich ohne zu bemerken, dass er dadurch dem Stammbaum einen weiteren Bekloppten hinzufügt, denn spätestens wenn man die deformierten Tiere im Gewächshaus gesehen hat oder Zeuge wurde, wie einige Ranken in bester „Evil Dead“-Manier jungen Damen an die Wäsche gehen, liegt auf der Hand, dass mit Kernkraft nicht zu spaßen ist.

dieMonsterdie 007Abgesehen von diesen modernen Einschüben bleibt „Die, Monser, Die!“ allerdings trotzdem herrlich altmodisch und in seine schwarzromantischen Dekors verliebt. In gewissem Sinne verfährt Haller mit der literarischen Vorlage ähnlich wie Witley mit dem Meteoriten, indem er der Geschichte kurzerhand eine andere Form überstülpt – und so wie es Witley nicht gelingt, die Kräfte des Meteors segenbringend einzusetzen scheitert Haller dabei, aus seiner Ansammlung von Motiven ein schlüssiges Gesamtbild zu fabrizieren. Darum zerfallen nicht nur die Figuren (ein aus heutiger Sicht durchschaubarer Schmelzeffekt war in den 60ern sicherlich ziemlich schockierend) sondern auch der Film: gewissermaßen liefert Poe wie ihn Corman inszenierte den Rahmen, durch den Lovecrafts Tentakel notdürftig gebändigt werden, um sie an die Sehkonventionen des damaligen Horrorfilm-Publikums anzupassen. Die schmelzende Mrs. Witley und die Menagerie im Gewächshaus hingegen sind Ausbruchsversuche, in denen das Grauen amorpher Formlosigkeit zumindest kurz aufblitzen darf.

dieMonsterdie 003Zugutehalten kann man „Die, Monster, Die!“ allerdings, dass er flott genug inszeniert wurde; die inhaltlichen Brüche fallen innerhalb der knappen Laufzeit von 75 Minuten kaum ins Gewicht und der Film schwelgt geradezu in atmosphärischen Bildern, seien es der allgegenwärtige Nebel in den Außenaufnahmen rund ums Schloss oder die detailverliebte Innenausstattung. Außer Karloff, der im Finale zum eher lächerlich anzusehenden Strahlenmann wird, und der zu diesem späten Zeitpunkt seiner Karriere bereits gesundheitlich angeschlagen war (zuviel mit Meteoriten gespielt?), bleiben die Darsteller allerdings trotz knalligem Technicolor eher blass bzw. reagieren teilweise erstaunlich unbeteiligt auf die diversen schauderhaften Vorkommnisse in Schloss Witley. Schreie in der Nacht? Who cares? Mutierte Viecher? Kenn’ ich aus dem Kino!

dieMonsterdie 010Hinzu kommen noch kleinere Pannen wie beispielsweise folgende Szene: Nick Adams schleicht im Keller umher, begegnet einigen an Fäden gezogenen Plastikfledermäusen, die von der letzten Halloweenparty übrig waren und findet schließlich den Kasten, in dem der Meteor aufbewahrt wird. Dabei wird er vom alten Witley überrascht, der eigentlich gerade zur gleichen Zeit im ersten Stock des Hauses mit seiner Tochter gelabert hat. Da er im Rollstuhl sitzt, aufgrund der Treppen zur mühseligen Benutzung eines handbetriebenen Aufzugs gezwungen ist und Adams zur Durchquerung des Kellers ziemlich lange gebraucht hat, lässt sich das Auftauchen Witleys eigentlich nur noch durch Teleportation erklären. Aber Jason kann so was ja auch („Friday the 13th Part IV: The Final Chapter“ kommt mir da so in den Sinn), vielleicht hat er das ja sogar bei Onkel Boris gelernt?

dieMonsterdie 001Wenn man Cormans Poe-Zyklus mag ist Hallers Nachtrag allerdings trotz seiner Schwächen eine launige und durchaus empfehlenswerte Ergänzung. Als puristischer Lovecraftianer und/oder Anbeter von Nyarlathotep, Azathoth und wie sie alle heißen hingegen wird man von „Die, Monster, Die!“ ebenso wie von den meisten anderen Filmadaptionen der Werke des Einsiedlers aus Providence herbe enttäuscht. Bis zu den Schleim- und Splatterwerken von Yuzna und Gordon war es noch ein weiter Weg (der „Re-Animator“ erschien ganze 20 Jahre später) und der Verdienst von „Die, Monster, Die!“ (und auch „The Haunted Palace“) ist es eher, durchaus vergleichbar mit dem Bauprinzip von Lovecrafts Geschichten, nur leise anzudeuten, in welche Richtung sich der Horrorfilm entwickeln sollte. Hallers 1970 entstandener „The Dunwich Horror“ ist dann bereits deutlicher als eine Art Übergangsfilm erkennbar, in den der spätestens seit 1968 veränderte Zeitgeist einsickert wie die Großen Alten aus der Schwärze des Raums zwischen den Sternen – aber den hebe ich mir für ein Andermal auf.

dieMonsterdie 004Die DVD-Veröffentlichung des Films von MGM geht in Ordnung, mehr aber auch nicht – als Sammler bzw. Qualitätsfanatiker sollte man darum zur BluRay greifen, wenngleich die als Bonus mitgelieferte „Nostalgie-Fassung“ (4:3-Format wie seinerzeit auf VHS) einen doch eher zweifelhaften Mehrwert bieten dürfte. Aber manche Filmfreaks haben vielleicht tatsächlich sogar noch einen grün strahlenden Röhrenfernseher im Keller stehen. Gleich neben dem Meteoriten und dem Regal mit den pfeffrig riechenden Büchern zur Beschwörung des grausamen Ka-thodus-Ff’ull’Skrien…

 Alexander

 

[1] Als bibliophiler Mensch hat man die etwas muffige Übersetzung in der Suhrkamp-Sammlung „Das Ding auf der Schwelle“ hoffentlich gelesen! Man beachte auch, dass Lovecraft die britische Schreibweise statt des amerikanischen „Color“ verwendet – er inszenierte sich eben gerne als old english gentleman.

[2] Auch wenn Arno Schmidt den Auftritt Cthulhus als das traumatische Erlebnis interpretiert, das den verklemmten Lovecraft ereilte, als er Sonja Greene (!) in der Badewanne erblickte.

Nachbemerkung:

Seit dem 14.09.2018 gibt es den Film auch endlich in einer BluRay-Version, die bei Wicked-Media als aufwändiges Mediabook mit vielen Extras erschienen ist.

Sobald uns ein Exemplar davon vorliegt, werden wir den Artikel natürlich dementsprechend ergänzen.

Die neue Version ist unten verlinkt.

 

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