Voodoo Child / O Altar do Diablo / Los endemoniados (USA 1970) Regie: Daniel Haller Drehbuch: Curtis Hanson, Henry Rosenbaum, Ronald Silkosky basierend auf der Story von: H.P. Lovecraft Musik: Les Baxter Darsteller: Sandra Dee, Dean Stockwell, Ed Begley "Come back, Old Ones... Princes of Darkness... and repossess the earth." Auf dem Friedhof der Ortschaft Dunwich erhängt sich der Dorfpfarrer… äh, nein! Stattdessen gibt es dort einen Herrn namens Wilbur Whateley, der gar absonderlichen Verrichtungen nachgeht. Beispielsweise platziert er auf dem Höhepunkt des Films ein aufgeschlagenes Buch mit dem vielsagenden Titel „Necronomicon“ zwischen den Schenkeln einer auf einem Opferaltar hingestreckten Blondine, zündelt mit Weihrauch und fuchtelt dazu mit seinem Ritualdolch herum, so dass spätestens an dieser Stelle klar wird, dass wie in den meisten Horrorfilmen auch das Grauen von Dunwich letztlich sexueller Natur ist. Und interessanter als die eigentliche – eher schleppend voranschreitende – Handlung des Films sind die Methoden, durch die dieser Umstand kaschiert wird sowie der erhobene moralische Zeigefinger, der über allem kreist wie Whateley’s Ritualdolch.
Der 1967 veröffentlichte „The Shuttered Room“[1] löste dieses Dilemma noch relativ elegant, indem er die literarische Vorlage gewissermaßen zu einer zahmen Vorstudie der Terrorfilme vom Schlage eines „The Last House on the Left“ zurechtschneiderte; in „The Dunwich Horror“ hingegen setzte man weniger auf inhaltliche Änderungen sondern auf eine möglichst psychedelische Verpackung des Ganzen. Ohne sich dabei ganz vom Geist Roger Cormans und seiner Poe-Verfilmungen zu verabschieden. Das Haus der Whateleys könnte jedenfalls problemlos auch der Schauplatz einer Poe-Adaption sein, einer dieser herrlich altmodisch dekorierten Landsitze, wo morbide Grübler sich mit ihren Familienflüchen beschäftigen und dabei auf reichlich dumme Gedanken kommen. Beispielsweise darauf, junge Blondinen ins Haus zu locken und sie mit K.O.-Tropfen gefügig zu machen.
Zum größten Pferdefuß wird bei alldem aber, dass Wilbur jegliche Ambivalenz fehlt. Dieser von Dean Stockwell gespielte Lockenkopf mit seinen buschigen Augenbrauen und dem Schnauzbart ist kurz und einfach der Bösewicht der Geschichte, auf eine Charakterentwicklung bzw. eine negative Sozialisation wie sie später in „Damien – Omen 2“ thematisiert wurde, wird ebenso verzichtet wie auf einen zumindest zeitweiligen subversiven Perspektivwechsel. Obwohl man als Zuschauer gewissermaßen zum Mitverschwörer bei seiner Verführung der blonden Nancy (Sandra Dee) und später bei der Entwendung des „Necronomicon“ wird, wahrt der Film stets Distanz, baut aber andererseits auch die sittlich-moralisch integere ältere Generation nicht zu Sympathieträgern auf.
Wie um dies alles zu kompensieren drückt Daniel Haller dafür formal so richtig auf die Tube. Harte Schnitte und halluzinogene Farbverfremdungen wirken vor allem mit Blick auf die überaus konservative Grundhaltung erstaunlich irritierend, denn gewissermaßen wird die puritanische Lustfeindlichkeit im kunterbunten Hippie-Batik-Style inszeniert. Lovecraft auf Speed wenn man so will und mir fallen als Vergleich nur die ähnlich hässlichen Rotoskopiesequenzen aus Ralph Bakshis „The Lord of the Rings“-Zeichentrickkatastrophe ein wenn ich meinen Eindruck adäquat in Worte fassen will. Andererseits ist der Einsatz der diversen optischen Mätzchen (an einer Stelle fließt sogar ein Bach rückwärts den Berg hinauf) aber auch nicht völlig beliebig sondern steht in direktem Zusammenhang mit der subjektiven Wahrnehmung diverser Personen (von denen eine nicht wirklich als solche bezeichnet werden kann), seien es die bereits erwähnten orgiastischen LSD-Trips von Nancy (eine dieser Sequenzen wird besonders intim, da sie mit einem Nylonstrumpf auf der Kameralinse gefilmt wurde), die Sterbeszene von Mama Whateley oder schließlich die Sequenzen, in denen der auf dem Dachboden das Whateley-Hauses eingesperrte destruktive Sexus vollends entfesselt wird.
