Dark Heritage: The Final Descendant / Mansión satánica (USA 1989) Regie: David McCormick grob basierend auf "The Lurking Fear" von H.P. Lovecraft Darsteller: Mark LaCour, Tim Verkaik, Eddie Moore
„The Lurking Fear“[1] ist eine der Geschichten aus der Feder von H. P. Lovecraft, die es den Filmschaffenden besonders angetan hat. Mit insgesamt drei mehr oder minder vorlagengetreuen Adaptionen rangiert sie gleich hinter den bisher vier Versuchen „The Colour Out of Space“ auf die Leinwand oder zumindest den Bildschirm zu bringen[2] – nur schafft es leider keiner dieser Anläufe, die (um ehrlich zu sein nicht gerade berauschende) Qualität eines „The Curse“ oder „Die, Monster, Die!“ zu erreichen oder gar wie „Die Farbe“ zum Beinahe-Meisterwerk zu werden. Stattdessen ist Low-Craft der trashigen Sorte angesagt wenn die Furcht lauert. Die DVD-Veröffentlichung der ältesten „Lurking Fear“-Variante macht daraus auch keinen Hehl: wer sich einen Film anschaut, den ein Label namens „Cineastic Nightmares“ in der Reihe „Trash Treasures“ herausgebracht hat, kann sich definitiv nicht über mangelnde Warnhinweise beklagen. Andererseits schrecken selbst eklige Ekelbildchen keinen gestandenen Raucher ab, weshalb ich mich mit einem Päckchen Mehari’s und meiner kaffeegefüllten Darth Vader-Tasse bewaffnet in die Labyrinthe des kosmischen Grauens begab, um mich einmal mehr der filmischen Verhunzung klassischer Schauerliteratur zu stellen (und an dieser Stelle nachschiebe: Kinder, lasst das sein! Tabak ist schädlich und der Film sowieso erst ab 18!) Und tatsächlich lauert die Furcht schon im Vorspann, denn neben durch die Bank unbekannten Namen von Leuten, die seitdem nie mehr vor oder hinter der Kamera herumstümpern durften (mit Ausnahme von Producer-Director David McCormick, der später hauptsächlich für TV-Produktionen, aber immerhin auch bei „The Curse of the Were-Rabbit“ als Editor tätig war) verheißt düster gemeintes aber bestenfalls dumpf nervendes Synthesizer-Gedudel einfach grundsätzlich nichts Gutes. Wenn sich ein solcher Soundtrack dann auch noch vollmundig als „A Study in Gothic“[3] betitelt spricht das jedenfalls Bände über die gnadenlose Selbstüberschätzung, mit der man hier zu Werke ging – und genau darin liegt m. E. auch der Hauptgrund, weshalb „Dark Heritage“ in seiner Summe so unsympathisch wirkt. Bei Amateurfilmen – und als solcher ist er unschwer bereits in der ersten Einstellung zu erkennen – drückt man ja gerne mal zwei Augen zu, verzeiht inhaltliche Schnitzer, mieses Schauspiel und noch miesere Effekte; aber wenn sich ein paar Amateure erdreisten, Lovecraft zu verfilmen ohne es für nötig zu erachten, ihn in den Credits zu erwähnen[4] und dabei auch noch so bierernst bleiben, dass das Gesamtresultat dermaßen dröge und zäh ausfällt, dass man die Darth Vader-Tasse gegen eine Thermoskanne voller Energydrinks einzutauschen gewillt ist, hört der Spaß einfach auf![5] Um aber trotzdem halbwegs fair zu bleiben: obwohl der Film die literarische Vorlage verschweigt, folgt er Lovecrafts Story insgesamt gesehen erstaunlich werktreu. Zwar wurden die unheimlichen Vorkommnisse in den Catskill Mountains in die Gegenwart verlegt und einige Namen abgeändert, der Kern hingegen blieb unangetastet, tatsächlich folgt sogar die narrative Struktur der Geschichte, in deren Verlauf sich ein Journalist nach und nach ins Zentrum des Grauens vorantastet, nicht nur Lovecrafts Erzählprinzip der schrittweisen Enthüllung grausiger Fakten, sondern in diesem Falle sogar dem episodischen Aufbau der ursprünglich im Magazin „Home Brew“ als Serial in vier Kapiteln erschienen Story. Auf einem Campingplatz (der Budgetbedingt aus einem vereinzelt in der Landschaft stehenden Wohnwagen besteht) wurden während eines Gewitters eine Menge Leute massakriert. Man vermutet wilde Tiere als Ursache. In der Redaktion der Times ist man aber auch der Meinung, dass die Sache mit dem unheimlichen Herrenhaus des Dansen-Clans in Verbindung stehen könnte, denn in der Umgebung dieses anrüchigen Anwesens gab es schon seit 150 Jahren immer wieder das eine oder andere unaufgeklärte Verbrechen. Weshalb man den Enthüllungsreporter Clint (nicht Eastwood; Mark LaCour wirkt eher