(USA 1976) Regie: Brian De Palma Musik: Pino Donaggio Vorlage: Stephen King Drehbuch: Lawrence D. Cohen Schnitt: Paul Hirsch Darsteller: Sissy Spacek, Piper Laurie, Amy Irving, William Katt, John Travolta, Nancy Allen, P.J. Soles
Als der Film damals, im April 1977, mit der Freigabe „ab 18 Jahre“ in den deutschen Kinos startete, hatte ich gerade meinen 15. Geburtstag gefeiert. Ein bis zwei Jahre zuvor wäre das mit Sicherheit kein Problem für mich gewesen, da lebte ich noch in einem Arbeiterviertel in Düsseldorf und hatte ein kleines (immerhin 500 Plätze) Stadtteilkino in direkter Nähe, dessen Betreiber in Sachen Jugendschutz eine eher „leben und leben lassen“-Einstellung hatte und nur ab und an – z.B. beim „Exorzist“ – wegen angedrohter Kontrollen mal die Tür vor seinem Stammpublikum verschlossen hielt. Mittlerweile wohnte ich allerdings in einem kleinen Dorf tief im „hohen Westerwald“, konnte nur noch selten die alten Jadgreviere besuchen und irgendwie lief der Film dann nicht in „meinem“ Kino, so dass ich vorerst mit Stephen Kings Buchvorlage vorlieb nehmen musste. Zu Gesicht bekam ich die Filmversion dann letztendlich irgendwann zum Ende des Jahres hin im Kino der, von unserem Dorf acht Kilometer entfernten, Kurstadt, wo man in den Wintermonaten, in Ermangelung von Kurgästen, dann auch mal ein Auge zudrückte um den kleinen Saal voll zu bekommen. Somit war „Carrie“ tatsächlich der erste Film, den ich jagen musste und es sollte bei weitem nicht der letzte bleiben. Auf jeden Fall war ich, als ich dann endlich auf dem ungemütlichen Holzklappstuhl im 50er Jahre Design saß, bereits ziemlich gehypet, ob wohl es dieses Wort damals im deutschen Sprachgebrauch noch nicht gab.
Hey, ich war 15, sagt mir nicht ihr hättet in dem Alter keine gewalttätigen Tagträume gehabt.
Auf alle Fälle drückte mich der Film über weite Strecken tief in den Kinostuhl (Sessel waren damals noch eher unbekannt in Lichtspielhäusern).
Ebenso fasziniert war ich von der Hauptdarstellerin Sissy Spacek, die natürlich von der Figur her eigentlich nicht der Buch-Carrie, die ja eher dicklich war, entsprach, aber einen erheblichen Mut zur Hässlichkeit hatte und die den Wandel vom Mauerblümchen zum Racheengel großartig darstellte. Sie sollte ebenfalls über Jahre hinweg zu meiner absoluten Lieblingsdarstellerin werden und auch wenn sie zwischenzeitlich komplett von der Bildfläche verschwand, bin ich immer wieder erfreut sie heute in kleineren Nebenrollen zu sehen – und immer noch bewundern zu dürfen.
Was „Carrie“ aber tatsächlich zu einem so besonderen Film macht, ist die Art und Weise, wie er den zukünftigen Stil Stephen Kings, der ja im Buch noch deutlich in einer Art Entwicklungsphase war, bereits vorwegnahm. Die Figuren waren zumeist liebenswert, ihre Handlungen nachvollziehbar, doch sie alle befanden sich von der ersten Filmminute an auf einer Abwärtsspirale, die unweigerlich in einer Katastrophe enden musste. Einzig und alleine die, von der großartigen Piper Laurie gespielte, religiös fanatische Mutter von Carrie war hier eindimensional dargestellt, aber auch das war im Buch nicht anders.
Zusätzlich sorgte „Carrie“ aber auch dafür, dass ich begann mich intensiver mit der Technik des Filmemachens auseinanderzusetzen, denn offensichtlich war Brian De Palma ein Regisseur, der sich nicht scheute auch mal neue Wege zu gehen und Arten der Darstellung zu wagen, die im etablierten Hollywoodkino verpönt waren. Dazu zählten natürlich der offensichtlich – und natürlich ein wenig gimmickartige – Einsatz von Split-Screens, der in jedem seiner frühen Filme eine wichtige Rolle spielte, allerdings bei „Carrie“, im Gegensatz zu seinem früheren Psychothriller „Sisters“ (1973), bereits etwas zurückgefahren wurde.
Generell sollte man auch die Funktion der Musik in „Carrie“ nicht unterschätzen, denn so wie man De Palma in frühen Jahren immer wieder ungerechtfertigter Weise vorwarf, er würde nur sein Vorbild Alfred Hitchcock imitieren, so wurde auch Donaggio eine lange Zeit als der „italienische Bernhard Herrmann“ bezeichnet.
Aber ich schweife ab, was bei diesem Thema und meiner Liebe zum Frühwerk beider Künstler allerdings auch kein Wunder ist. Ich werde auf dieses Thema aber sicherlich noch einmal genauer eingehen, wenn wir bei EVIL ED die De Palma-Themenwochen einläuten.
Die Fortsetzung (furchtbar und unnötig), die TV-Version (langweilig und noch unnötiger) und das Remake (überraschend gut, vor allem im Finale) erwähne ich hier nur der Vollständigkeit halber, wer „Carrie“ erleben will muss zum Original greifen. dia
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