Auch wenn man sich nach diesem Film nun selbstverständlich darüber streiten kann, ob derlei Schmuddelkram die tatsächlichen Ängste von H. P. Lovecraft waren oder ob man seine „Yog-Sothothery“[2] derartig plump auf vulgärfreudianische Aussagen herunterbrechen darf[3], liegt die eigentliche Schwäche von „The Dunwich Horror“ jedenfalls definitiv nicht darin, dass man die literarische Vorlage entstellt hätte. Zwar ist der lange Zeit übermächtige Einfluss von August Derleths Lesart des Cthulhu-Mythos deutlich spürbar (dieser hatte das kalt-mechanistische, völlig fremdartige und darum feindselige Lovecraft-Universum in seinen „posthumen Kooperationen“ wieder auf einen eher christlichen Dualismus von Gut und Böse zurechtgestutzt), und das Finale hat mehr mit dem lahmen Roman „The Lurker at the Threshold“ zu tun, ebenso wie in der Story „The Dunwich Horror“ der monströsere Zwilling erst durch das Ableben Wilburs freigesetzt wird, was der Sache einen Hauch von einer blasphemischen Wiederauferstehung verleiht bzw. Whateley Junior in die Nähe eines negativen Messias rückt. Doch bei aller Vereinfachung ist Haller trotzdem noch nahe genug am Text um nicht vollständig zu enttäuschen.
Eine ganz andere Sache ist da schon die neue Veröffentlichung von Wicked Vision. Selbst wenn man mit „The Dunwich Horror“ keinen Großen Alten aus R’Lyeh locken kann ist es einfach bemerkenswert, dass auch halbvergessener Quark mit gelangweilten Schauspielern und notdürftig kaschiertem Mangel an Geld für Spezialeffekte in so einer zufriedenstellenden Qualität herausgebracht wird. Wenn ich daneben an die inzwischen als Bootleg entlarvte DVD von St. Peter Entertainment denke… damals war das „Voodoo Child“ (die deutsche Titelschmiede hielt wohl einige Anleihen bei Jimi Hendrix für passend) so dermaßen stark komprimiert, dass bei Szenenübergängen nur noch Pixelbrei erkennbar war, wohingegen man nun die volle Farbenpracht genießen kann. Unerschrockene dürfen darum nun die Bong vorglühen, ihre Schlaghosen anziehen und in eine Ära abtauchen, in der auch schlechte Filme noch einen gewissen psychedelischen Reiz verstrahlten. Zwar anders als intendiert (als „Horror“ geht der Okkultisten-Unfug in Dunwich beileibe nicht durch), aber unterm Strich irgendwie passend zu Yog-Sothoth. Der ist ja immerhin auch nur eine Ansammlung von bunten Blasen.[7] Alexander [1] Basierend auf einer „posthumen Zusammenarbeit“ (so kann man Etikettenschwindel auch umschreiben…) von Lovecraft und August Derleth [2] Der Begriff „Cthulhu-Mythos“ geht auf August Derleth zurück. [3] Als Vulgärfreudianer darf ich nicht nur das sondern auch laut über die finale Enthüllung des Herrn Haller lachen! [4] Das passende Zitat dürfte irgendwo in den fünf Bänden der „Selected Letters“ zu finden zu sein. [5] Heute würden einige sogenannte Linke Haller vermutlich noch rechts überholen und zum Indianersymbol auf dem Stecken von Whateley senior irgendwas von kultureller Aneignung durch heterosexuelle alte weiße Männer faseln… [6] Denn Sinn dahinter muss ich wohl nicht verstehen, auch wenn mich der mächtige Ka-thodus-Ff’ull’Skrien dafür mit schröcklichem Gelächter malträtiert. [7] Und wie liebevoll die Veröffentlichung von Wicked-Vision ist erkennt man sogar daran, dass im Rechtehinweis Raubkopierern mit der Opferung an den „Öffner der Tore“ gedroht wird.
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