Demolition Man Acclaim Entertainment, Virgin Interactive, Alexandria Inc., SNES, 1994
Was sind Ihre Extreme? Hier ist eine Spielerezension des besten Reviewers des 21. Jahrhunderts (eher nicht) für die härteste Filmseite des 21. Jahrhunderts (eher nicht? Sollte das Infragestellen noch in Klammern stehen bleiben, bezeugt Chefredakteur Dia ein hohes Quantum Selbstironie. Sollte er es entfernen, schreie ich Zensur und schmolle).[1] Der Sci-Fi-Streifen aus dem Jahre 1993, der unter dem Verweistitel "Demolition Man - Ein eiskalter Bulle" (aua) in den deutschen Kinos lief, war wohl erst spät von Erfolg beschieden. Bei den Kritikern wurde er nicht so sehr gefeiert wie heute von Filmfans und Freunde des Actionkinos der 1980er verstehen Demolition Man nicht bloß aufgrund der "Anspielung" eines "Konkurrenten" jener Ära als das "Last Action Hero"-Equivalent des italienischen Hengstes. Auf den Film muss ich hier wohl nicht weiter eingehen, den dürfte nach 25 Jahren wohl jeder mal gesehen haben (und das vermutlich mehr als einmal. Hoffe ich, ich kann ja unmöglich der Einzige sein, der den Film feiert).
Das gleichnamige Game, welches ich für den SNES zockte, ist eigentlich sehr gut mit seinem cineastischen Vorbild zu vergleichen: kein Meilenstein, aber durchaus unterhaltsam und nett anzusehen. Manchmal vielleicht etwas zu nett, doch darauf gehe ich später ein. Da wir mittlerweile das Jahr 2018 haben und nach dem großen Beben 2010 eine neue Zivilisation entstand, ist Nettigkeit natürlich für unsere Gesellschaft ein hohes Gut, sehr verehrter Bürger. Da sorgt das erste Level schon für brachiale Abwechslung. Als John Spartan im Jahr 1996 seilt man sich aus dem Helikopter ab und eröffnet noch im Flug das Feuer auf Feinde, die aus allen Richtungen kommen und ihre Pixelprojektile auf einen feuern. Yeah! Wie barbarisch, wie primitiv, wie cool. Die Steuerung ist flüssig - manchmal leider etwas zu flüssig und man stirbt hin und wieder einen eher unnötigen Tod. Für den Plattformer fehlt ihm eben; bei all der Materialschlacht und dem Geballer; oftmals die Balance eines Super Mario World, wobei es jedoch Gott sei Dank nicht in das Speedlevel eines Contra gipfelt. Spartan bewegt sich schnell und so manches mal verpasst er leider den Absprung und stürzt in den Tod. Die Respawns sind jedoch fair aufgeteilt, sodass man schnell wieder im Geschehen ist. Auf die Story wird ingame wenig eingegangen. Eher erwartete man (zu Recht?), dass der Gamer die filmische Vorlage auch kennt (was wohl für die damalige Zeit eher anzuzweifeln ist). Dennoch angenehm, dass man es hier nicht mit einer totalen Lizensgurke zu tun hat wie bei "Back to the future" oder "Die Hard". Seit der NES-Ära hatte sich eben mit der Verdopplung der Bitzahl von 8 auf 16 (ohne Blast Processoring) doch ein klein wenig was getan. Dennoch herrscht auch die alte Regel vor: Gameumsetzungen zu einem Film sind nie (!) so gut, dass sie einen vom Hocker hauen können (das verhält sich wie die Verfilmungen von Büchern. Ganz schlimm wird es dann aber mit Videogameumsetzungen zu Filmen, die auf Büchern basieren - denke ich da an "Mary Shelley's Frankenstein" oder "Bram Stoker's Dracula" aus jener Zeit. Das eher neuere Spiel "Schatten von Mordor" lasse ich mal außen vor, da es alleine lizensrechtlich irgendwo zwischen Buch- und Filmvorlage hin und her switched und nicht explizit den "Herr der Ringe"-Stempel tragen darf). Soviel dazu, denn die nervigen Aspekte sind zu ätzend, um das Spiel unnötig zu glorifizieren und die coolen Aspekte sind zu cool, um das Spiel alles in