dracula3d 05

Dario Argentos
DDDracula (2012)

Regie: Dario Argento

Drehbuch: Dario Argento, Antonio Tentori

Musik: Claudio Simonetti

Make-Up-FX: Sergio Stivaletti

Darsteller: Thomas Kretschmann, Marta Gastini,
Asia Argento, Unax Ugalde, Rutger Hauer

 

Um Mal gleich zu Beginn aus einem meiner noch nicht veröffentlichten Artikel aus unserer 3D-Film-Serie zu zitieren:

„Wenn sich ein wirklich großer Regisseur mit dem Thema 3D beschäftigt, kann er der technischen Spielerei tatsächlich etwas Neues abgewinnen.

So erschuf Martin Scorsese in „Hugo“ im Pariser Bahnhof eine ganze eigene Welt voller verschrobener Charaktere und visueller Details, die den Zuschauer die komplette Architektur des Gebäudes fühlen liessen. Joe Dante brachte mit „The Hole“, bei dem der Name Programm war, eine erstaunliche Tiefenwirkung auf die Leinwand ohne seinen ganz eigenen Stil zu vernachlässigen und Robert Zemeckis erzeugte beim Zuschauer mit „The Walk“ echte Schwindelgefühle. Wim Wenders zeigte mit „Pina“, dass Balettfilme auch in 3D funktionieren und Werner Herzog liess uns in „Höhle der vergessenen Träume“ erstmals Höhlenmalereien so sehen, wie sie wirklich waren, nämlich auf unebenen Untergründen, was ihnen eine besondere Faszination verlieh.“

Soviel zur Werbung für meinen Artikel – kommen wir jetzt zu etwas komplett anderem – zu Dario Argento.

dracula3d 04Der „Gottessohn des italienischen Horrorkinos“, wie ich ihn nach Suspiria, Inferno und Tenebre bezeichnete; der „sich selbst imitierende Altmeister“, wie ich ihn nach Phenomena, Opera oder Phantom of the Opera nannte oder der „Mann, der sein Mojo verloren hat“ wie man ihn in den letzten beiden Jahrzehnten nur noch betiteln konnte, hat sich im hohen Alter noch zwei Wünsche erfüllt. Zuerst einmal hat er schon in den frühen 80ern davon geschwärmt, mal einen Dracula Film zu drehen und dann hat ihn das 3D-Kino immer gereizt, da es – speziell ausgehend von seinen wirklich guten Werken – sicherlich gut zu seinem Stil passen würde.

Ausgehend von einem Drehbuch vom großartigen Antonio Tentori, der ja auch für die beiden letzten Meisterwerke von Bruno Mattei verantwortlich war (Genaueres erfahrt ihr hier), allerdings noch aufgepeppt mit des Meisters eigenen Ideen, zog Argento eine Menge großartiger Talente aus seinem Dunstkreis zusammen und machte sich an die Arbeit zu seinem Opus Magnum.

Die Geschichte von Dracula dürfte ja bekannt sein also brauche ich drauf nicht einzugehen. Leider aber haben sich Tentori und Argento (sowie der Produzent und der Autor einer „Kommisar Rex“-Folge, die auch noch als Autoren angegeben werden) einige – sagen wir es mal nett – künstlerische Freiheiten mit der Vorlage erlaubt. Im folgenden Absatz setze ich mal alle Sachen, die mich bereits beim ersten Sehen des Filmes ein wenig verwundert haben in kursiv.

dracula3d 10Zu Beginn dürfen wir erst einmal einem jungen Pärchen beim Sex zusehen. Nach dem die hübschen Brüste wieder eingepackt sind trennen sich die beiden nach einem lächerlichen Streitgespräch, sie legt noch demonstrativ ihr Kreuz ab und wird dann von einer subjektiven Kamera durch den, von nächtliches Schlagschatten durchdrungenen, finster erleuchteten Wald gehetzt. Sie rennt auf eine Hütte zu, vor der ein Landwirt mit einem Gewehr steht. Doch das Böse ist schneller und entpuppt sich als eine CGI-Eule, die sich in einer nahezu unerträglich stümperhaft zusammengeschusterten Effektsequenz in Thomas Kretschmann verwandelt.

