(USA 1959)
ARRRRRGGGGGGGHHHHHHHHHHH…..
Sorry, aber ich muss einfach schreien, denn der Tingler kommt – endlich.
Zu lesen bekam ich dann einige Jahre später einige kurze Kritiken in Büchern, wie dem „Lexikon des Horrorfilmes“, dem jährlich von mir gekauften „Halliwell Filmgoer´s Companion“ und die ein oder andere Erwähnung in Starlog und Fangoria. Eine Ausstrahlung im Fernsehen gab es nicht, auf Super8 war hier in Deutschland auch nichts zu finden und in der Anfangszeit von VHS war das Programm betreffs Klassikern (speziell wenn sie in schwarz-weiß waren) auch eher dürftig. Gute Kontakte in die USA ermöglichten es mir zumindest irgendwann um 1986 herum mal eine Kopie des „Tingler“ in die Finger zu bekommen. Dank der bekannten Unterschiede in den TV-Normen (NTSC zu PAL), hatte mir ein Brieffreund den Film mittels einer frühen PAL-VHS-Kamera direkt vom Bildschirm, abgefilmt und zukommen lassen. Jeder Filmfreak aus den achtzigern weiß, was das bedeutete. Durch die unterschiedlichen Bildraten war das Bild unscharf, flimmerte und ein weißer Streifen lief immer von oben nach unten durch das Bild. Aber egal – zumindest konnte ich mir einen ersten Eindruck von William Castles Meisterwerk machen. Der war dann auch durchaus positiv und stachelte meine Sucht nach dem Film nur noch mehr an. Doch es sollte noch ein weiteres Jahrzehnt dauern bis ich dann den Film erstmals in einigermaßen vernünftiger Qualität als englische Videokopie (allerdings ohne die Farb-Inserts – mehr dazu später) sehen durfte und dann auch endlich mal die Geschichte richtig verstehen konnte. Mittlerweile besitze ich drei verschiedene US-DVD-Veröffentlichungen des Filmes zu denen sich nun endlich dank ANOLIS auch mal eine gesellt hat, die dem Film gerecht wird. Aber erst mal kurz zur Story: Vincent Price spielt den Pathologen Dr. Warren Chapin, der bei der Autopsie eines auf dem elektrischen Stuhl hingerichteten Mörders feststellt, das dessen Wirbelsäule zerbrochen ist und daraufhin schlussfolgert, dass sich im Moment größter Angst dort etwas körperliches manifestiert, was eine unglaubliche Kraft aufbringt. Folgerichtig beginnt er nun mit Experimenten zum Thema Todesangst und scheut bei selbigen noch nicht einmal davor zurück mit einer „neuen“ Droge namens LSD zu experimentieren (übrigens Jahre bevor Roger Corman dieser mit „The Trip“ ein fragwürdiges filmisches Denkmal setzte). Nachdem er feststellt, dass sich die Manifestation, die er „The Tingler“ nennt, durch Angstschreie vertreiben lässt schreckt er scheinbar noch nicht einmal davor zurück eine taubstumme Frau unter Drogen zu setzen. Als diese vor Angst stirbt gelingt es ihm auch den Tingler zu extrahieren, der sich als eine Art 50 cm langer Tausendfüßler entpuppt und natürlich auch prompt entfliehen kann. Was William Castle hier in gerade mal 81 Minuten präsentiert ist ein prima kleiner Schocker, der zur damaligen Zeit sicherlich für einige schweißnasse Hände gesorgt hat, aber auch heute noch überaus unterhaltsam und guckbar daherkommt – selbst ohne die Besonderheit, die ihn eigentlich bekannt gemacht hat. Schließlich gilt Castle als der Meister des „Gimmick“, da er in einigen seiner Filme in den Jahren 1958 – 1962 das Kinoerlebnis immer noch um das „gewisse Etwas“ vergrößerte. Was es bei „House on Haunted Hill“ (1958) ein Plastikskelett, dass durch den Kinosaal gezogen wurde oder bei „Homicidal“ (1961) ein auf der Leinwand ablaufender Countdown – so fuhr er bei „The Tingler“ besonders harte Geschütze auf und ließ einige Sitze im Kino verdrahten, so dass sie auf Knopfdruck vibrierten. Zusätzlich packte er noch einige „gekaufte“ Schreier mit ins Kino und machte so den Kinobesuch zu einer ganz besonderen Erfahrung. Nachdem der Tingler im Film selbst gerade in ein Kino geflüchtet war, war plötzlich nur noch Schwärze auf der Leinwand zu sehen und Vincent Price unvergleichliche Stimme teilte dem Publikum mit:
„The tingler is loose in this theatre. Ladies and gentlemen, please do not panic! But SCREAM! Scream for your lives!”