allem zu zerreißen. Wir können also festhalten, wir haben es mit einer mittelmäßigen Umsetzung eines mittelmäßigen Filmes zu tun, die wie seine Vorlage dennoch unterhält und das nötige Pensum Cool(s)ness besitzt, nicht zu resignieren. Nach dem ersten Level, indem man Simon Phoenix verfolgt und man am Ende herausfindet, dass man eigentlich nur rennt, ballert, springt und letztlich überlebt (ach!), geht es ohne Umschweife in das Jahr 2032. Ein kurzes Standbild informiert uns darüber, dass John Spartan eine ganze Weile außer Dienst und auf Eis gelegt war (aua! Dieser schlechte Wortwitz im Verweistitel lässt mich nicht los), anschließend informiert uns ein futuristisches Pixel-Interface (samt Call-In-Cop, der im Film von Rob Schneider gespielt wurde und zwischenzeitlich netten Botschaften wie "eat non-fatty foods" oder "you look great today" von sich gibt) über eine Menge MurderDeadKills und dass Simon Phoenix im Waffenmuseum sein Arsenal aufzustocken gedenkt. War Level 1 noch ausgeglichen und fair, lässt einem Level 2 so manches mal gegen das verbale Moralitätsstatut verstoßen. Plötzlich ist es ein Top-Down-Game, optisch an eine downgraded Version von "Zombies ate my neighbors" erinnert. Nur in schlechter. Man trifft die immer wieder neu gespawnten Gegner nur sehr schwer und nicht immer reagiert das Game auf das Betätigen der Feuertaste. Man sammelt wie im bereits besprochenen Game verängstigte Museumsangestellte (die in einer überraschend sauberen Sprachausgabe mit einem "Be well" dankend reagieren) ein und dadurch öffnen sich Energiebarrieren, sodass man im Level voranschreiten kann. Fair wird hierbei, dass hin und wieder Gesundheits-Power-Ups einen etwas rehabilitieren. Aber seien wir mal ehrlich: der erste Tag im Dienst nach 34 Jahren, keine Zigarette geraucht und kein Salz im Essen... so ein Tag kann nicht einfach sein. Lobend sei dabei erwähnt, dass man die Scheiben von Schaukästen einschießen kann. Erfüllt keinen Zweck, ist aber mächtig cool und als verunsicherter heterosexueller Mann des zwanzigsten Jahrhunderts, erfreut einem dieses Mindestmaß an Zerstörung bezüglich der Detailfreiheit schon ein wenig. Gegen Ende gibt es eine Schießerei gegen Simon Phoenix. Nicht die letzte im Spiel. Hat man seinen Lifebar genug runter geballert, stürzt er in den Glasboden ein und man kommt ins dritte Level: der perfekten Nachbildung einer amerikanischen Stadt aus dem Jahre 1996 (oder wie wir es nennen würden: Offenbach am Main). Level 3 ist wieder ein Platformer, der einem an Level 1 erinnert. Auch hier kann man sich dem Namen des Games ableitend ein wenig austoben und neben einigen Gegnern auch Neonschriftzüge zerschießen (jippie). Ab und zu schießen Flammen aus dem Boden, die es auszuweichen gilt und man sollte es tunlichst vermeiden in den Schutt zu fallen. Man klettert, ballert und springt, bis man schließlich ans Ende des Levels gelangt, wo eine große Überraschung auf uns wartet: wieder einmal Bossgegner Simon Phoenix. Er steht auf einer Plattform und eröffnet mittels futuristischer Kanone das Feuer auf Spartan, während auf der unteren Plattform Gegner in den Screen rennen. Die Projektile kommen in einer derart großen Anzahl, dass das Spiel ruckelt (ein Effekt, den ich erst aus späteren Spielen für technisch ausgereiftere Systeme kenne). Dies sorgte natürlich für laufende In-Game-Tode und einige Knöllchen mehr wegen Verstöße gegen das verbale Moralitätsstatut, bis ich nach geraumer Zeit herausfand, dass ich die Plattform nicht betreten darf, sondern an der Leiter hängen bleibe und so lange auf