Nee, so bringt das nix, da müsste ich ja den gesamten restlichen Text kursiv setzen. Aber es ist sicher schon anhand dieser Einleitung offensichtlich, dass Argentos Version von Dracula recht wenig mit dem Buch zu tun hat und das ändert sich sich im Rest der wirren Handlung nicht, in deren Verlauf unter anderem Jonathan Harker zum Vampir wird, sich der Graf selbst in eine Heuschrecke verwandelt und der als Vampirjäger durch die Gegend ziehende van Helsing den saugenden Grafen mittels Silberkugeln zu erlegen versucht.

dracula3d 12Versuchen wir also erst gar nicht, darin einen Sinn zu finden und wenden wir uns anderen Qualitäten des Filmes zu. Da sind zum Beispiel die „Schauspieler“ zu nennen – und ja, ich habe das Wort bewusst in Anführungszeichen gesetzt. Beginnen möchte ich mit der Performance von Unax Ugalde, der nicht nur mit einem der lustigsten Namen der Filmgeschichte gestraft ist, sondern auch mit seiner Unfähigkeit die Figur des Jonathan Harker komplett ruiniert. Er legt diese klassische Romanfigur als eine Mischung aus dem Harker aus Murnaus Nosferatu (optisch und mimisch) und dem aus Coppolas Version an (in Bezug auf die glaubhafte Intonierung der Dialoge). Es ist eigentlich gar keine schlechte Idee, sich an großen Vorbildern zu orientieren, aber der erste Film-Harker – der ja eigentlich Hutter heisst – war alleine durch die Technik der Zeit eingeschränkt und MUSSTE stummfilmmässig overacten und sein anderes Vorbild ist nun Mal Keanu Reeves, der nicht für seine großartigen Leistungen bekannt ist und mit dem künstlerischen und visuellen Ansatz von Coppola offensichtlich überfordert war. Ugalde wirkt in nahezu jeder Einstellung wie ein Fremdkörper, ihm beim „schauspielern“ zuzusehen ist wie das Betrachten eines Unfalls – das ist man schon ziemlich froh, wenn er nach ungefähr einem Drittel fürs Erste aus dem Film befördert wird.

dracula3d 11Natürlich verzichtet Argento auch diesmal nicht darauf seine Tochter in einer der Hauptrollen zu besetzen, aber auch wenn ich Asia Argento als Nebendarstellerin durchaus ertragen kann, wirkt sie als Lucy – die übrigens diesmal im Dorf unter dem gräflichen Schloss wohnt – bereits zu Beginn so blass, wie sie es eigentlich erst nach dem gräflichen Biss sein sollte. Zusätzlich ist ihr italienischer Akzent als rumänisches Landei ziemlich unpassend. Da hilft es auch nichts, dass der Pappa noch schnell eine komplett überflüssige Badeszene mit in den Film geschrieben hat, in der sie ihre Brüste zeigen darf.

dracula3d 06Rutger Hauer hingegen, der erst nach 70 Minuten Laufzeit erstmals auftaucht, ist mit vollem Eifer bei der Sache und gibt der altbekannten Figur des van Helsing, bei aller Absurdität des Scripts, einige interessante Ecken und Kanten. Vielleicht liegt das aber auch nur daran, dass der Zuschauer bis zum Zeitpunkt seines Starauftrittes bereits oft genug, vor lauter Verzweiflung über das dargebotene Debakel, mit dem Kopf auf die Tischplatte geschlagen hat.

Kommen wir jetzt aber zum Elefanten im Raum. Eine Verfilmung des Dracula-Stoffes steht und fällt natürlich mit der Besetzung der Titelfigur. Nun ist Thomas Kretschmann sicherlich ein toller Typ, so im Privatleben, und schauspielerisch hat er mich auch das ein oder andere Mal überzeugen können. Auch hier gibt er eigentlich alles – sein Dracula ist aggressiv, erotisch, zärtlich, grausam, schnell, bedächtlich, planend und instinktgetrieben. Leider aber immer gleichzeitig und in seltsamen Variationen. Aber was soll man machen, wenn einem Drehbuch und Regisseur keinerlei roten Faden für den Charakter vorgeben, da ist eine solche Leistung verzeihlich, aber...

...Moment - nochmal...

dracula3d 07...ABER...

was verdammt nochmal hat ihn geritten, Stokers klassische Zeile „Listen to them. The children of the night....“ wie einen Shakespeare-Monolog zu präsentieren?

Dieser Moment ist schwer abzuschütteln, aber kommen wir doch zum nächsten Thema, der visuellen Präsentation. Ich habe den Film ja nun zum zweiten Mal gesehen (was tut man nicht alles für Reichtum und Ruhm), beim ersten Mal auf einem fremden Fernseher und in der flachen Version. Damals kam der Film mir erheblich zu hell vor, was sich aber auf beide im vorigen Satz erwähnte Tatsachen zurückführen lassen konnte. Zumindest dachte ich das.

