Dario Argentos Regie: Dario Argento Drehbuch: Dario Argento, Antonio Tentori Musik: Claudio Simonetti Make-Up-FX: Sergio Stivaletti Darsteller: Thomas Kretschmann, Marta Gastini,
Um Mal gleich zu Beginn aus einem meiner noch nicht veröffentlichten Artikel aus unserer 3D-Film-Serie zu zitieren: „Wenn sich ein wirklich großer Regisseur mit dem Thema 3D beschäftigt, kann er der technischen Spielerei tatsächlich etwas Neues abgewinnen. So erschuf Martin Scorsese in „Hugo“ im Pariser Bahnhof eine ganze eigene Welt voller verschrobener Charaktere und visueller Details, die den Zuschauer die komplette Architektur des Gebäudes fühlen liessen. Joe Dante brachte mit „The Hole“, bei dem der Name Programm war, eine erstaunliche Tiefenwirkung auf die Leinwand ohne seinen ganz eigenen Stil zu vernachlässigen und Robert Zemeckis erzeugte beim Zuschauer mit „The Walk“ echte Schwindelgefühle. Wim Wenders zeigte mit „Pina“, dass Balettfilme auch in 3D funktionieren und Werner Herzog liess uns in „Höhle der vergessenen Träume“ erstmals Höhlenmalereien so sehen, wie sie wirklich waren, nämlich auf unebenen Untergründen, was ihnen eine besondere Faszination verlieh.“ Soviel zur Werbung für meinen Artikel – kommen wir jetzt zu etwas komplett anderem – zu Dario Argento.
Ausgehend von einem Drehbuch vom großartigen Antonio Tentori, der ja auch für die beiden letzten Meisterwerke von Bruno Mattei verantwortlich war (Genaueres erfahrt ihr hier), allerdings noch aufgepeppt mit des Meisters eigenen Ideen, zog Argento eine Menge großartiger Talente aus seinem Dunstkreis zusammen und machte sich an die Arbeit zu seinem Opus Magnum. Die Geschichte von Dracula dürfte ja bekannt sein also brauche ich drauf nicht einzugehen. Leider aber haben sich Tentori und Argento (sowie der Produzent und der Autor einer „Kommisar Rex“-Folge, die auch noch als Autoren angegeben werden) einige – sagen wir es mal nett – künstlerische Freiheiten mit der Vorlage erlaubt. Im folgenden Absatz setze ich mal alle Sachen, die mich bereits beim ersten Sehen des Filmes ein wenig verwundert haben in kursiv.
Nee, so bringt das nix, da müsste ich ja den gesamten restlichen Text kursiv setzen. Aber es ist sicher schon anhand dieser Einleitung offensichtlich, dass Argentos Version von Dracula recht wenig mit dem Buch zu tun hat und das ändert sich sich im Rest der wirren Handlung nicht, in deren Verlauf unter anderem Jonathan Harker zum Vampir wird, sich der Graf selbst in eine Heuschrecke verwandelt und der als Vampirjäger durch die Gegend ziehende van Helsing den saugenden Grafen mittels Silberkugeln zu erlegen versucht.
Kommen wir jetzt aber zum Elefanten im Raum. Eine Verfilmung des Dracula-Stoffes steht und fällt natürlich mit der Besetzung der Titelfigur. Nun ist Thomas Kretschmann sicherlich ein toller Typ, so im Privatleben, und schauspielerisch hat er mich auch das ein oder andere Mal überzeugen können. Auch hier gibt er eigentlich alles – sein Dracula ist aggressiv, erotisch, zärtlich, grausam, schnell, bedächtlich, planend und instinktgetrieben. Leider aber immer gleichzeitig und in seltsamen Variationen. Aber was soll man machen, wenn einem Drehbuch und Regisseur keinerlei roten Faden für den Charakter vorgeben, da ist eine solche Leistung verzeihlich, aber... ...Moment - nochmal...
was verdammt nochmal hat ihn geritten, Stokers klassische Zeile „Listen to them. The children of the night....“ wie einen Shakespeare-Monolog zu präsentieren? Dieser Moment ist schwer abzuschütteln, aber kommen wir doch zum nächsten Thema, der visuellen Präsentation. Ich habe den Film ja nun zum zweiten Mal gesehen (was tut man nicht alles für Reichtum und Ruhm), beim ersten Mal auf einem fremden Fernseher und in der flachen Version. Damals kam der Film mir erheblich zu hell vor, was sich aber auf beide im vorigen Satz erwähnte Tatsachen zurückführen lassen konnte. Zumindest dachte ich das. Nach der Betrachtung der dreidimensionalen Version – keine Angst, da komme ich noch zu – bin ich mir sicher, der verdammte Film ist VIEL zu hell. Doch nicht nur das, die Kontraste sind schwammig und die Farbqualität stimmt auch nicht. Wer immer da für die endgültige Farbkorrektur zuständig war, sollte schleunigst einen Augenarzt aufsuchen.
Wenn man die TV-Farbeinstellungen analog der obigen Tabelle nur minimal anpasst, wird einem klar, was Argento eigentlich geplant hatte. Denn plötzlich sehen wir – zumindest von Farbgebung und Helligkeitswerten her – einen klassischen Hammer-Horrorfilm. Sicherlich bekommen wir inhaltlich immer noch eher Ed Wood präsentiert, aber es ist angenehm, zumindest einen Fehler des Filmes beheben zu können.