Simon schieße, bis er wieder einmal lachend das Weite sucht. In dieser Zeit schießt er auch nur vereinzelte Projektile und das Spiel reizt die knapp oberhalb eines Taschenrechners befindliche Hardware des SNES nicht ganz so extrem aus (NEIN! Es wird nicht besser, wenn ich vorher in das Spiel reinpuste. Das hat noch nie etwas gebracht, wir haben es nur jahrelang geglaubt und fühlen uns einfach besser, wenn wir das tun. Es ist sogar eher schädlich für das Spiel, da der warme und feuchte Atem die Kontakte eher korrosieren lässt). Level 4 entfernt sich dann von der filmischen Vorlage. Kriminelle zerstören Autos und wir sollen sie daran hindern. Eine solche Szene gab es im Film nicht, ist jedoch ein interessanter Aspekt und passt in das Flair. Der Aufbau bleibt auch hier gleich: Klettern, schießen, springen, wiederholen. Zwischendurch muss man von futuristischen Kränen, die aussehen wie Bossgegner aus Mega Man, abgeworfenen Autos ausweichen. Gegen Ende zerstört man einen blitzewerfenden Futurekran und man hat seinen Job erledigt, sobald einem die gesamte Werkstatt um die Ohren fliegt. In Level 5 kapert man eine entführte Monorail, wobei man im Maschinenwagen auf Lichtblitzen, die an manchen Orten von der Decke kommen, achten muss. Hier geht es zum ersten mal stoisch von links nach rechts (mit einem kurzen Abstecher auf dem Dach der fahrenden Monorail) und man hat das Level bewältigt, sobald man das Fahrzeug in die Luft gejagt hat (ein schöner Running Gag, dass man Spartan durch das Spiel eine Schneise der Verwüstung zur Wiederherstellung von Recht und Gesetz ziehen lässt). In Level 6 geht es wieder in den Top-Down-Modus und der Missionstext zauberte mir ein Lächeln aufs Gesicht: "Criminals are destroying our beloved library". Wie bereits in Level 2 marodiert man sich nun also in der Vogelperspektive durch die Schwarzenegger-Präsidenten-Bibliothek. Dort befinden sich zwar kaum Bücher, jedoch eine Menge Computer und Server, die ab und zu auch das Feuer auf Spartan eröffnen (Skynet-Witz hier einfügen). So plätschert das Spiel noch eine ganze Weile weiter, man hangelt durch die in Primärfarben gehaltene Kanalisation und verfolgt - ganz wie im Film - dabei stets Simon Phoenix. Ab Level 7 behält das Spiel seine Platformer-Stärke bei und hat man dann irgendwann im letzten Level Simon Phoenix endgültig zur Strecke gebracht, wird man mit einem schönen Pixelstallone belohnt, der einem mitteilt:
...kein Wunder, fliegt immerhin jedes Level irgendwie in die Luft.
Hiermit beende ich diese Review schon bald, denn nach dem Spielen habe ich durch die dunklen Farbtöne (die später durch erwähnte Primärfarben einen fiesen Kontrast bilden) Kopfschmerzen. Ich hätte das Spiel wohl auf einem Röhren-TV spielen sollen und nicht auf meiner VR-Brille - die Hoffnung auf etwas futuristischen Sex mit Sandra Bullock war eben da. Als Fazit lässt sich sagen, dass sich das Spiel im Mittelteil sehr vom Film entfernt, jedoch den Spieler bei der Stange hält. Wie für damals typisch steigert sich die Schwierigkeit nicht von Level zu Level, sondern behält den gleichen relativ hohen Standard bei. Wer Lust auf ein etwas beschleunigtes Mega Man 1 oder ein entschleunigtes Contra hat, dem sei dieses Spiel zu empfehlen. Man kann es online für knapp 30 Euro erwerben. OVP darf man dann auch gerne mal 300 Euro hinblättern. Be well.
Mario
[1] „Hart“ war nie unser Ziel – wir wollten einfach nur immer die „beste Website der Welt sein“ und das ist uns eh seit Tag 1 gelungen.
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- Mario Zimmermann