Nach der Betrachtung der dreidimensionalen Version – keine Angst, da komme ich noch zu – bin ich mir sicher, der verdammte Film ist VIEL zu hell. Doch nicht nur das, die Kontraste sind schwammig und die Farbqualität stimmt auch nicht. Wer immer da für die endgültige Farbkorrektur zuständig war, sollte schleunigst einen Augenarzt aufsuchen.

2017 08 04 20.45.41 

Helligkeit 43 / -7

Contrast 58 / +8

Farbe 59 / +9

Farbtemperatur:
warm

2017 08 04 20.43.18 2 

Wenn man die TV-Farbeinstellungen analog der obigen Tabelle nur minimal anpasst, wird einem klar, was Argento eigentlich geplant hatte. Denn plötzlich sehen wir – zumindest von Farbgebung und Helligkeitswerten her – einen klassischen Hammer-Horrorfilm. Sicherlich bekommen wir inhaltlich immer noch eher Ed Wood präsentiert, aber es ist angenehm, zumindest einen Fehler des Filmes beheben zu können.

dracula3d 09Nicht beheben lassen sich allerdings die unausgewogenen Spezialeffekte. Wir haben es ja mit einem Argento-Film zu tun und da muss ja nun auch schon das ein oder andere Mal Blut fliessen. Bei Dracula spritzt es dann auch ab und an recht wuchtig, unzweifelhaftes Highlight ist natürlich die – aus der Vorlage völlig unbekannte – Szene in der der Graf eine Gruppe von Rebellen niedermetzelt. Da werden Kehlen aufgeschlitzt, Fleischstücke aus Hälsen gebissen, geköpft und gespeert, dass es nur so eine Freude ist. Altmeister Sergio Stivaletti darf sich mal wieder mit Latex und Gelantine austoben und das sorgt zumindest dafür, dass er dem Regiestuhl fern bleibt, hat er sich in dieser Position doch bisher weniger als meisterlich hervorgetan.

Zusätzlich gibt es aber auch ein paar weniger toll gelungene Effekte zu „bewundern“ – und wundern ist hier so ziemlich der richtige Begriff. Eine gesunde Mischung aus computergenerierten und handgemachten Effekten ist etwas Wunderbares, man denke nur an das „Dawn of the Dead“-Remake von Herrn Snyder oder das „The hills have eyes“-Remake von Herrn Aja. Bei Dracula beginnt das Debakel mit der Eule zu Beginn, die sich im Endeffekt noch als der beste CGI-Effekt des ganzen Filmes entpuppt, und steigert sich unmerklich in Dilletanz und Schlampigkeit bis hin zur viel gescholtenen Gottesanbeterin, die mich damals sogar auf der PS2 enttäuscht hätte.

dracula3d 08Als ein ganz besonderes Highlight entpuppt sich der komplett als Grafik erstellte Bahnhof des kleinen Ortes, der zwei Mal komplett in der gleichen Einstellung im Laufe des Filmes auftaucht und dann auch noch die gleichen Statisten bietet. Genug Zeit also um die komplette Künstlichkeit zu bewundern. Das muss man sich auch erst mal trauen als Regisseur.

Aber vielleicht habe ich das alles auch nur falsch verstanden, weil ich den Film zuerst nur in der flachen Version gesehen habe, vielleicht bin ich dadurch einfach nicht in der Lage gewesen, all die Dimensionen in Argentos Hirn zu verstehen, die alle oben erwähnten Fehlentscheidungen sinvoll machen.

Die Antwort ist natürlich NEIN.

Dracula beginnt damit, dass Titel und Credits (analog schlechtestem 50er Jahre 3D) auf der Leinwand erscheinen, die ins Publikum reinragen sollen, aber nur zu Doppelbildern führen. Zusätzlich wird als Hintergrund auch noch ein statisches zweidimensionales Bild eines schlecht gerenderten Dorfes gezeigt – wahrscheinlich, damit sich die Augen darauf einstellen können. Zumindest vermute ich das, denn nachdem einige Creditzeilen auf diese Art erschienen und so schnell wieder verschwunden sind, dass selbst ich mit meinem hohen Lesetempo kaum nachkam, weil meine Augen immer erst einige Sekunden zum scharfstellen brauchten, wechselt der Hintergrund plötzlich zu einem animierten Flug durch diese detailarme Dorfkulisse, was es nahezu unmöglich macht, dem Rest zu folgen. Aber wer braucht schon einen Vorspann, ich kann mir gut vorstellen, dass einige der am Film Beteiligten sicherlich froh waren, dass ihr Name nicht leserlich auftauchte.

dracula3d 02Auch den Rest des Filmes hindurch wird es selten besser. Sicherlich versuchen Argento und sein Team immer wieder die Plastizität der Bilder hervorzuheben, in dem alles mit Vorder- und Hintergrund inszeniert ist, aber all das wirkt uninspiriert und irgendwie bei besseren Filmen abgeguckt und nicht verstanden.

