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Hardcore Henry (2016)

Hardcore
Regie: Ilya Naishuller

 

Wenn unser Protagonist Henry am Anfang des Filmes erstmals die Augen aufschlägt, befindet er sich auf einem OP-Tisch und bekommt gerade von einer jungen Frau, die sich als seine Angetraute vorstellt, einen neuen Arm und ein neues Bein verpasst.  Leider kann ersich nicht daran erinnern wer er ist und wie er in diese Situation gelangt ist, aber das ist auch erst Mal sein geringstes Problem, denn ehe er sich noch genauer mit seinen neuen Gliedmaßen beschäftigen kann, oder sein noch fehlendes Stimmmodul eingesetzt bekommt, wird das Labor von ein paar bösen Jungs unter der Leitung eines bösen telekinetisch begabten Bösewichtes gestürmt. Bei der Flucht muss Henry nun feststellen, dass er sich nicht etwa in mitten einer Großstadt, sondern in einem Flugzeug befindet. Es beginnt eine Flucht/Jagd, die sich über die gesamte Spielzeit des Filmes zieht.

„Hardcore Henry“ (bei dessen deutscher Betitelung man den Henry aus welchen Gründen auch immer entfernt hat) ist der erste Langfilm, der komplett in der Ego-Perspektive gedreht ist und in dieser Hinsicht durchaus konsequent. 

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Der russische Regisseur Ilya Naishuller hatte vor einigen Jahren bereits zwei Musikvideos in diesem Stil gedreht und somit nich nur extrem hohen Youtube-Clickzahlen erreicht, sondern auch die Aufmerksamkeit von Timur Bekmambetov (Wächter des Tages, Wächter der Nacht, Wanted) auf sich gezogen der sich sofort bereit erklärte die Produktion einer spielfilmlangen Version zu übernehmen. Eine gute Idee, denn selbst wenn der Film nicht zu einem großen Erfolg geworden wäre, hätte er sich zumindest auf diese Weise einen Eintrag in das große Buch der Filmgeschichte verdient. 

Doch logischerweise erwies sich „Hardcore Henry“ als der zu erwartende Hit und so ist eine Fortsetzung bereits in Produktion.

Aber was erwartet den Zuschauer denn nun außer der außergewöhnlichen Perspektive? Nun, da wäre zuerst einmal eine bewundernswerte technische Ausführung, ein nahezu perfekter Mix aus realen und computergenerierten Elementen, welcher dafür sorgt, dass man niemals den Bezug zum Film verliert. Zusätzlich hilft dabei natürlich dass in „Hardcore Henry“ kaum eine Minute vergeht ohne das zumindest einige Knochen gebrochen, Körper zerrissen oder Köpfe zerschossen werden. Der Splatterfaktor des Filmes ist dermaßen hoch, dass es verwunderlich erscheint, dass er ungeschnitten hier in den Kinos laufen durfte. Einige der Actionszenen (man denke hier speziell an eine Autoverfolgungsjagd in der Filmmitte) sind so überraschend und vollgepackt, dass man seinen Augen kaum trauen mag und zum Finale hin wird die Gewalt- und Actionschraube noch ein paar Drehungen weiter angezogen.

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Auf der anderen Seite wirkt der Film aber auch so, als schaue man einem Videospieler bei der „Arbeit“ zu und mehrere Male wollt ich zwischenzeitlich zu meinem PS3 Controller greifen um mitzuspielen.  Das mag für Freunde von „Let´s play“ Videos zwar interessant genug sein, auf mich wirkte das Ganze aber über die gesamte Laufzeit gestreckt eher ermüdend zumal Naishuller auch darauf verzichtet hat die für die Spielatmosphäre wichtigen Zwischensequenzen mit zu verfilmen, die für etwas Ruhe gesorgt und die wirre Handlung vielleicht erklärt hätten.

So bewegt sich Henry im Laufe des Filmes von Schauplatz zu Schauplatz (besser: Level zu Level), findet immer wieder neue und bessere Waffen und trifft auf immer neue gleich gekleidete Schergen, die es aus dem Weg zu räumen gilt. In jedem Level trifft er dabei auf einen Charakter namens Jimmy, der zum Levelende hin sterben muss, aber im nächsten wieder auftaucht und nähert sich dem Bösewicht immer mehr.

henry02Das ist inhaltlich halt schon alles und irgendwie auch etwas zu wenig, denn bei all der Action, all dem Rumgesplattere, dem wirklich gelungenen schwarzen Humor und all den wirren Kameratricks kommt leider so gar keine Spannung auf, weil es dem Zuschauer spätestens nach der zweiten „Henry ist scheinbar tot, kann aber kurz darauf wieder die Augen öffnen“-Szene so ziemlich egal ist wie es weiter geht und er nur noch auf noch mehr Splatter, noch mehr schwarzen Humor und noch mehr irre Kameratricks hofft.

Natürlich liefert „Hardcore Henry“ all das bis zum Finale aber ein wenig Story hätte dem Film sicher nicht schlecht zu Gesicht gestanden.

So bleibt am Ende ein nettes Experiment, das sich prima als Partyfilm (oder für Festivals) eignet, bei dem man sich aber mehr gewünscht hätte.

Sicherlich eine Kaufempfehlung, aber die Frage stellt sich, wie oft man die Scheibe wirklich in den Player legt.

 

 

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