Zombies ate my neighbors!
Das Thema Zombies und Videogames ist mittlerweile so durchgekaut wie Captain Rhoades in "Zombie 2 - Day of the dead". Da gibt es neben „Resident Evil“, „Left 4 Dead“, „The Last Of Us“ mittlerweile von „Call Of Duty“ bis „Metal Gear Solid“ und „FarCry“ wohl kaum ein Game ohne Zombie-Mods (egal, ob offiziell vom Publisher oder von Fans programmiert). ![]() Natürlich gönne auch ich mir dahingehend den ein oder anderen Leckerbissen, verfolgen mich die wandelnden Toten immerhin schon seit frühster Kindheit, als mir das erste mal der Friedhofszombie in "Night of the living dead" das Fürchten lehrte (den fand ich gruselig, bis ich Jahre später "Zombie Nosh"/"Flesheater" sah, das für sich stehende "Meisterwerk" von Friedhofszombie Bill Hinzman/Heinzman, welches seit kurzem auf Youtube von Netzkino zur Verfügung gestellt wird. Damals waren schlechte Zombiefilme wenigstens noch unterhaltsam und billig und nicht - wie heute - teure Produktionen, so dass B-Movies das Budget eines "Zombie - Dawn of the dead" schon bei weitem überschreiten. Inflationsbedingt, versteht sich). In den 90ern, als ich mit einer Dose des neu auf dem Markt erschienenen Pepsi Max (You're the Pepsi generation, guzzle down and taste the thrill of the day) und einer Röhre Pringles (einmal gepoppt, nie mehr gestoppt) samstagnachmittas nach einer intensiven Zeichentrickserienbestrahlung durch die Flintstones über Animaniacs bis hin zu Scooby-Doo in meinem bunten Jogginganzug im gedimmten Licht am Fliesentisch unter der Delphine-springen-aus-einem-Wasserfall-über-einen-Regenbogen-Uhr im Wohnzimmer saß und zum hundertesten mal das ausgeleiherte Video-2000-Tape von "Zombie - Dawn of the dead" geschaut hatte, träumte ich von einem Zombie-Spiel, das mir vor Furcht den Vokuhila zu Berge stehen ließ. Da
"Zombies!" ![]() lautete der schlichte Titel. Ich wollte es, ich brauchte es. Meine Augen leuchteten unter der Glasbausteinbrille und meine Hände zitterten so stark, dass mein neongrünes Schnapparmband sich fast vom Handgelenk löste. Der Titel dieses Spiels konnte nur Gutes versprechen. Ich erwartete in einem Panzer fahren zu können, der atomar verstrahlte Kettensägen auf Zombiehorden schießt, während in einem Blutregen nackte Jungfrauen zu synthetisierter E-Gitarren-Musik um den Helden dieses Spiels tanzen würden und Levelnamen wie "Hellriding Demonslayer" ohne zu wissen, was das übersetzt bedeutet, mein Leben noch ein kleines bisschen besser machen würde, als es ohnehin schon war. Meine Mutter bekam durch ihre Kundenkarte einen Rabatt von 1,50 DM für das ganze Wochenende und ich bekam neben dem Spiel noch ein Videomagazin, das über die neuen Folgen der achten Staffel von "Eine schrecklich nette Familie" berichtete. Endlich zu Hause angekommen stärkte ich mich durch eine Schüssel Frosties (Tony, der 2D-animierte Tiger, weckte den Tiger in mir- und dir!) und eine Tasse Kaffee ("isch abe gar kein Auto"), um mir endlich die Nacht um die Ohren schlagen zu können im Kampf gegen grausame Kreaturen aus dem Reich der Toten - ein Inferno auf Erden, welches selbst Dante das Fürchten lehren sollte. Dieses Spiel wird mein persönliches "Bonestorm" werden. Also Rolladen runter, Licht aus, Wasserblubberröhrenlampe an und einmal kräftig in die Cartridge gepustet (Blast Processoring) und los ging es in die Welt der Untoten.
Denn schon im Menü wurde ich gewahr, dass "Zombie" doch nicht das bluttrünstige Gemetzel werden wird, auf das ich hoffte und es dennoch kein Problem für mich darstellte.
