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Die Folterkammer des Hexenjägers / Schloss des Grauens / The Case of Charles Dexter Ward

(USA 1963)

Regie: Roger Corman

Drehbuch: Charles Beaumont

Musik: Ronald Stein

Darsteller: Vincent Price, Debra Paget, Lon Chaney Jr.

 

 

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Eine emsige Spinne baut ihr Netz, ein Faden hier, ein zweiter dort, und doch entsteht am Ende ein Geflecht, das stabil und klebrig genug ist, um für einen arglosen Schmetterling zum Verderben zu werden.

Diese schön animierte Titelsequenz nimmt bereits symbolisch das Leitmotiv von Roger Cormans sechstem Beitrag zu seinem inzwischen legendären Poe-Zyklus vorweg. Die schmetterlingshafte Seele des Menschen verheddert sich hoffnungslos im geduldig gewobenen, kunstvollen Gebilde, das von den finsteren Mächten (möglicherweise dem eigenen Triebleben) ausgelegt wurde, der gefräßige Achtbeiner lacht sich eins und für das Individuum gibt es keine Rettung mehr.

haunted palace 007Und tatsächlich geht im weiteren Verlauf von „The Haunted Palace“ ein Gentleman namens Charles Dexter Ward (Vincent Price) der übermächtigen Vergangenheit ebenso ins Netz wie kurz zuvor unser netter Schmetterling. Sein Vorfahr (ebenfalls Vincent Price) war nämlich der gefürchtete Hexenjäger Curwen, der aufgrund schurkischer Umtriebe schließlich auf einem Haufen scheiterte, dabei aber selbstverständlich nicht auf ein paar knackige Verwünschungen in Richtung des fackelbewehrten Lynchmobs und seiner Nachkommen verzichtete. Weshalb es nur folgerichtig ist, dass sich die Geschichte schon bald wiederholt weil das ohnehin schon unangenehme Verdrängte dank Rachegelüsten mit noch viel schlechterer Laune zurückkehrt.

Mr. Ward, der über 100 Jahre nach der Grillparty Curwens Schloss im nebligen Arkham geerbt hat, hat jedenfalls wie die meisten Erben in Horrorfilmen keinen Grund zur Freude, denn kaum hat er seinen neuerworbenen Besitz bezogen drehen sich die Verhältnisse gewissermaßen um, da Curwen sich als ungebetener Untermieter kurzerhand in Wards Körper breitmacht. haunted palace 005Dies äußert sich durch arrogantes bis herrisches Auftreten, sexuell aggressive Übergriffigkeit gegenüber Wards Gattin (Debra Paget), die Wiederaufnahme diverser schwarzmagischer Praktiken sowie unschöne Racheaktionen gegen die Nachfahren der Lynchmobber. Ähnlich wie die Häuser von freundlichen Herren wie Roderick Usher oder Jack Torrance (ok, der war nur der Hausmeister) ist damit auch das Schloss von Ward/Curwen ein Spiegel seines Innenlebens, ein morbider Ort mit Kellergewölben und einem vermutlich bodenlosen Schacht, an dem die Vergangenheit keine Lust dazu hat, zu vergehen, weshalb sich das düstere Außen problemlos des Verstandes von Ward bemächtigen kann. Denn auch wenn auf der Erzählebene Spinne und Schmetterling bzw. Curwen und Ward auf zwei Personen verteilt wurden, macht die von Price verkörperte Doppelrolle deutlich, dass die beiden Antagonisten letztlich miteinander identisch sind bzw. dass Ward sich begünstigt von der gothic-Atmosphäre der Örtlichkeit in seinen eigenen Obsessionen verstrickt.

haunted palace 001Und auch wenn der Film lediglich formal zum Poe-Zyklus zu rechnen ist – das kleine Gedicht „The Haunted Palace“, das schließlich in die Meistererzählung „The Fall of the House of Usher“ eingearbeitet wurde hat ohnehin keine Handlung, die sich für einen Spielfilm eignen würde – hat man sich durch diese Ausgestaltung des inneren Konflikts von Curwen/Ward tatsächlich insofern bei Poe bedient, dass man die Interpretation des „Haunted Palace“ als Kopf der Hauptfigur (mit leeren Fenstern als Augenhöhlen und dem Tor als Mund, aus dem ein Gelächter ohne Lächeln, vermutlich das eines übergeschnappten Bösewichts, erschallt) beim Wort nahm.

