Regie: Dario Argento Drehbuch: Steven Weber Musik: Claudio Simonetti Darsteller: Steven Weber, Carrie Anne Fleming, Laurie Brunetti
Es ist heute eine weitreichend akzeptierte Narrative, dass dem, in den mitt-80er Jahren noch als revolutionär eingestufte Kultregisseur Dario Argento jegliche Inspiration abhanden gekommen ist, weshalb er heutzutage nur noch visuell langweiligen Standart-Horror-Rotz herunterkurbelt, um mit seinem ehemals guten Namen noch ein wenig Kohle abzugreifen. Man nennt dieses Verhalten auch: „Going full Cronenberg!“ (And yes, you should never ever go full Cronenberg!) Für mich gab es eigentlich immer nur einen Haken an dieser hübschen Zusammenfassung. Ich glaube schlicht nicht, dass Argento als Filmemacher schlechter, sondern eher noch bedeutend besser, geworden ist. Schlimmer noch, wahrscheinlich ist er als Filmemacher subtiler geworden, und hat somit die Qualifikationsgrenzen des normalen Horrorfans weit hinter sich gelassen. Okay, Zeit für ein bisschen unangenehme Sachlage. Wir sollten über Suspiria reden. Und bevor mir das jemand vorwirft, ich liebe Suspiria. Ich schaue den Film bestimmt einmal pro Jahr. Aber, und jetzt heißt es Zähne zusammenkneifen, Suspiria ist kein subtiler, geschweige denn ein besonders tiefgründiger, Film. Suspiria ist, genau so wie die meisten „Klassiker“ in Argentos Oeuvre, schrill, plakativ, unnötig selbstverliebt und hat den Tiefgang einer Pissrinne. In den letzten 30 Jahren hat nur Zack Snyders 300 härter in diese Kerbe, aus Style over Substance, geschlagen. Und ja, dass macht den Film auch irgendwie aus. Meine Frau hat mal gesagt, dass Sie Suspiria für die visuelle schönste Belanglosigkeit der Welt erachtet. Besser kann man das Problem gar nicht zusammenfassen. In Argentos Frühwerk ist zwar alles mit wirklich viel Elan inszeniert, hat allerdings keinerlei Bedeutung. Roger Ebert hat einmal über Roger Christian gesagt, dass dieser zwar wisse, dass man eine Kamera schief halten könne, allerdings offensichtlich nicht verstünde warum man das machen sollte. Genau das ist der Punkt. Wenn Film eine Sprache ist, dann schrieb Argento in den 70er und 80ern seine Einkaufsliste in Fraktur. Hübsch anzusehen und völlig bedeutungslos. Wäre Style alles was es für einen Regisseur bräuchte, dann wäre Robert Rodrigeuz heute mehr als eine Fußnote in Quentin Tarantinos Karriere. Aber, im Gegensatz zum eben erwähnten Rodriguez, hat Dario Argento die Grundlagen des Filmemachens dann halt doch noch erlernt. Filme wie Jenifer sind der beste Beweis dafür. Jenifer hat nicht nur eine wirklich dichte, und zuweilen zutiefst unangenehme, Grundatmosphäre, sondern auch einen durchgängigen, und man möchte sagen für Argento unerwartet selbstreflektiven, Subtext. Der Film findet seinen Hauptcharakter in einer sexuellen Abhängigkeit, gegenüber der titelgebenden Jenifer, deren Gefahrenpotenzial für alle Personen in seiner Umgebung klar ersichtlich scheint, und nur von ihm entspannt ignoriert wird. Weil Titten! Wer sich schon mal mit Argentos Biographie, und auch mit seinen exploitiven Tendenzen gegenüber seiner Tochter, beschäftigt hat, wird leicht Parallelen zum Regisseur selbst finden. Und, im Gegenteil zu seinen berühmten frühen Werken, findet sich dieser Einfluss in jeden Frame dieses Kurzfilms wieder. Argento hat doch tatsächlich gelernt, dass Zurückhaltung und Geduld wichtige Werkzeuge im Kino sind, und sogar, dass eine Zügelung der eigenen stilistischen Exzesse die Effektivität selbiger, wenn Sie denn dann auftreten, gar enorm steigert. Denn wer nun glaubt Dario hätte das Auge für Bilder, welches Ihn damals so berühmt machte, verloren, der passt nicht richtig auf. Im letzten Drittel von Jenifer gibt es beispielsweise eine Hetzjagd durch einen nächtlichen Wald, die nicht nur die meisten modernen, von Wackelkamera und Framecutting geplagten, Genrevertreter, die sich an ähnlichen Szenarien versuchen, locker in den Schatten stellt, sonder auch ohne Weiteres aus einem Film wie Inferno stammen könnte. Im Vorfeld meiner Sichtung wurde ich übrigens vermehrt vor dem, weit im Voraus ersichtlichen, und letztlich wohl auch sehr enttäuschenden, Twistende gewarnt. Ich muss dazu sagen, dass mein Interesse an Story anscheinend, auch in Verbindung mit steigendem Lebensalter, stark nachgelassen hat. Wer immer noch eine Obsession mit den Enden von Blade Runner und Fight Club pflegt, befasst sich, meiner Meinung nach, seit Jahren mit den langweiligsten Aspekten dieser beiden Filme. Dementsprechend hat mich die etwas unspektakuläre Auflösung des Streifens weniger gestört, es sollte allerdings dennoch erwähnt werden, dass es diese massive Schwäche im Film gibt. Davon abgesehen ist Jenifer, neben Sleepless, Pelts und dem wundervollen Phantom of the Opera, ein weiterer Beweis für mich, dass Dario Argento mit jedem verstreichenden Jahr ein besserer Filmemacher, in einem Genre das solche traditionell nicht zu schätzen weiß, wird. Vielleicht traue ich mich ja doch irgendwann mal an Dracula 3D ran. Trashbox
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