10.000 PS – Vollgasrausch im Grenzbereich, Amok stin asfalto, Detectives a 100 á hora (Canada 1979) Musik: Fred Mollin Kamera: Mark Irwin Schnitt: Ronald Sanders Darsteller: William Smith, John Saxon, Nicholas Campbell
"Wir werden dieses Rennen fahren, und sie können nichts dagegen tun!"
Dieser Film wollte es mir partout nicht leicht machen. Ich hatte den, obwohl großer Fan von David Cronenberg, gar nicht auf dem Schirm, als ich die holländische Kassette (mit deutscher Aufschrift & Ton) zufällig vor Jahren in einem Sozialkaufhaus entdeckte. Der Name Cronenberg ließ mich inne halten, der Preis von nur wenigen Cents die Kassette, ohne mit der Wimper zu zucken, kaufen. Da er mich thematisch aber nicht wirklich reizte, versauerte das gute Stück erst einmal in meinem Regal zwischen hunderten anderen Filmen. Als ich vor einigen Jahren begann, meinen Bestand an VHS sukzessive auszudünnen, hielt ich den Film wieder in Händen, konnte mich aber nur dazu durchringen, ihn zumindest nicht abzugeben, weil er bis dato noch keine Veröffentlichung auf einem digitalen Medium erfahren hatte. Doch just jetzt, zu unserem großen Cronenberg-Monat, hielt ich es endlich für angemessen, diese Kassette wieder hervorzukramen und mir den Film, ungeachtet seiner Verfügbarkeit in bester Bild-& Tonqualität auf günstigen DVDs und Blu-rays, endlich anzusehen, im 4:3-Format und mit Mono-Sound. Doch das Medium war zickig; es ist kein gutes Zeichen, wenn der Videorekorder den Fast Rewind verweigert und man im Abspielrücklauf spulen muss. Doch das Band war mir hold, ich konnte den Streifen sehen. Zwar viel zu dunkel und noch viel leiser, aber immerhin… Lonnie "Lucky Man" Johnson ist ein populärer Dragster-Fahrer. Er hat ein gutes Team mit seinem Mechaniker Elder und dem aufbegehrenden Nachwuchsfahrer Billy "The Kid" Brooker um sich geschart, doch Finanzier Adamson bremst die Truppe in ihren Ambitionen immer wieder aus, da er nur daran interessiert ist, den Wagen am Laufen und die Werbung für Fast Company Oil im Fokus zu halten. Mit Gary "The Blacksmith" Black unterhält er eine Fehde, aber es ist ein ungleiches Duell, da "The Blacksmith" nicht einmal die Mittel hat, um es mit "Lucky Man" ernsthaft aufzunehmen, und sich mit Rennen in der Funny Car Class, in der "The Kid" fährt, begnügen muss. Als Lonnies Auto einen Schaden erleidet, drängt ihn Adamson, Billys Platz im Funny Car einzunehmen, worüber der junge Heißsporn gar nicht erfreut ist. Adamsons Assistentin Candy kann ihn aber wieder zur Räson bringen. Sein erstes Rennen in dieser niederen Klasse ist ausgerechnet gegen Black, und er wischt mit seinem Konkurrenten richtiggehend den Boden auf. Trotz des Erfolges fällt Lonnie bei Adamson in Ungnade, als er bei einem Interview den Sponsor Fast Company Oil durch den Kakao zieht. Er will seinen Star feuern und plant, ihn und seine Crew durch Black und seine Mechaniker zu ersetzen. Doch zuerst sollen die Lonnie aus dem Weg räumen… Wenn man sich den Film mit Blick auf das sonstige Ouevre Cronenbergs anschaut, dann kann man verstehen, dass er dort eher ein Schattendasein fristet, auch wenn der kanadische Kult-Regisseur ihn selbst keineswegs gering schätzt, was daran liegt, dass Cronenberg seit jeher ein großer Auto- und Motorsport-Fan ist. "Fast Company" stellte in seiner Karriere allerdings den ersten Film dar, der nicht auf einem eigenen Drehbuch basierte. Und auch wenn dieser Film mehr eine Randnotiz in Cronenbergs Filmographie darstellt, ist es für ihn, abseits seiner Liebe zu schnellen Autos, ein sehr wichtiger Film gewesen. Denn bei den Arbeiten daran lernte er einige Leute hinter der Kamera kennen, die ihn von da an stetig in seiner Karriere begleiten würden; Art Director Carol Spier, die Kostümbildnerin Delphine White, Kameramann Mark