wie der geklonte Waschlappen von Robert Downney Jr.) mit zwei Mann Verstärkung und einer Videokamera dort hinschickt, damit er eine Nacht in dem alten Schuppen verbringt. Und selbstverständlich gewittert es, Clint sieht einen Schatten, der auch aus einem expressionistischen Stummfilm stammen könnte an der Wand und stellt entsetzt den Verlust seiner Kameraden fest. Obwohl ihm sein Chef daraufhin zu einem Urlaub rät, lässt Clint natürlich nicht locker und forscht weiter. Dabei kommen ihm zwei Studenten zu Hilfe (selbstverständlich studieren die beiden Parapsychologie weil BWL in einem Horrorfilm zu langweilig wäre), die eine Menge ungereimtes Zeugs über die Familie Dansen wissen. In der Folge wird somit gewissermaßen nach dem Zwiebelschalenprinzip sukzessive Schicht um Schicht das Geheimnis dieser seltsamen Sippschaft aufgedeckt (und wer den Film noch sehen möchte oder Lovecraft’s Story nicht kennt, sollte hier nicht weiterlesen sondern sein Suhrkamp-Taschenbuch auspacken). Die Dansens sind nämlich, obwohl das Herrenhaus verlassen scheint, nicht ausgestorben, sondern im Laufe der Jahrhunderte – Inzest macht’s möglich - zu kannibalischen Verwandten von Gollum mit Iris-Heterochromie[6] degeneriert. Außerdem haben sie sich in ein Netz von Tunneln zurückgezogen, das sich vom Haus ausgehend über die ganze Landschaft erstreckt, und wenn es gewittert kommen sie hervor um arglose Menschen anzufallen. Durch den Verzicht auf spätere lovecraftianische Standardzutaten (okkulte Bücher, Cthulhu und andere Götter, die mit ihren Namen die automatische Rechtschreibkorrektur zum Absturz bringen) fällt die Story „The Lurking Fear“[7] obwohl es sich vordergründig um „klassischen“ Grusel mit Spukhäusern und Familienflüchen handelt, übrigens weitaus bodenständiger bzw. realistischer aus als das theologische Unheil der in Lovecrafts späteren Geschichten entwickelten Pseudomythologie. Vielmehr nimmt sie Motive von Backwood-Slashern wie „Wrong Turn“ oder die Prämisse von „The Descent“ vorweg[8] und kratzt überdies durch das Inzestmotiv und den Verzehr von Menschenfleisch an den ältesten Tabus der Zivilisation, kurz: das Potential für einen spannenden oder wenigstens kurzweiligen Film wäre auf dem Papier durchaus vorhanden gewesen, weshalb die Form, in die McCormick das Ganze gegossen hat, doppelt sauer aufstößt. Das liegt nicht an den ausgewählten Locations. Zwar ist das Herrenhaus sichtlich zu neu als dass es den Dansens schon seit 200 Jahren Unterkunft bieten könnte, aber übernachten würde ich da trotzdem nicht. Und selbstverständlich sehen die unterirdischen Gewölbe stark nach Pappmaché aus – aber interessanterweise funktioniert „Dark Heritage“ gerade in der Szene am besten, als Clint und ein verbliebener Kumpel durch einen solchen Gang krauchen um dort eine flüchtige Begegnung mit einem Dansengollum zu haben. Man sieht den Inzestheini nämlich anders als im Finale nur schemenhaft, und diese Andeutung des Grauens in einer ziemlich unrealistisch wirkenden Umgebung mit örtlichkeitsbedingt stark eingeschränkter Perspektive ist (ganz im Sinne Lovecrafts) letztlich effektiver als die völlige Enthüllung des Monströsen. Denn ohne Schleier steht der Kaiser nackig da bzw. hopsen die Lemuren in lachhafter Maskerade mit ihren langen Armen im Herrenhaus herum während man sich als Zuschauer die Haare über diesen Unfug rauft anstatt sich brav zu gruseln oder gar vor Entsetzen dem Wahnsinn anheimzufallen. Die eigentliche Schwachstelle ist aber, dass der Film vollständig dabei versagt, die Recherchearbeiten von Clint & Co. glaubhaft, spannend oder sonst wie interessant zu gestalten. Stattdessen sitzt Clint erschöpft in der Bücherei, es wird ziellos (und erschöpft) im Wald herumgewandert oder (selbstverständlich erschöpft) das im Herrenhaus gefilmte Videoband ausgewertet. Überhaupt ist Clint entweder erschöpft oder gereizt – und wenn er gereizt ist hört er sich an wie Bobcat Goldthwaits deutsche Synchronstimme. Schauspielerei geht definitiv anders, und wenn derlei dann auch noch von düster gemeintem Synthie-Sound untermalt wird… dann wartet man eben nicht mehr gespannt auf eine Aufklärung, sondern nippt erschöpft am Kaffee. Restlos großes