Die häufigen Pop-Out-Effekte (also die Dinge, die aus der Leinwand ins Publikum ragen) funktionieren nur in Ansätzen – z.B. mit den äußerst hässlichen computeranimierten Fliegen – gehen aber meist den einen Punkt zu weit und treiben den AHA-Effekt zum „da er versuchts schon wieder“-Eindruck.

Ein wenig hilft es dem Film, wenn man analog der oben bereits erwähnten Tabelle das Bild ein wenig „natürlicher“ einstellt, einen 3D-Mehrwert kann man so aber leider nicht herzaubern.

Das liegt halt zum einen an der, speziell im Bezug auf die Technik, unispirierten Regie, zum anderen aber auch daran, dass man überwiegend zwar mit zwei Kameras gedreht hat, aber jeglichen Shot im Computer künstlich mit einer Planebene und der dazu passenden Konvergenz (erklär ich Euch später mal in einem Technik-artikel unserer 3D-Serie) versehen hat. Das führt über weite Strecken – speziell halt in den wenigen Außenaufnahmen – zu einer Künstlichkeit der Bilder analog dem klassischen Viewmaster , dass heisst wir haben es hier nicht mehr mit einem wirklich dreidimensionalen Bild, sondern mit einem Bild mit verschiedenen künstlich erzeugten Ebenen zu tun, auf dem flache Bilder zu finden sind. Schwer zu beschreiben, aber leider leicht zu erkennen.

dracula3d 01Alles in allem ist der Film, ganz simpel und verständlich gesagt, einfach nur Scheiße. Ein strunzlangweiliges, simpel gespieltes und drehbuchmässig vernachlässigtes Werk, dass man nicht einmal einem 50er Jahre Schlock-Regisseur verziehen hätte. Spannung, Humor oder visueller Ideenreichtum sind nicht vorhanden, Dracula funktioniert noch nicht einmal als Baddie wirklich, da er nicht einmal unfreiwillig unterhaltsam ist.

Allerdings muss man die 3D-BluRay von Koch Media in allen Belangen loben, den neben dem furchtbaren Hauptfilm bietet sie doch etliche interessante Extras.

Das beginnt mit einem 5-Minütigen 3D-Video der Band „The Simonetti Project“ zum Hauptthema des Filmes, das ein besseres und funktionaleres 3D bietet als der ganze Film. In einer einstündigen Dokumentation über die Dreharbeiten (ebenfalls in „natürlichem“ 3D) gibt es tatsächlich mal tiefe Einblicke in die Produktion eines dreidimensionalen Filmes, bei denen man bei Interesse einiges über die Technik lernen kann, die dahinter steckt, oder zumindest darüber wie das fertige Produkt geplant war. Auch Latexjongleur Stivaletti kommt hier zu Wort und darf einige seiner Behind The Scenes Shots präsentieren. Ebenso wird Drehbuchautor Antonio Tentori in seinem Interview nicht müde immer wieder zu erwähnen, dass viele Ideen im Script (und unter anderem die Gottesanbeterin) direkt von Meister Argento selbst stammen. Zusätzlich gibt es noch einen Mitschnitt eines Panels vom Slash-Filmfest wo Argento damals den Film erstmals außerhalb Italiens vorstellte und das offensichtlich vor der Vorführung stattfand. Ich schätze mal nachher hätten sie ihn mit Fackeln und Mistgabeln aus der Stadt getrieben.

Da die Scheibe zur Zeit bei Amazon für unter 8 € zu bekomen ist und da die 3D-Dokumentation für jeden Technikfreak sicherlich eine gute Sammlungsergänzung ist, gebe ich hiermit eine halbe Kaufempfehlung ab. Für den Film selbst lohnt es sich definitiv nicht.

So, und jetzt muss ich zur Entspanung erst nochmal Suspiria gucken um den Dreck von den Augen zu spülen.


dia

 

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