Lilyhammer (2012-14)Darsteller: Steven Van Zandt, Drehbuch/Musik: Steven Van Zandt
3 Seasons á 8 Folgen
Seit 1. Dezember als Komplettbox von STUDIOCANAL erhältlich
Frank Tagliano (Steven Van Zandt) ist ein Mafiaboss, der einen anderen an die Polizei ausliefert und dafür eine neue Identität im Zeugenschutzprogramm bekommt. Auf eigenen Wunsch lässt er sich in die norwegische Provinz – genauer gesagt die Olympiastadt von 1994 Lilyhammer – umsiedeln. Dort gelingt es ihm, dank seiner „ganz speziellen“ Fähigkeiten, recht schnell ein kleines und gut funktionierendes Verbrecherimperium aufzubauen und mehr oder weniger alle Bewohner der Kleinstadt darin zu involvieren. „Lilyhammer“ ist mit Sicherheit keine Serie für jedermann. Das beginnt schon damit, dass nahezu die Hälfte aller Dialoge in lupenreinstem Norwegisch gesprochen werden, was erheblich zum Realismus beiträgt, andererseits natürlich den Einstieg nicht einfach macht. Glücklicherweise hat man in der deutschen Synchro ein Mittel dagegen gefunden und komplett alle Charaktere durchsynchronisiert – ja, das war sarkastisch –, so dass ich jedem Interessierten nur empfehlen kann auf die englische Sprachfassung mit (übrigens sehr guten) deutschen Untertiteln zurückzugreifen. Schließlich lebt die Serie vor allem davon, dass in ihr zwei komplett unterschiedliche Kulturen aufeinandertreffen, wobei die Sprachbarriere noch eine der einfachsten Hürden ist, die Frank, der als Tarnnamen Giovanni "Johnny" Henriksen zugeteilt bekommen hat, überwinden muss. Wenn der italienischste aller italienischen Mafiosis (schließlich hat Van Zandt bereits eine ähnliche Rolle in der meisterhaften Serie „The Sopranos“ gespielt) nun auf die norwegischsten aller Norweger aus Norwegens norwegischster Region trifft, ist Chaos vorprogrammiert. Immer schlecht gelaunt, klein, rundlich und mit ständig hochgezogenen Schultern bricht „Johnny“ nun wie eine Naturgewalt über das beschauliche Städtchen und sein gewachsenes soziales Gefüge herein und spielt die norwegischen Bewohner – die übrigens ähnlich zuvorkommend, liebevoll und glücklich sind, wie die Kanadier – mittels kleinerer Erpressungen und Drohungen gegeneinander aus und sich in die Hände. „Lilyhammer“ überzeugt mit einem sicheren handwerklichen Stil, den wunderschönen Landschaften und einem brillanten Humor, der allerdings nicht unbedingt jedermanns Sache ist. Denn dadurch, dass Van Zandt sein Traumprojekt (bei dem er auch als Produzent fungierte) fast ausschließlich am Originalschauplatz und mit norwegischer Crew drehte, ist auch der Witz dem Enstehungsland angepasst und sehr „kühl“. Auf schnippige Wortgefechte und optisches Chaos sollte man hier nicht hoffen, die Komik entsteht komplett aus den Situationen und den Charakteren, sowie deren Reaktionen heraus und manches Mal ist eine Einstellung dadurch auch schon mal etwas länger als gewohnt, so lang nämlich, bis sie ihr gesamtes Witzpotential ausgeschöpft hat. Eine Kunst, die „Family Guy“ bis zur Perfektion beherrscht und die auch bei Lilyhammer ausgesprochen gut funktioniert, wenn man es halt mag. Action- und gewaltmässig ist die Serie eher zurückhaltend inszeniert. Sicherlich neigt auch „Johnny“ – wie es sich für einen zünftigen Mafiosi gehört – zu Gewaltausbrüchen, hierbei wird aber gerade nur so viel gezeigt, dass man als Zuschauer genau mitfühlt was passiert. Nichts gegen einen Scorcese-mäßigen Ekzess, aber manchmal ist weniger halt mehr. Zusätzlich lebt „Lilyhammer“ natürlich auch von seinen überragenden Figuren, die alle herrlich überzeichnet sind, aber nie zu einer Karikatur verkommen. Speziell Torgeir (Trond Fausa) sticht hier hervor, der anfangs noch ein arbeitssuchender Loser ist, sich aber im Laufe der Serie zu „Johnnys“ rechter Hand entwickelt. Ebenso stark ist Marian Saastad Ottesen, die Sigrid, eine junge, alleinstehende Mutter darstellt und nicht nur ein Zwillingspäärchen durch eine Affaire mit Johnny zur Welt bringt, sondern sich am Ende als eine der tragischsten Figuren der Serie herausstellt. Überraschend auch, dass sich die Serie auch relevanten gesellschaftpolitischen Problemen gegenüber nicht verschließt. So bekämpfen Johnny und seine Gang unter anderem, natürlich nicht immer mit legalen Mitteln, Korruption in der Stadtverwaltung, Homophobie, Rassismus und fehlgeleitete Asylpolitik. Die sich über die ganzen 3 Seasons erstreckende Geschichte bekommt am Ende einen zufriedenstellenden Schluß serviert, der erwartungsgemäß nicht für alle Figuren gut ausgeht. Aber Lachen und Weinen sollten in einer guten Serie auch dicht beieinander liegen. Es ist halt ein ganz besonderes Mahl, was uns Van Zandt hier zubereitet und es ist komplett mit norwegischen Gewürzen auf den richtigen Geschmack gebracht. Das macht auch eine einfache Einordnung nicht sehr leicht – ist es jetzt eher ein Drama oder eher eine Komödie, die uns da präsentiert wird. Handlungsmässig könnte man das Ganze auch als Gangsterfilm ansehen, einige Passagen erinnern sogar an die beliebten skandinavischen Krimis von Joe Nesbit und Kollegen. Daher fällt es mir auch schwer, eine uneingeschränkte Empfehlung auszusprechen. „Lilyhammer“ entpuppt sich somit als etwas ganz und gar Eigenständiges und ist – bei einer Gesamtlänge von nur 18 Stunden – einfach mal einen gewagten Blick wert. Für Unentschlossene und schnelle Interessenten emfpiehlt sich der Blick auf NETFLIX, wo dieSerie aber nur noch bis kurz nach Weihnachten erhältlich ist. Wer dann nach zwei bis drei Folgen süchtig sein sollte, kann dann schnell zur DVD oder BluRay von Studiocanal greifen, die die komplette Serie seit dem 1. Dezember in einer neuen Box anbieten. Einziger Wermutstropfen hierbei ist, dass sich auf den Scheiben nahezu keine Extras (bis auf ein paar Outtakes und ein 4-minütiges Feature über die Entstehung des Titelthemas) finden lassen. Das ist natürlich besonders schade, da Steven Van Zandt nicht nur als Darsteller bekannt ist, sondern auch ein wichtiges Mitglied von Bruce Springsteens „E-Street-Band“ war. Da hätte man sicherlich leicht (und preiswert) Dokumentationsmaterial auftreiben können. Schade, diese geniale Serie hätte eine bessere Vermarktung (und eine intelligente Synchronisation) verdient. dia
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