The Wailing (2016) Südkorea Regie/Drehbuch: Hong-jin Na Darsteller: Do-won Kwak, Jung-min Hwang, Jun Kunimura
„Seht meine Hände und meine Füße, ich bin's selber.
Schon wieder geht EVIL ED mit Euch auf eine Reise – diesmal, wie schon sehr oft, nach Südkorea, ein Land, dass in den Dekaden vor der Jahrtausendwende eher dafür bekannt war, sich – analog zu Italien in den 1980ern – immer an erfolgversprechende Filmwellen heranzuhängen und eigene – durchweg billige – Ripofs zu präsentieren. Spätestens aber seitdem Regisseure wie Joon-ho Bong („The Host“ 2004, „Snowpiercer“ 2013, „Okja“ 2017) und Chan-wook Park („Oldboy“ 2004, „Thirst” 2009, "The Handmaiden" 2016) auch international erfolgreich sind, hat sich dort eine tatsächlich sehr eigenständige Filmsprache mit hohem Wiedererkennungswert entwickelt. Egal in welchem Genre, koreanische Regisseure legen sehr viel Wert darauf, dass das menschliche Drama in ihren Werken im Vordergrund steht. So ist in „The Host“ das Monster nur Auslöser dafür, das eine wunderschöne Familiengeschichte erzählt wird und das gesamte dramatische Potential von „Oldboy“ entfaltet sich beim ersten Sehen erst in den letzten Sekunden des Filmes, schwebt aber bei jeder weiteren Sichtung wie ein Damoklesschwert über dem Zuschauer. Mit „The Wailing“ legt nun Regisseur und Drehbuchautor Hong-jin Na nach seinen Erfolgen mit „The Chaser“ (2008) und „The Yellow Sea“ (2010) nochmal eine Schippe drauf und versaut mir somit all die schönen Witzchen, die ich mir schon zum Thema „jammern“ und „rumheulen“ zurecht gelegt hatte. Aber es wäre ja auch jämmerlich, einen Film runter zu machen, der auf Rotten Tomatoes mit einem Rating von 99% verankert zu sein scheint und der selbst auf der eher „fannisch“ zu nehmenden IMDB noch mit einer kraftvollen 7.5/10 daherkommt. Dabei ist die erzählte Geschichte weder besonders originell noch in irgendeiner Form weltbewegend. In einer kleinen Gemeinde in der Nähe von Seoul beginnen einige Leute sich seltsam zu benehmen, was teilweise dafür sorgt, dass sie ihre Angehörigen in einem plötzlichen Blutrausch umbringen. Der rundliche Polizist Jong-goo (Do-won Kwak) und sein Kollege Il-gwang (Jung-min Hwang) vermuten – ebenso wie das halbe Dorf - dass ein erst vor kurzem hinzugezogene alte Japaner (Jun Kunimura) an den Vorkomnissen beteiligt ist. Während unsere beiden Helden versuchen dem alten Mann irgendetwas nachzuweisen, verschlimmert sich unmerklich die Situation im Dorf. Immer mehr Leute erkanken, es kommt zu immer wahnwitzigeren Zwischenfällen. Das klingt schwer nach einem weiteren Virus-Zombiefilm, wie man sie schon zu gefühlt tausenden gesehen hat, wechselt aber recht schnell die Richtung und katapultiert sich innerhalb sehr kurzer Zeit ganz weit fort von allem Einheitsbrei. Dabei ist der Einstieg in diesen 150 Minuten langen Film sogar recht sperrig für eher europäisch/amerikanisch geeichte Kinozuschauer, denn dort gibt es einige Beispiele des ganz eigenen asiatischen Humors und der reizt eher mein Fremdschämzentrum als mein Zwerchfell. Doch bereits in diese ersten 30 Minuten beginnt der audiovisuelle Sog des Filmes damit, den Zuschauer einzulullen. Die langsamen, durchkomponierten Bilder, der eher subtile hypnotische Soundtrack arbeiten zusammen mit der gefühlten Realität der Bilder. Zusammen mit unseren beiden Helden werden wir immer tiefer in dieses Puzzle hineingezogen, wir werden den ganzen Film über niemals mehr wissen als sie und erleben das Grauen sozusagen durch ihre Augen. Das wird dann besonders unangenehm, wenn Jong-goos Tochter ungefähr in der Filmmitte an der unheimlichen Krankheit zu leiden beginnt (die offiziell als eine Folge schlechter Pilze dargestellt wird) und sich fortan gebährdet wie Regan MacNeil. Hierfür haben dann logischerweise weder die hinzugezogene Doktorenschaft, noch der christliche Priesteranwärter oder der örtliche Schamane eine Erklärung oder ein funktionierendes Hilfeangebot. Wie gesagt wird auch der Zuschauer den kompletten Film über im Ungewissen gelassen. Ist das ganze eine Massenpsychose, ist vielleicht wirklich etwas dran an der Pilzgeschichte, haben wir es mit Fällen von Besessenheit zu tun oder ist doch etas ganz anderes der Grund für all das Grauen? Ebenso wie der vergleichbare „The Exorcist“ gibt auch „The Wailing“ keine endgültigen und klaren Antworten und auch in anderen Punkten erinnert vieles in dem Film an Friedkins Klassiker des Horrorfilms. Das beginnt mit der visuellen Gestaltung – wie bereits erwähnt sind die Bilder alle sehr schön durchkomponiert, weite Strecken des Filmes bestehen aus echten Außenaufnahmen und wir bekommen durchgehende eine „natürliche“ Beleuchtung geboten, was die wenigen optischen Schocks erheblich wirkungsvoller macht. Den auch wenn man das bei einem aisatischen Film eher anders erwarten würden, hält sich „The Wailing“ in punkto Gewaltdarstellung eher zurück und zeigt generell zumeist nur das „Nachher“. Das soll aber nicht heißen, dass er keine Angst erzeugen kann und nicht unheimlich wäre, denn auch in dieser Beziehung bedient sich Hong-jin Na deutlich beim Vorbild und erzeugt mit interessanten Bild- und Tonkombinationen ein unterschwelliges fieses Grauen, dass sich im Zuschauer festsetzt. Zwischenzeitlich bombardiert er uns dann mit Sequenzen, die tatsächlich nahezu unterträglich erschreckend sind, wie zum Beispiel eine Beschwörung des Schamanen, die mit der Reaktion des zu exorzierenden Mädchen parallel geschnitten ist.
Regisseur Hong-jin Na hat Friedkins Exorcist nicht nur gesehen, sondern vor allem
Sicherlich wird „The Wailing“ nicht jeden Horrorfilmfan überzeugen können, wie auch „The Babadook“ oder „The VVitch“ wird er die Lager spalten. Wer in der Lage ist, sich 150 Minuten von einer düsteren Atmosphäre einfangen zu lassen und für den Horror mehr ist, als nur zerrissene Menschen und Blutgespritze, wird sicherlich auf seine Kosten kommen – und für die anderen gibt es ja immer noch die „Saw“-Filme und ähnliche Metzelorgien. Pierrot le Fou beweist somit (nach dem ebenfalls großartigen "Night of the Virgin") wieder einmal mehr ein sicheres Händchen bei der Auswahl außergewöhnlicher Genrestoffe. Ich freue mich schon auf den kommenden Kinobesuch, vor allem aber auch auf die Veröffentlichung (geplant 23. Februar 2018) als Nummer 11 im Rahmen der "Uncut Mediabook-Reihe" und speziell auf hoffentlich eine Menge Extras, die mir mehr Infos über die Hintergründe des Filmes bieten können.
dia
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