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(UK / Belgium / Ireland 2015)

High-Rise

Regie: Ben Wheatley

Buchvorlage: J.G. Ballard

Darsteller: Tom Hiddleston, Jeremy Irons,

Sienna Miller, Luke Evans

 

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J.G. Ballards Romanvorlage erschien 1975 in England und nutzte sein Setting – ein damals ultramodernes Hochhaus – als Grundlage für eine bitterböse Parabel auf den Zerfall der modernen Gesellschaft. Als das Buch auf 1982 auf deutsch als „Der Block“ erschien traf es natürlich genau meinen, in den 70ern von Punk und Rebellion geprägten Geschmack. Nach außen damals mittlerweile als nützliches Gesellschaftsmitglied angekommen, konnte ich so in meiner Phantasie meiner zynischen Weltsicht auch weiterhin freien Lauf lassen.

Ebenso verhält es sich heute mit meinem Faible für die seltsamen Filme von Ben Wheatley. „Kill List“ (2011), „Sightseeers“ (2012) und „A field in England“ (2013) sind mit Sicherheit keine Massenware und von ihren Spannungsbögen her eher unkonventionell inszeniert, aber – vor allem in Bezug auf ihre geringen Budgets – visuell überraschend und voller schwarzem Humor und triefendem Sarkasmus. Hier entpuppt sich gerade die bitterböse Satire „Sightseers“ noch als das zugänglichste Werk, da er zumindest einer normalen 3-Akt-Story folgt.

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So war es für mich besonders interessant zu sehen, wie eine Ballard-Verfilmung aus der Hand des seltsamen Engländers aussehen würde.

Von der ersten Einstellung an, in der auch gleich der Einleitungssatz des Buches zitiert wird, ist sofort klar, dass Wheatley sich auch dieses Mal nicht dem Massengeschmack anpassen will. Im Gegensatz zu der mittlerweile in Literaturverfilmungen üblichen Anpassung an moderne Gegebenheiten (hier machte sich selbst der großartige David Cronenberg in seiner Ballard-Adaption „Crash“ schuldig), spielt „High-Rise“ tatsächlich in den 70ern.

In Kürze zusammengefasst geht es in Buch und Film um den jungen Kriminalpsychologen Laing (Tom Hiddleston), der in ein ultramodernes Hochhaus zieht und dort zuerst einmal seine Mitbewohner (ein wildes Panoptikum aus seltsamen Figuren) kennenlernt. Hier stellt sich schnell heraus, dass es in dem Haus ein nach Etagen unterteiltes Kastensystem gibt, in dem die Unterschicht die unteren Etagen, die Mittelschicht die mittleren und die Oberschicht – gekrönt vom Penthouse des Architekten (Jeremy Irons), das einen riesigen Garten aufweist in dem sogar ein Pferd zu Hause ist. Ansonsten bietet der hässliche Betonklotz alles was man zum Leben braucht, begonnen vom hauseigenen Supermarkt bis hin zu einem Schwimmbad. Schnell wird das Haus zum Zentrum von Laings normalem und Liebes-Leben.

high03Dem Zuschauer wird allerdings bereits in dieser frühen Phase des Filmes klar, dass die anfangs als homogen erscheinende Welt im Haus bröckelt. So stehen auch nach Wochen die Umzugskartons unseres Protagonisten immer noch ungeöffnet mitten in seiner Wohnung, er verlässt das Haus nur noch um zur Arbeit zu gehen – wobei gehen hier die richtige Vokabel ist, da er bereits nach einigen Tagen sein Auto nicht mehr auf dem riesigen Parkplatz wieder findet und zwischen einzelnen Fraktionen der Bewohner kommt es zu immer mehr Konflikten. Wird uns diese Degeneration der Gesellschaft anfangs noch langsam deutlich so bricht, nach einer visuell überragenden Montage in der Mitte des Filmes, das komplette Chaos aus und das Innere des Hochhauses wird plötzlich zu einem Kriegsgebiet. Kein einziger Charakter verhält sich nun mehr normal, der anfangs unterschwellige Klassenkampf endet in totalen Chaos und Wahnsinn und ähnelt dabei doch sehr Cronenbergs "Shivers", der ja bekanntlich unter dem Einfluss von Ballards Buch gedreht wurde. Wer hier wen beeinflusst hat ist allerdings eher unwichtig, denn auch wenn Cronenberg damals in Interview erwähnte, dass er Ballards Buch – damals gerade weltweit ein Bestseller - natürlich kannte und während des Drehs las, sind die Parallelen zwischen Handlung und Handlungsort zu weiten Teilen einfach Zeichen der damaligen Zeit. Denn das Leben in kleinstadtmässigen Betonklötzen wurde damals als die Lebensform der Zukunft angesehen und sowohl Ballard als auch Cronenberg prophezeiten einen späteren Zusammenbruch dieser erzwungenen Lebensgemeinschaften in ähnlicher Form. 

„High-Rise“ ist mit Sicherheit kein Film für die breite Masse. Er bietet keine klaren und eingängigen Identifikationsfiguren, keinen einfachen und logischen Handlungsaufbau und abgesehen von etlichen unangenehmen Schocksszenen auch keinerlei sogenannte Action. Nicht von ungefähr entpuppt sich ein Kaleidoskop als tragendes Element in all dem visuellen Wahnsinn. Er ist halt eher eine politische Allegorie als eine Unterhaltungsgeschichte, wer bereit ist, sich darauf einzulassen wird aber durchaus etliche Denkanstöße in ihm finden.

high04Wie bereits in „A Field in England“ absehbar ist auch hier der Humor eher von der extrem galligen Sorte. Wenn sich beim Zusehen mal ein Lacher breit macht, dann hat man als Zuschauer spätestens einige Sekunden später deshalb ein recht mieses Gefühl.

Hervorzuheben ist hier auf alle Fälle das Produktion-Design, denn die kahle Betonwelt des Hochhauses ist perfekt umgesetzt, der Zerfall derselben mit einer Finesse und Detailverliebtheit inszeniert die höchst beeindruckend ist. Auch von schauspielerischer Seite bekommt man hier – bis in die kleinste Nebenrolle – exzellentes geboten, wobei hier natürlich Tom Hiddleston und Jeremy Irons besonders hervorstechen.

Ob dieses Review nun eine Empfehlung ist oder nicht muss jeder für sich selbst entscheiden, für Leute, die sich mal ein paar nette Stunden vor dem Bildschirm machen wollen ist „High-Rise“ sicherlich weniger gut geeignet. 

dia

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