Beim Drücken von "Start" kommt man nach dem Hören eines gruseligen Lachens (Wooharrharrharr) zur Charakterauswahl, in der man sich zwischen zwei supercoolen Figuren entscheiden kann. Zum einen ist da ein Typ mit Bart-Simpson-trifft-Johnny-Bravo-Frisur, einer 3D-Brille (cool, die selbe hatte ich auch. Dem Micky Maus-Magazin und Yps-Heft sei Dank etwa zwei Dutzend davon. Direkt neben den vertrockneten Urzeitkrebsen und Detektiv-Sets), einer Armbanduhr am rechten Handgelenk (Fuck the System), schwarzem Shirt mit weißem Totenschädel (badass) und einer roten Cartoon-Uzi. Das andere ist ein Mädel mit rotem Trucker-Cap, modern den Zopf aus der Mütze hängend (fast so cool wie bei Alicia "Al" Lambert in "Eine starke Familie"), einer lila Trainingsjacke (wie sie DJ in "Full House" hatte), einer blauen Cartoon-Uzi und einem Dekolleté, welches fehende atomkettensägenschießende Panzer wieder wett machte (bevor sich nun jemand über Sexismus beschwert: hier geht es um die 90er, das Thema gab es damals nicht. Tief durchatmen und aufhören das Gesicht zu verziehen als würde man gerade das erste mal einen Centershock essen). Der Hintergrund der Charakterauswahl zeigt eine Sammlung Monster, die man alle kennt und liebt und auf die ich gleich weiter eingehe. Zudem deuten bereits Celluloid-Filmbänder darauf hin, dass man es hier wohl mit einer Reise durch die Cineastic zu tun hat. Jetzt muss das Spiel nur noch spielbar sein und Spaß machen - zwei Faktoren, die in Games jener Ära nicht immer selbstverständlich waren.
Beim Starten des Spiel bekommt man die Mission angezeigt: „Resque the neighbours“. Man steuert den Charakter in isometrischer Sicht, er bewegt sich nach oben, unten, links, rechts und auch diagonal. Als Waffe hat man die Cartoon-Uzi, die sich als Wasserpistole heraus stellt. Im ersten Level befindet man sich in der titelgebenden Nachbarschaft, hin und wieder kommen Zombies aus dem Boden und man kann diese mit einem einzigen Schuss zur Strecke bringen. Kein "Aim to the head". Einfach nur mit einer Wasserpistole auf einen Zombie schießen und er geht in Flammen auf. Wer braucht da noch Atomkettensägenpanzer? Zusätzliche Waffen findet man über die Map verteilt. Man kann zum Beispiel geschüttelte Coladosen wie Granaten werfen, mittels Feuerlöscher die Zombies kurzzeitig einfrieren oder eben einer Panzerfaust - die mal eben so herum liegt - habhaft werden.
Eine Storyline bekommt man nicht erzählt, denn die erschließt sich durch Titlecards am Anfang des Levels und den ohnehin comichaften Stil von selbst. So findet man oben erwähnte Panzerfaust zum Beispiel im zweiten Level neben einem Soldaten, den es auch zu retten gibt. So scheint also das Militär sich einmischen zu wollen, auch wenn es nur als zu rettender Nachbar gilt. Oder der Soldat ist ein verrückter Waffennarr der Nationalgarde, der sich seiner Sache doch nicht so sicher ist. Die Nachbarn, welche grillen wollen oder Cheerleaderübungen machen, leben ungestört ihren skurillen Alltag, während Untote sich ihnen gütlich zeigen möchten und, warum auch immer, ist man der Einzige, der die Zombies daran hindern will. Lustig dabei ist es, dass eine hüpfende Cheerleaderin einem 1000 Punkte bringt, während eine alte Lehrerin mit grantigem Blick und einer vergeigten Arbeit (F-) gerade einmal 10 Punkte bringt (wie ich es als Kind hasste, wenn meine Klassenlehrerin mit meiner vergeigten Mathearbeit im Garten der Nachbarn stand). Kommen einem die Zombies zuvor und ein Nachbar segnet das Zeitliche, verwandelt letzterer sich umgehend in einen Engel und steigt in den Himmel auf (auch die Lehrerin). Hallelujah, ein Happy-End für jeden. Manche Türen sind verschlossen, doch die passenden Schlüssel liegen hier und da herum. Es ist auch egal, welchen Schlüssel man nimmt - jeder Schlüssel passt in jedes Schloss, nur auf die Anzahl kommt es an (nimm das, Resident Evil). Wirklich los wird man die Gammler aber nie, denn es werden ständig neue generiert. Wer also denkt, dass man nach dem Fund eines Schlüssels nun den Weg zurück zur zuvor entdeckten verschlossenen Tür nehmen und nebenbei noch etwas herumtrödeln kann, der wird eines besseren belehrt. Und da wir schon dabei sind: ja, die Zombies sehen alle gleich aus: graue Haare, braunes Jacket, müffiges Äußeres - wir befinden uns also in der