Irwin und nicht zuletzt der preisgekrönte Cutter Ronald Sanders, der bis zuletzt alle Filme des einstigen Meisters des Body Horror in Form brachte. Auch mit Nicholas Campbell, der hier Lonnies Sidekick Billy "The Kid" Brooker spielt, und der mit Cronenberg auch am Script zum Film herumdokterte, arbeitete er im folgenden noch dreimal zusammen; er spielte Oliver Reeds rechte Hand in "Die Brut" (1979), den Hilfssheriff in "The Dead Zone" (1983) und Hank (also Jack Kerouac) in "Naked Lunch" (1991). Auch wenn David Cronenberg eine Vorliebe für schnelle Autos hegte und dies später in der Verfilmung von J.G. Ballards Roman "Crash" kunstvoll mit seinem Body Horror Thema verband, gibt es hier noch nicht einmal Ansätze einer derartigen Verschmelzung. Es ist ja nicht so, dass die Story um Männer mit einer Obsession für schnelle Autos und Beschleunigungsrennen sich dafür keineswegs angeboten hätte. Ich kann daher nur mutmaßen, dass entweder die Geldgeber oder auch Cronenberg selbst keinerlei Interesse an solch einer Verquickung gehabt haben. Der Film bietet eigentlich genau das, was er laut Inhaltsangabe (auf dem Backcover der VHS wird sogar die komplette Geschichte, bis zum bitteren Ende, erzählt) verspricht, er ist ein Rennfahrer-Drama. Die Regie verzichtet auf irgendwelche Mätzchen, Story und Dramaturgie gehen lehrbuchmäßig ihren Weg, und nur der Kniff, den Lonnie und seine Kumpane später bemühen, um weiter im Rennen zu bleiben, wie auch das dämliche Ende, bereiten etwas Stirnrunzeln, da es für die Protagonisten ohne rechtliche Konsequenzen bleibt. Ansonsten gibt es an sich nichts daran auszusetzen, vor wie hinter der Kamera leisten alle gute Arbeit. Den Held des Films, "Lucky Man", gibt William Smith mit seinem kantigen Charaktergesicht, der damals schon ein erfahrener Mime war. Den meisten wird er wohl in seinen Rollen als Bösewicht bekannt sein, die er so häufig in Film und Fernsehen verkörperte. Sein Charisma ist nicht zu leugnen und wenn er lächelt, scheint einfach die Sonne. Meinetwegen hätte er öfters und auch in größeren Produktionen mal den Guten geben dürfen. John Saxon als Adamson gibt dazu einen guten Gegenpol ab, auch wenn sein schmieriger Antagonist deutlich kitschig und oberflächlich geschrieben ist. Dafür kann Saxon auch sehr gut in Arschloch, weswegen das nichts ausmacht. Aber dafür leistet sich der Film dann auch den Luxus, das Klischee des vom Ehrgeiz zerfressenden Konkurrenten auszulassen. Cedric Smiths Gary Black mag eifersüchtig auf die finanziellen Mittel, die Lonnie durch Fast Company gegeben sind, sein, aber ist doch mehr von sportlichen Eifer getrieben. Die Rolle der Handlanger des Bösewichts fällt seinen Mechanikern zu. Den unausweichlichen väterlichen Freund Lonnies, den Mechaniker Elder, spielt Don Francks, den Horrorfreunde gewiss noch als Chief Newby aus dem Slasher-Klassiker "Blutiger Valentinstag" (1981) kennen. Er war nebenher noch ein gefragter Voice Actor. Eine etwas undankbare Rolle hat 70s-Exploitation Starlet Claudia Jennings, die als Lonnies Frau Sammy eigentlich gar nichts zur Story beitragen darf, außer hübsch auszusehen und, anfangs noch aus der Ferne, um ihren Mann zu bangen. Trotzdem wird sich dem ein oder anderen die Frage stellen, ob man den Film als Cronenberg-Fan nun unbedingt gesehen haben sollte. Und betrachtet man die Bandbreite, die Cronenbergs Schaffen heutzutage offenbart, nachdem er sich in den letzten 30 Jahren weit von den Horror-Gefilden entfernt hat, so sollte man als Fan auch dieses Werk mal in Augenschein nehmen, ob es nun der Komplettierung wegen ist oder nur um der Erkenntnis willen, dass der kanadische Meister-Regisseur auch einen vollkommen normalen, immer noch guten, Film drehen kann. Horny
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