nekroquer

(Deutschland 1987)


Regie: Jörg Buttgereit

Musik: John Boy Walton, Bernd Daktari Lorenz

FX: Franz RodenkirchenBernd Daktari Lorenz

Darsteller: Bernd Daktari Lorenz, Beatrice Manowski, Harald Lundt

Kunstvoller Leichensex...So steif wie nie

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Hin und wieder erscheint in der langen Filmgeschichte ein Streifen, der fortan das Synonym für ein Subgenre, ein Thema oder auch nur für eine menschliche Perversität wird. Nie wurde Nekrophilie so intensiv und ernsthaft thematisiert wie in Jörg Buttgereits Spielfilmdebüt "Nekromantik", der den Regisseur blitzartig bekannt machte und ihn lange auf den Gore und Splatterfilmmacher reduzierte. Das reisserische Postermotiv, die damals große Aufregung um die Beschlagnahmung des Films und das fast schon guerillamässige Filmemachen Buttgereits trugen zum legendären Ruf des Films bei. Seit seiner nun endlich erfolgten Freigabe lässt sich nun problemlos nachprüfen, ob er dem Ruf noch gerecht wird.

nekromantik 003Gleich beim ersten Shot des Films wird klar, dass wir es hier nicht mit einer hochglänzenden Studioproduktion zu tun haben. Hier geht es dreckig und rau zu. Nach einer kurzen Einführung eines Liebespaares, dass eine Autofahrt vor sich hat, sehen wir das Ergebnis eines schrecklichen Autounfalls, Leichenteile der Frau werden abtransportiert und wir lernen unseren Protagonisten Rob kennen, der bei einer Leichenentsorgungsfirma arbeitet. Gedreht wurde auf 8 mm Film, der stets unsauber und körnig daherkommt und den Film direkt realistisch und meist dunkel und hoffnungslos wirken lässt. Rob und seine Freundin Betty teilen ein seltsames Hobby: Nekrophilie. Ihre kleine und altmodisch bürgerliche Wohnung ist mit Leichenteilen und Knochen dekoriert und Betty liebt es in Blut zu baden.

Durch Robs Arbeit können beide ihre Neigung leicht befriedigen und so kommt es, dass Rob die Leiche eines kürzlich verstorbenen Gärtners stiehlt, sie mit nach Hause nimmt und sie gemeinsam mit Betty zum Sex benutzt. Der Diebstahl kommt ans Licht und Rob verliert seine Arbeit. Daraufhin verlässt Betty ihn und nimmt den verwesenden Leichnam mit. Rob begeht danach Selbstmord. Im Drogenrausch hat er delirische Träume und ersticht sich während er sich selbstbefriedigt.

nekromantik 006Dieser kurze Plotabriss deutet auf eine stringenten Erzählfaden hin, den der Film aber nicht hat. Szenen mit Inhalt werden immer wieder von künstlich und teilweise abstoßenden Traum-oder Flashbackszenen unterbrochen, die zu der Atmosphäre des Films beitragen. Denn trotz der teils makabren und der im Anbetracht des geringen Budgets gut gelungenen Goreszenen ist Nekromantik kein Schlachtfest für Splatterfans. Dafür packt Buttgereit zu viele deutbare Motive und Aussagen in den Film. Die immer wieder auftauchende Sequenz der abgefilmten Fensterfront von Robs Wohnung, die ruhig und harmlos wirkt, hinter der sich aber doch so schlimmes abspielt ist nur eins davon. Der Film ist auf mehreren Ebenen deutbar: als Psychogramm des dysfunktionalen Robs, der nur in der Liebe zum Tod Erfüllung findet und so auch schließlich stirbt. Auch fehlende Empathie in einer immer gefühlskälter werdenden Gesellschaft ist ein zugrunde liegendes Thema und kleine Seitenhiebe gegen Faschismus, gegen die deutsche Filmgeschichte (in Form des des Jägers, der erst Vögel und dann den Gärtner erschiesst) und anderes konnte sich Buttgereit nicht verkneifen.

nekromantik 008Und hier beginnt nun genau die Kritik an Buttgereits Erstling zu greifen: Neben dem Plot greift Buttgereit immer wieder zu wunderbar künstlich und verstörenden Bildern um seine zugrunde liegende Aussage zu transportieren. Und er entwickelt dabei seinen eigen Stil, der hier zwischen Schlock, Splatter, Exploitation, schwarzer Komödie und Softporno hin und herwechselt. Die Uneinheitlichkeit des Films, seine Kälte auf der einen Seite und die kurzen fast liebevoll romantischen Sexszenen mit der Leiche auf der anderen Seite, die dann auch noch zwischen Ekel und Anziehung schwanken tragen dazu bei, dass man schlussendlich nicht anders kann als gefesselt und abgestoßen zuzuschauen.

Natürlich ist Buttgereit ein berechnender Arthouse Filmer, der diese Gegenteile bewusst einsetzt. Nicht wenige sehen in ihm nur einen halbintellektuellen Wichtigtuer, der seine spärlichen Ideen mit schönen Bildern aufhübscht. Auch kämpfte er beim Erscheinen des Films medienwirksam für die Freigabe des Films und wurde damit auch (ob berechtigt oder nicht) zu einem Sprechrohr für die Liberalisierung des Jugenschutzes.

nekromantik 001Im Laufe der Jahre verfeinerte er seinen Stil als Filmemacher noch, wobei er die Aussagekraft der Bilder zurückschraubte und mehr und mehr eine sinnliche Erfahrung des Zuschauers erreichen wollte. Das beste Beispiel für seinen Spätstil ist sein Segment in dem Episodenfilm "German Angst" von 2015 in dem er auch ähnlich wie in Nekromantik das Auseinanderklaffen von äußerem Schein und des Seelenlebens thematisierte.

Frank Rinsche

 

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