Die eigentliche literarische Vorlage stammt jedoch – Kenner dürften es an Namen wie Ward, Curwen und Arkham, spätestens aber wenn das „Necronomicon“ ins Spiel kommt, bereits geahnt haben – von H. P. Lovecraft. Roger Corman wollte sich nämlich nach fünf auf Erzählungen von Edgar Allan Poe basierenden Filmen ein wenig Abwechslung gönnen und unter Beibehaltung des bewährten Stils einen damals noch nicht ganz so bekannten Autoren auf die Leinwand bringen, die Produzenten von American International Pictures hingegen riefen „Wir wollen Poe!“ (ähnlich wie im Gefolge von Jaws „Wir wollen Fisch!“ erscholl)[1] und fertig war der Kompromiss, der seltsamerweise hervorragend funktioniert.

haunted palace 010Dies liegt zum einen daran, dass das von Lovecraft verwendete Doppelgängermotiv letztlich auf Poe zurückgeht („William Wilson“). Zwar hat man auf pseudowissenschaftliche Erklärungen wie die „essentiellen Saltze“ des Borellus und den cthulhuiden Überbau einer Kunstmythologie verzichtet, und dementsprechend fällt die rationale Aufklärungsarbeit in dieser Variante des Falls Charles Dexter Ward auch eher gering aus – andererseits streift der Film trotz seiner Konzeption als Poe-Adaption einige spezifisch lovecraftianische Punkte, von denen die Angst vor einer Rassenvermischung vermutlich der geschmacksunsicherste sein dürfte.

haunted palace 009Curwen hat nämlich in seinem Schacht im Keller einen der Großen Alten einquartiert, und ein wesentlicher Bestandteil seiner sinistren Aktivitäten bestand darin, diverse weibliche Dorfbewohner in diesen Keller (aus dem der deutsche Titel eine „Folterkammer des Hexenjägers“ machte um noch ein wenig SM mit ins Spiel zu bringen) zu locken, um ihnen dort seinen Großen Dicken Langen Stinkenden Alten zu zeigen – mit dem Resultat ungewollter Schwangerschaften und dem Ziel einer neuen Superrasse. Yog-Sothoths Lebensborn wenn man so will,[2] der allerdings bestenfalls zu unschönen Missbildungen bei den Nachkommen führt, weshalb Arkham auch ein wenig ans versiffte Innsmouth erinnert und die Whateleys aus Dunwich erfreut mit den Tentakeln zappeln. Und auch die nekrophilen Untertöne, die Lovecraft durch die Totenerweckungen vermittels „essentieller Saltze“ höflich andeutet, werden dahingehend verschärft, dass Curwen nun seine inzwischen verstorbene und nach über hundert Jahren nicht mehr ganz taufrische Gattin ausbuddelt und wiederbelebt.[3]

haunted palace 012Womit man in Summe feststellen kann, dass Corman seinerseits gewissermaßen Lovecraft auf ebendiese essentiellen Saltze eindampft um ihn als Edgar Allan Poe wiederauferstehen zu lassen, indem er die morbide und beim Asketen Lovecraft vollständig ausgeblendete Erotik zumindest so weit ausformuliert, wie es der Zeitgeist und die damalige Zensur zuließen, ohne seine literarische Vorlage dadurch zu entstellen. Der Poe-Verehrer Lovecraft hätte trotz seiner Prüderie und seines nüchternen Berichtstils vermutlich seine Freude daran gehabt, zumal „The Haunted Palace“ auch optisch ein Leckerbissen ist.

haunted palace 006Corman gelingt es spielend, seinen Film wesentlich teurer aussehen zu lassen, als er eigentlich war. Die Sets sind opulent ausgestattet und wie bereits die anderen Poe-Verfilmungen schwelgt auch „The Haunted Palace“ in satten Farben und einer Menge Kunstnebel. Selbst wo man aus Kostengründen auf Mattepaintings ausweichen musste sind diese so liebevoll gestaltet, dass jedes Nostalgikerherz höherschlägt, und zu guter Letzt gibt es neben dem wie immer vorzüglichen Vincent Price, der seine Persönlichkeitswechsel vorrangig durch Wechsel in Mimik und Körperhaltung verdeutlicht, auch noch Lon Chaney, Jr. in einer Nebenrolle als bleicher Hausverwalter.

Mit einem Wort also ein Klassiker, der die Wiederentdeckung wert ist (sofern man ihn nicht sowieso schon kennt), bevorzugt in der von EMS veröffentlichten Dreierbox, in der auch noch der vielleicht beste Poe-Film „The Premature Burial“ sowie „The Oblong Box“ von Gordon Hessler enthalten sind. haunted palace 008Da letzterer Titel allerdings bis 2008 indiziert war ist die Box (wegen der Box!) nicht mehr ganz so leicht zu kriegen, und auf Bluray erschien nur eine Zweier-Combo der Corman-Filme. Da man die aber auch einzeln kaufen kann gibt es meinerseits keine Einwände gegen den Erwerb des Falls Howard Allan Poecraft.

Alexander

[1] Auch wenn der Fisch dann trotz seiner Flugkünste absoff wie Camerons „Piranha II: The Spawning“

[2] Und vielleicht eine Idee für ein besonders widerliches „Achtung! Chtulhu“-Szenario, die ich mir patentieren lassen sollte…

[3] In Lovecrafts Stories hingegen sind Frauen Mangelware oder wie in „The Thing on the Doorstep“ ohnehin nur fleischliche Hüllen für männliche Gelehrte; „The Loved Dead“ hingegen, eine Zusammenarbeit mit C. M. Eddy, Jr., ging aber trotzdem so offen mit dem Thema Nekrophilie um, dass die Geschichte zum mittleren Skandal wurde.

 

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