zweiten Staffel von "Fear the walking Gauland". Als schönes Easteregg ist zombiemäßig auf dem Friedhof mehr los als in den Nachbarsgärten, zudem sieht man einige Giftfässer herumliegen, welche die Ursache der Zombieseuche sein könnten (Trixie?). Hat man genügend Nachbarn eingesammelt... ähm, gerettet, indem man einfach durch sie durch läuft, erscheint aus dem Nichts eine Tür, durch die man schreitet und das Level verlassen kann. Und so zieht sich das von Level zu Level. Massenweise Easter-Eggs, Monster, Labyrinthe und vor allem abwechslungsreiches Leveldesign sorgen für Abwechslung und Spaß. Auch bieten einem die Titlecards von Level zu Level nette Gags und Seitenhiebe auf Filme, wie zum Beispiel der Name von Level 2 beweist. Abwechslungsreiche Musik und schöne Soundeffekte sind dabei noch die Kirsche auf dem Sahnehäubchen. Würde man aus der Argento-Version von "Zombie - Dawn of the dead" das meiner Meinung nach ätzende und schrille Synthiegedudel von Goblin herausfiltern und stattdessen einige Tunes aus "Zombies ate my neighbors" einfügen, hätte der Film durchaus ein höhrenswerteres Flair (mit dieser Aussage mache ich mir jetzt keine Fans, gilt doch eine Kritik gegen das Leiherkastenverkloppen von Goblin als achte Totsünde). Aufmerksame Leser - und das sind alle Leser von Evil-Ed, wie ich bereits in früheren Gastreviews feststellen konnte - dürften bemerkt haben, dass ich bisher nur von den ersten beiden Levels berichtete und dafür schon einiges zu sagen hatte. Vor allem, da dieser Schwall aus Worten bisher etwa drei bis fünf Minuten Gameplay ausmachte. Also haben wir es hier mit einem ganz besonderen Spiel zu tun, das mit seiner Schlichtheit besticht und nur eines möchte: unterhalten. Und das schafft es, denn die wechselnden Szenarien machen neugierig und amüsieren immer wieder, wobei sie dennoch durch steigendem Schwierigkeitsgrad herausfordern (und dabei stets ein faires Gameplay erhält). Keine Blutorgie, wie ich einst hoffte, sondern eine cartooneske Parodie auf das Horrorgenre, die auch als liebevolle Hommage verstanden werden kann. Und auch oder gerade weil es nicht das Gemetzel ist, das ich mir einst wünschte, überzeugt "Zombies ate my neighbors" umso mehr. "Die Konsole hieß in Japan Super Famicon, es war für Familienspiele ausgelegt. Dort wirst du niemals das große Gemetzel erleben, du Idiot" taucht gerade dieser nette Kommentar eines "Spieleprofis" vor meinem inneren Auge auf, während ich an Mortal Kombat und Doom zurück denke - zwei Spiele, die so familienfreundlich wie irgendmöglich meine ohnehin schöne Kindheit noch mehr verschönerten. Zudem es mehr Inhalt bietet als das heute populäre "Plants vs. Zombies". Den genannten höhere Schwierigkeitsgrad bemerkt man, wenn man sich in einem Kaufhaus umschaut (Zombies? Kaufhaus? Ich bin hin und weg), denn ab und zu wird man neben den namengebenden Zombies zusätzlich von axtschwingenden Puppen attackiert, um im nächsten Level - einem Irrgarten - dem Hybrid aus Jason Voorhees und Leatherface gegenüber zu stehen (im späteren Spielverlauf begenet man auch so manch anderem Monster, welches man aus dem Hintergrund der Charakterwahl bereits sehen durfte).
Als schönen Bonus kann man das Spiel auch zu zweit spielen. Dabei muss man sich allerdings den selben Screen teilen, was dem Ganzen etwas die Dynamik nimmt. Nichtsdestotrotz ein nach wie vor brauchbares Partygame, das mit Spielspaß nicht geizt und nicht nur Fans von Zombies in seinen Bann zu ziehen weiß. So sehr, dass wir das Spiel bis heute nicht in die Videothek zurück gebracht haben. Die hat aber ohnehin zur selben Zeit dicht gemacht wie der Aerobic-Kurs nach Vorbild von Cindy Crawford, der Vokuhila wich einem Irokesenschnitt, die Generation Pepsi macht wie jeder andere auch seine Steuererklärung, Tony weckt in einem nicht mehr den Tiger, bei DEA tankt keiner mehr auf, Francesco hat mittlerweile ein Auto, der Fliesentisch wurde als Dekoelement an RTL verkauft, Pamela Anderson und Nicole Eggert sind nicht mehr sexy (die unbesudelte Flickendecke ist jetzt auch nicht mehr auf dem Sofa, sondern liegt im Hundekorb) - aber "Zombies ate my neighbors" änderte sich nie und macht heute noch genauso viel Spaß wie vor einem viertel Jahrhundert. Mario
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- Mario Zimmermann