Creepshow (1982) Die unheimlich verrückte Geisterstunde
Regie: George A. Romero
Buch/Vorlage: Stephen King
Comic-Adaption: Bernie Wrightson
Musik: John Harrison
Darsteller: Hal Holbrook, Adrienne Barbeau, Leslie Nielsen, E.G. Marshall, Ed Harris, Stephen King
Der dritte (bzw. wenn man den TV-Mehrteiler „Salem’s Lot“ mitzählt vierte) Stephen King-Film ist schon allein deshalb bedeutsam, weil nun erstmals ein von ihm selbst stammendes Drehbuch als Vorlage diente. Außerdem stellte „Creepshow“ die erste Zusammenarbeit mit seinem Freund George A. Romero dar – die Chancen standen also gut, dass King durch dieses deutlich größere Mitspracherecht seine künstlerischen Visionen adäquater auf der Leinwand umgesetzt sehen konnte als noch zuvor bei „The Shining“, der trotz seiner unzweifelhaft vorhandenen Qualitäten stets King’s Missfallen erregte.
Insgesamt – und vermutlich auch durch den zeitlichen Abstand – erweist sich „Creepshow“ allerdings als ein etwas zwiespältiges Vergnügen. Dies liegt zum einen daran, dass King keine Drehbucherfahrung hatte und im Grunde genommen auch heute noch deutlich schlauere Romane als Drehbücher verfasst (man vergleiche hierzu nur die beiden „Shining“-Verfilmungen, deren neuere trotz King-Script definitiv nicht die bessere ist), und auch daran, dass man sich für einen Anthologiefilm entschied, der neben gelungenen Episoden zwangsläufig auch weniger großartige Geschichtchen präsentierte. Dies hat allerdings auch damit zu tun, dass man bei insgesamt fünf grotesken Stories in rund 120 Minuten schon aufgrund der Laufzeit nicht allzu sehr in die Tiefe gehen kann, weshalb manches einfach ein wenig hastig und oberflächlich heruntergespult wirkt. Andererseits versteht sich „Creepshow“ aber ausdrücklich als liebevolle Hommage an alte Horrorcomics („Tales from the Crypt“ oder „Vault of Horror“) aus dem Hause EC, so dass einige der trashigeren Aspekte des Films durchaus gewollt sein dürften.
Mit "Father's Day" fängt es dann auch gleich mal an der Grenze zur Lächerlichkeit an, wenn ein Zombie sich die schon seit Jahren überfällige Vatertagstorte (abgetrennter Kopf mit Kerzen drauf) beschafft. Scheinbar wollte Romero hier seine eigenen Klassiker (Night of the Living Dead, Dawn of the Dead) persiflieren. Es ist jedenfalls nicht sehr empfehlenswert, Whiskey („Lebenswasser“) auf Gräber zu schütten.
In "The Lonesome Death of Jordy Verrill" wird der King selbst als debiler White Trash-Trottel von einer außerirdischen Grünzeugs-Invasion heimgesucht und demonstriert, dass er definitiv KEIN Schauspieler ist. Durch seine Ähnlichkeit mit Jerry Lewis passt er aber irgendwie ganz gut in diese unheimliche Begegnung der ökologischen Art.
"Something to Tide You Over" hingegen gibt Leslie Nielsen die Gelegenheit, mal nicht den vertrottelten Frank Drebin zu mimen, sondern als sadistischer Videojunkie so richtig aufzutrumpfen, bevor er sein verdientes Fett wegkriegt. Die Idee, untreue Gattinnen nebst Liebhaber (Ted Danson) bis zum Hals im Strand einzugraben und dann auf die Flut zu warten um das Ganze schlussendlich auch noch zu filmen, hat aber definitiv was.
Der Entsorgung lästiger Gattinnen dient auch "The Crate". In der titelgebenden Kiste sitzt nämlich der bissige Verwandte des tasmanischen Teufels, und wehe er kommt raus.
Das Highlight ("They're Creeping Up on You") kommt allerdings zum Schluss: Der aussichtslose Kampf eines unter Reinlichkeitszwang à la Howard Hughes leidenden Misanthropen gegen eine stattliche Anzahl Kakerlaken, die sich sein keimfreies Appartement als Nistplatz ausgesucht haben, macht wirklich Spaß. Vor allem wenn man ekeliges Krabbelgetier gerne hat, denn anders als heutzutage zeigt Romero keinen braunen Pixelbrei aus dem Computer sondern viele (VIELE!) echte Plagegeister.