Nun begannen die präparierten Kinosessel zu vibrieren und die Schreier mit ihrer Arbeit – man kann sich gut vorstellen, dass dies ein Kinoerlebnis war, dass man so schnell nicht vergaß. Das Erstaunliche aber ist, das „The Tingler“ diese Mätzchen eigentlich nicht nötig hätte. Er ist einer der stimmigsten, gruseligsten und spannendsten 50er Jahre-Schocker mit einer wunderbaren zentralen Performance von Vincent Price, der sicherlich – speziell in der Drogenszene – eine Spur „overacted“, aber hier erstmals seinem, später so perfektionierten, Hang zur Selbstparodie fröhnt. Auch das restliche Ensemble scheint einen gewaltigen Spaß bei den Dreharbeiten gehabt zu haben, was zumindest die kleine Dokumentation „Scream for your life“ auf der DVD-Bluray-Combo von ANOLIS verrät, in dm sich einige recht aktuelle Interviews mit einigen der Darsteller finden lassen. Von Bild- und Sound her haben wir hier wahrscheinlich die beste Möglichkeit (außerhalb eine 35 mm Projektion ;) ) Castles Film zu genießen. Das schwarz-weiß Bild ist extrem detailscharf und trotzdem natürlich, Filtereffekte sind nicht sichtbar. Besonders gefreut hat es mich, dass die im Film integrierte Farbsequenz (siehe Bild) nicht bearbeitet wurde, sondern im Urzustand belassen wurde. Schließlich war der Effekt auch in der Urfassung deutlich durch anderes Filmmaterial, Schärfeverlust durch mehrfaches Kopieren und generelle Grobkörnigkeit erkennbar. Es wäre sicher ein Einfaches gewesen, diese „Fehler“ digital zu beheben, glücklicherweise saß hier jemand an den Reglern, der erkannte, dass diese Optik zum Effekt gehört und dem damaligen Stand der Technik entsprach. Auch bei den Extras hat man bei ANOLIS wieder darauf geachtet ein Paket zusammenzuschnüren, das der filmhistorischen Wichtigkeit des Filmes gerecht wird. Unterhaltsamer – wenn auch nicht so faktenorientiert – fand ich allerdings den zweiten Kommentar der Filmfans Ingo Strecker und Robert Zion, der das Ganze logischerweise eher „fannisch“ angeht und speziell für uns Eddies genau das Richtige bietet, selbst wenn einer der beiden wohl bei der Aufnahme an einer wirklich furchtbaren Erkältung gelitten hat. Ein weiteres Highlight stellt mit Sicherheit die ebenfalls auf der Disk enthaltene deutsche Kinofassung dar, die netterweise in den in beiden Versionen gleichen Szenen zumindest auf das HD Master zugreift. Über die Synchronqualität dieser Version wird uns in Episode 15 unseres Podcasts (erscheint am 21. August) dann Christian Jürs informieren. Zusätzlich finden sich noch die oben bereits erwähnte Dokumentation, diverse Trailer, eine Bildergalerie und – ein ganz besonderes Häppchen – zumindest audiomässig die unterschiedlichen Dialogszenen für normale und Autokino-Vorführungen auf der Scheibe.
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