Kino bietet schließlich eine Traumsequenz in stilgerechtem Sepia (wobei: so verratzt und braunstichig wie das verwendete Master der DVD daherkommt bemerkt man ohnehin kaum einen Unterschied). Wenn da einer von Clints inzwischen verblichenen Kumpanen als kaugummikauender Zombie mit Sonnenbrille durchs Herrenhaus spaziert weiß man einfach nicht mehr, ob das jetzt surreal gemeint ist oder ob „Dark Heritage“ am Ende gar eine (unlustige) Satire darstellen sollte - das Makeup in dieser Zombie-Sequenz kommt jedenfalls gleich nach den grün angemalten Gesichtern aus „Le Lac des morts vivants“… Wobei McCormick Splatter ohnehin recht sparsam einsetzt, was einerseits speziell mit Blick auf die in Amateurfilmerkreisen beliebte Herangehensweise, Nullhandlung und andere formale Schwächen mit Unmengen von Kunstblut und Innereien zuzuschmieren, eher positiv zu vermerken ist, andererseits aber den Unterhaltungswert noch zusätzlich nach unten drückt. Wenn man sich bei „Cineastic Nightmares“ den Gang zur FSK geleistet hätte wäre jedenfalls aus heutiger Sicht trotz eines aufgerissenen Gesichts durchaus eine Jugendfreigabe drin gewesen – aber dann hätte man ja einen Warnhinweis weniger benötigt und rote „ab 18“ Sticker sind einfach ein gutes Kaufargument und sowieso die Schönsten. Eigentlich ist der rote 18er-Hinweis sogar das Schönste an der ganzen DVD, denn neben schlechtem Bild und dumpfem Ton (ein Logo zu Beginn bestärkt mich in der Vermutung, dass kurzerhand die australische VHS von Peacock Films auf die Scheibe gepresst wurde) gibt es keine Extras, kein Kapitelmenü und auch keinen deutschen Ton. Und über die Qualität der Untertitel breite ich höflich den Mantel des Schweigens. Sehenswert ist „Dark Heritage“ darum wirklich nur für beinharte Lovecraft-Sammler oder für begeisterte Trashfans, denen es Spaß macht, dabei zuzusehen wie Filmemacher über ihre (in diesem Fall definitiv zu hoch gesteckten) eigenen Ansprüche stolpern. Denn zu guter Letzt hat sich McCormick eine kleine künstlerische Freiheit dann doch nicht nehmen lassen: anstatt einfach die literarische Vorlage auf kleiner Flamme nachzukochen vergeigt er am Ende nämlich auch noch einen logischen inhaltlichen Anschluss an die nur im Film zu findende Idee, dass das dunkle (Ahnen-)Erbe bereits in der zivilisierten Welt weiterwuchern könnte. Darum wird das Dansen-Haus nicht wie in der Erzählung in die Luft gesprengt (das hätte nämlich das Budget gesprengt), sondern ein unter der Maske der bürgerlichen Wohlanständigkeit lauernder entfernter Verwandter der schröcklichen Sippschaft entlarvt.[9] Nur: woher hat Clint auf einmal diese Erkenntnis? Durch spontane Eingebungen des Drehbuchschreibers, der noch ein wenig Zeit schinden musste? Selbst wenn der Gedanke, dass atavistische Neigungen auch im gewissermaßen stets als Über-Ich agierenden Chef lauern könnten, nicht gänzlich reizlos sein mag, lauert in „Dark Heritage“ eben bestenfalls die Furcht vor vergeudeter Lebenszeit. Alexander [1] Auf deutsch erhältlich in der Suhrkamp-Sammlung „Stadt ohne Namen“. Auch wenn die neuen Lovecraft-Ausgaben von Festa wirklich toll sind bevorzuge ich einfach den altertümelnd-muffigen Stil der älteren Übersetzungen. [2] Derzeit ist ein weiterer Farbenfilm mit Nicolas Cage geplant. [3] Ich habe tatsächlich sogar den Abspann über mich ergehen lassen, um das herauszufinden. [4] Vermutlich weil die Rechteinhaber sonst ein kräftiges Wörtchen mitgeredet hätten. [5] Da sieht man übrigens den Nutzen von Warnhinweisen. Obwohl ich wusste was auf mich zukommt rege ich mich auf. [6] Dies könnte eine religiöse Anspielung auf den Daddschāl sein; der missgestaltete und auf einem Auge blinde „falsche Prophet“ des Islam passt jedenfalls gut zu anderen orientalischen Anleihen (die Stadt Irem oder der wahnsinnige Araber Abdul Alhazred) im Werk Lovecrafts.[7] Hier hörten die lemurenhaften Unterweltbewohner ürbigens auf den Namen Martense. [8] Ein Thema, das Lovecraft bereits in seiner Jugenderzählung „The Beast in the Cave“ beschäftigte. [9] Ich wusste ja schon immer, dass dieser Rocksänger mit den unterschiedlichen Augen in Wahrheit Marilyn Dansen heißt… |
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