Zusätzlich gibt es aber auch ein paar weniger toll gelungene Effekte zu „bewundern“ – und wundern ist hier so ziemlich der richtige Begriff. Eine gesunde Mischung aus computergenerierten und handgemachten Effekten ist etwas Wunderbares, man denke nur an das „Dawn of the Dead“-Remake von Herrn Snyder oder das „The hills have eyes“-Remake von Herrn Aja. Bei Dracula beginnt das Debakel mit der Eule zu Beginn, die sich im Endeffekt noch als der beste CGI-Effekt des ganzen Filmes entpuppt, und steigert sich unmerklich in Dilletanz und Schlampigkeit bis hin zur viel gescholtenen Gottesanbeterin, die mich damals sogar auf der PS2 enttäuscht hätte.
Aber vielleicht habe ich das alles auch nur falsch verstanden, weil ich den Film zuerst nur in der flachen Version gesehen habe, vielleicht bin ich dadurch einfach nicht in der Lage gewesen, all die Dimensionen in Argentos Hirn zu verstehen, die alle oben erwähnten Fehlentscheidungen sinvoll machen. Die Antwort ist natürlich NEIN. Dracula beginnt damit, dass Titel und Credits (analog schlechtestem 50er Jahre 3D) auf der Leinwand erscheinen, die ins Publikum reinragen sollen, aber nur zu Doppelbildern führen. Zusätzlich wird als Hintergrund auch noch ein statisches zweidimensionales Bild eines schlecht gerenderten Dorfes gezeigt – wahrscheinlich, damit sich die Augen darauf einstellen können. Zumindest vermute ich das, denn nachdem einige Creditzeilen auf diese Art erschienen und so schnell wieder verschwunden sind, dass selbst ich mit meinem hohen Lesetempo kaum nachkam, weil meine Augen immer erst einige Sekunden zum scharfstellen brauchten, wechselt der Hintergrund plötzlich zu einem animierten Flug durch diese detailarme Dorfkulisse, was es nahezu unmöglich macht, dem Rest zu folgen. Aber wer braucht schon einen Vorspann, ich kann mir gut vorstellen, dass einige der am Film Beteiligten sicherlich froh waren, dass ihr Name nicht leserlich auftauchte.
Die häufigen Pop-Out-Effekte (also die Dinge, die aus der Leinwand ins Publikum ragen) funktionieren nur in Ansätzen – z.B. mit den äußerst hässlichen computeranimierten Fliegen – gehen aber meist den einen Punkt zu weit und treiben den AHA-Effekt zum „da er versuchts schon wieder“-Eindruck. Ein wenig hilft es dem Film, wenn man analog der oben bereits erwähnten Tabelle das Bild ein wenig „natürlicher“ einstellt, einen 3D-Mehrwert kann man so aber leider nicht herzaubern. Das liegt halt zum einen an der, speziell im Bezug auf die Technik, unispirierten Regie, zum anderen aber auch daran, dass man überwiegend zwar mit zwei Kameras gedreht hat, aber jeglichen Shot im Computer künstlich mit einer Planebene und der dazu passenden Konvergenz (erklär ich Euch später mal in einem Technik-artikel unserer 3D-Serie) versehen hat. Das führt über weite Strecken – speziell halt in den wenigen Außenaufnahmen – zu einer Künstlichkeit der Bilder analog dem klassischen Viewmaster , dass heisst wir haben es hier nicht mehr mit einem wirklich dreidimensionalen Bild, sondern mit einem Bild mit verschiedenen künstlich erzeugten Ebenen zu tun, auf dem flache Bilder zu finden sind. Schwer zu beschreiben, aber leider leicht zu erkennen.
Allerdings muss man die 3D-BluRay von Koch Media in allen Belangen loben, den neben dem furchtbaren Hauptfilm bietet sie doch etliche interessante Extras. Das beginnt mit einem 5-Minütigen 3D-Video der Band „The Simonetti Project“ zum Hauptthema des Filmes, das ein besseres und funktionaleres 3D bietet als der ganze Film. In einer einstündigen Dokumentation über die Dreharbeiten (ebenfalls in „natürlichem“ 3D) gibt es tatsächlich mal tiefe Einblicke in die Produktion eines dreidimensionalen Filmes, bei denen man bei Interesse einiges über die Technik lernen kann, die dahinter steckt, oder zumindest darüber wie das fertige Produkt geplant war. Auch Latexjongleur Stivaletti kommt hier zu Wort und darf einige seiner Behind The Scenes Shots präsentieren. Ebenso wird Drehbuchautor Antonio Tentori in seinem Interview nicht müde immer wieder zu erwähnen, dass viele Ideen im Script (und unter anderem die Gottesanbeterin) direkt von Meister Argento selbst stammen. Zusätzlich gibt es noch einen Mitschnitt eines Panels vom Slash-Filmfest wo Argento damals den Film erstmals außerhalb Italiens vorstellte und das offensichtlich vor der Vorführung stattfand. Ich schätze mal nachher hätten sie ihn mit Fackeln und Mistgabeln aus der Stadt getrieben. Da die Scheibe zur Zeit bei Amazon für unter 8 € zu bekomen ist und da die 3D-Dokumentation für jeden Technikfreak sicherlich eine gute Sammlungsergänzung ist, gebe ich hiermit eine halbe Kaufempfehlung ab. Für den Film selbst lohnt es sich definitiv nicht. So, und jetzt muss ich zur Entspanung erst nochmal Suspiria gucken um den Dreck von den Augen zu spülen. dia
|
- Hauptkategorie: Rubriken