Hell´s Highway (2002) Bloody Highway
Ich drehe mich zu ihr und blicke in ein Gesicht das irgendwie gefangen ist in einer Mischung aus Abscheu und absolutem Unverständnis. 80 Minuten lang war sie -gewollt und von mir definitiv gewarnt- in meine Welt abgetaucht. „Und,“ frage ich vorsichtig, „was sagste?“ „Hmmh,“ hmmht sie, „ das ist schon ganz schön derb.“ Unsicher betrachtet sie nochmal das Cover der DVD. „Bloody Highway – dieser Trip ist die Hölle“, vorne ein Mädel in Shorts das eine Kettensäge schwingt und hintendrauf eine Collage aus vier Fotos, von denen drei ganz deutlich SPLATTER sagen. „Hattest du was anderes erwartet? Ausserdem hab ich dich gewarnt das der Film nun definitiv keine Einsteigerware ist. Der Unterschied zwischen dem hier und deinem heissgeliebten „The Ring“ ist ungefähr so wie der zwischen „Bilitis“ und nem Hardcore-Porno.“ Ich muss unwillkürlich grinsen – Bilitis mochte sie schließlich auch. „Ja aber die Story - ich mein die Anhalterin wird von dem Priester zerstückelt, steht dann scheinbar wieder aus dem Grab auf, zerfetzt ihm den Kopf und beginnt dann wahllos irgendwelche Leute abzuschlachten. Zwischendurch wird sie dann noch in Stücke gerissen, überfahren, mehrfach angeschossen und bekommt den halben Kopf weggerissen. Das ist nicht grade hochgeistige Ware, oder?“ „Nö,“ grinse ich, „das hatte ich auch nicht erwartet bei einem Film der mit der Videokamera irgendwo auf nem Highway gedreht wurde.“ „Und das alles so billig,“ fährt sie fort. „Die Explosion der Tankstelle riecht förmlich nach Plastikmodell und einige der blutigen Szenen sind auch nicht so toll, oder?“ „Klar – da kann ich dir nicht widersprechen. Ich schätze mal das teuerste war der Gastauftritt von Ron Jeremy.“ „War das der, der kastriert wurde? Warum hast du eigentlich da so gejubelt?“ Ups, jetzt war ich aber in einer Zwickmühle. Ron Jeremy ist der kleine Dicke, den MANN immer wieder in diesen etwas absonderlichen Pornos sieht, die mehr an Akrobatik als an abgefilmte Sexszenen erinnern. Solch einen Kerl in einem Film seines „Instrumentes“ zu berauben hat schließlich etwas ironisches. Aber ich wäre ja nicht ich, wenn ich nicht schnellstmöglich auch hier eine Lösung finden würde. „Der spielt immer so seltsame kleine Rollen in billigsten Splatterfilmen.“ presse ich heraus – und erzähle damit noch nicht einmal die Unwahrheit, sind Jeremys Gastauftritte doch in vielen Splatterwerken die Sahne auf dem Kuchen. Sie lächelt. „Irgendwie hab ich das Gefühl da steckt mehr hinter. Aber egal, trotzdem, das alles ist schon schwer menschenverachtend wenn man da mal drüber nachdenkt, oder?“ „Tja sicherlich -WENN man drüber nachdenkt, aber glaubst du denn der Film ist zum Nachdenken gemacht?“ „Natürlich nicht, aber...“ „Kein aber – Gegenfrage: Hast du dich gelangweilt?“ ich setze einen unschuldigen Blick auf. „Aehhh,“ sie denkt lange nach – das ist gut, „Nein, irgendwie nicht, das war alles so eklig und übertrieben – aber nicht langweilig.“ „Siehste,“ grinse ich und wechsle zu meinem weltberühmten Dackelblick, „und abgesehen vom Anfang hast du eigentlich auch immer hingeguckt, also so eklig wars dann ja wohl doch nicht.“ „Ja, das war ja auch alles so überzogen und unrealistisch – ich wollte einfach sehen, wie weit die noch gehen.“ „Und – wars weit genug?“ „Naja, ich kann eigentlich immer noch nicht glauben WAS die alles mit den Schauspielern machen. Manches Mal hat mich das an eine Zaubershow erinnert – all die Tricks und so.“ „Willkommen in der Welt des Grand Guniol kann ich da nur sagen. Der moderne Splatterfilm ist halt nichts anderes als die Fortführung der französischen Gewalttheatertradition mit anderen Mitteln. Auch dort gab es keine Geschichte, sondern nur eine Abfolge von blutigen Zerstückelungen - die Tricks waren die Stars. Bloody Highway unterscheidet sich davon nur das anstelle der Guillontine die Kettensäge benutzt wird.“ „Wow, du kannst aber auch alles schönreden.“ Sie grinst und rückt näher. „Das lernt man, wenn man wegen seines Filmgeschmacks immer als Perversling verurteilt wird. Und jetzt...“ Ich schaue tief in Ihre Augen. „Und jetzt gucken wir Garden State – hast du versprochen.“ Ein wenig grummel ich schon, als ich mich zum DVD-Player begebe und die Scheibe wechsle, aber andererseits hab ich ihr wieder einen Einblick in mein Leben gegeben und zusätzlich bewiesen, das sich selbst ein Splatterepos wie „Bloody Highway“ als Datefilm eignet. Man muss es halt nur richtig angehen.
Zum Abschluß noch ein kleiner Tech-Check: Die besprochene „Bloody Highway“-DVD ist bereits seit 2010 auf dem Markt und ist sowohl unzensiert, als auch ohne jegliche FSK-Freigabe, so dass er heute wohl als so etwas wie eine Rarität gelten muss. Zusätzlich zum Hauptfilm, der sowohl in der Originalfassung als auch in einer -nahezu pornomässig schlechten – Synchro vorliegt findet sich auch noch ein nettes und lustiges Making Of auf der Scheibe, das zeigt das auch die Macher einen Heidenspass an der ganzen Sache hatten. Nochmals eine Warnung – das ist wahrlich kein Film für Splatter-Einsteiger, sondern ganz hoch am oberen Ende der Skala einzuordnen. Für Fans allerdings gibt es kaum was unterhaltsameres als diese nahezu pausenlose Effektorgie.
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