Eingerahmt werden diese Episoden noch von einer sehr selbstironischen Rahmenhandlung, in der ein besorgter Vater seinem Sohnemann aus pädagogischen Gründen eine Ausgabe des fiktiven Comicmagazins „Creepshow“ abnimmt und auf den Müll wirft. Tatsächlich waren diese fiesen Comicheftchen in den 50er Jahren ein handfester Skandal und veranlassten eifrige Jugendschützer schließlich zum Erlass strenger Reglementierungen. 1954 wurde die „Comics Code Authority“ ins Leben gerufen, um dem vermeintlichen Schund Einhalt zu gebieten. Was in den 60er Jahren schließlich zum Siegeszug des auch heute noch im Comicbereich vorherrschenden asexuellen und weitgehend gewaltfreien Superheldenquarks führte (nichts gegen Superhelden, aber aus kreativer Sicht war das einfach ein deutlicher Rückschritt).
Noch hintersinniger ist allerdings der Verweis des pfiffigen Söhnchens auf Vaters Sexheftsammlung, denn insbesondere zu Beginn seiner Karriere publizierte King seine Stories häufig in freizügigen Herrenzeitschriften wie Penthouse oder Cavalier, darunter auch die Vorlagen zu „The Crate“ (deutsch in „Das Stephen King Buch“, herausgegeben von Joachim Körber) und „The Lonesome Death of Jordy Verrill“ (unter dem Titel „Weeds“; wurde leider noch nicht übersetzt). Gewissermaßen zeigen King und Romero dadurch auf, wie grundlegend sich die Marktsituation für Horrorstories in rund 30 Jahren geändert hat und dass Sex und Tod teilweise auf recht merkwürdige Art und Weise zueinander in Beziehung stehen.
Lässt man kleinere inhaltliche Unschlüssigkeiten einmal außen vor, gilt für „Creepshow“ im Kern nämlich das Gleiche wie für die klassischen Gruselcomics: erzählt werden Geschichten über die teilweise seltsame Welt der Erwachsenen mit ihren öden Stehparties und noch öderen Teegesellschaften, Eheschwierigkeiten und sozialen Problemen, in die der Blickwinkel des jugendlichen Lesers das Element des Übernatürlichen als eine Art moralisches Korrektiv hineinfabuliert.
Man kann zwar darüber streiten, ob der auf einer Müllkippe hausende Schwachkopf Jordy seinen lästigen Pflanzenbewuchs verdient hat (vom puritanischen Standpunkt aus ein klares „Ja!“), aber der vulgären Nervensäge aus „The Crate“, dem Misanthropen mit Wanzenphobie und all den anderen niederträchtigen Charakteren widerfährt im Sinne dieser plakativ moralischen Lektionen im Grunde genommen genau das Richtige. Was die fünf Episoden bei aller schwarzhumorigen Zuspitzung in die Nähe von Märchen rückt; ebenso wie das Werk von Stephen King insgesamt zumindest bis etwa zum Ende der 80er Jahre eine Form von nicht ganz jugendfreier Jugendliteratur darstellt. Ein Umstand, der hierzulande allzu oft übersehen wird und im Falle von „Creepshow“ mit einer Indizierung als geradezu lachhafter Schlusspointe endete – denn durch die formaljuristische Gleichsetzung mit Pornographie schließt sich der Kreis zu den schmuddeligen Hupenmagazinen.
Dabei lehnt sich der Film auch formal stark an die Ästhetik von Comics an: Die Vorspanncredits sowie die Überleitungen zwischen den Episoden wurden als kleine Zeichentricksequenzen gestaltet, in denen der Wind das „Creepshow“-Heftchen durch die Gegend weht und zur nächsten Geschichte blättert, die Bildgestaltung orientiert sich durch die eher statische Kamera, die Verwendung von Splitscreen und gelegentliche Umrandungen (vor allem Flashbacks werden durch dieses Stilmittel kenntlich gemacht) stark an Panels, und schließlich werden insbesondere die Gewaltszenen (Effekte von Tom Savini, der einen Gastauftritt als Müllmann hat) durch halluzinogene Ausleuchtung in grellen Farben und vor gezeichneten Hintergründen optisch so stark verfremdet, dass der comichafte Charakter des Ganzen offensichtlich wird.
Das eigentliche Trauerspiel an „Creepshow“ ist allerdings die Geschichte der deutschen Veröffentlichungen. Im Kino wurde aus Zeitgründen mit „Something to Tide You Over“ ausgerechnet eine der besten Episoden entfernt, in den gekürzten FSK 16-Fassungen fehlt noch mehr. Außerdem existieren zwei unterschiedliche Synchronisationen und auf den meisten DVDs gibt es die schlechtere zu hören. Am qualitativ besten schneidet noch ein Bootleg ab, das den Film immerhin im korrekten Bildformat und mit der Kinosynchronisation präsentiert, doch auch hier ist das Bild stellenweise ziemlich unscharf und verwaschen, so dass der Gesamteindruck ebenfalls eher hässlich ist.
Bis zur hoffentlich baldigen Listenstreichung und Neuauflage kann man als Fan aber zum schön gezeichneten gleichnamigen Comic von Bernie Wrightson greifen. Dort funktionieren die Stories sogar noch einen kleinen Tick besser.
Alexander
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