Amonster quer
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(UK / Spain /USA 2016)
Sieben Minuten nach Mitternacht

 

Regie: J.A. Bayona

Buchvorlage/Drehbuch: Patrick Ness

Musik: Fernando Velázquez

Darsteller: Lewis MacDougall, Sigourney Weaver,
Felicity Jones, Liam Neeson, Geraldine Chaplin


 

Einleitung

Direkt zum Buch
Direkt zum Film

 

Von Zeit zu Zeit gibt es Filme, bei denen man direkt beim ersten Sehen weiss, dass sie zu Klassikern werden. Das ging mir so bei „Krieg der Sterne“ (ohne Nummer und damals für mich noch nicht Star Wars), bei „ALIEN“ und etlichen anderen, die mittlerweile aus der Popkultur nicht mehr wegzudenken sind. Aber auch kleine Filme packten mich auf ähnlicher Weise, wurden aber erst Jahre, oder sogar Jahrzehnte, später „entdeckt“. „The world according to Garp“ war zu Beginn ein rechter Flop, „Ghost World“ ein Geheimtipp und Sam Raimis genialer „The Gift“ wartet immer noch auf seine Entdeckung. Eines aber haben all diese Filme gemein – sie wurden spätestens zu Beginn des Nachspanns in die Liste meiner absoluten Lieblingsfilme aufgenommen und haben dafür gesorgt, dass die Inselfrage für mich noch schwerer zu beantworten wurde.

Amonstercalls 001Deshalb befinde ich mich mit dieser Kritik zu „A Monster calls“ auch in einem echten Dilemma, denn wie soll ich objektiv über etwas schreiben, dass mich subjektiv so sehr beeindruckt hat?  Unsere eifrigen Podcast-Hörer (und wer von Euch ist das nicht?) wissen eh schon, dass ich den Film als meinen Lieblingsfilm 2016 bezeichne und keine Chance auslasse davon zu erzählen.  Ich werde also im folgenden (recht langen) Artikel versuchen, mich so weit es geht an Fakten betreffs Buch und Film entlangzuhangeln und Spoiler wenn möglich zu vermeiden. Am Besten wäre es natürlich, wenn ihr jetzt einfach aufhört zu lesen und Euch im KINO (bitte geht rein!) überraschen lasst.

Seht ihr, das genau ist mein Problem.

Ich durfte den Film bereit am 15. Dezember 2016 in einer Pressevorführung – glücklicher Weise im Original – sehen und das einzige, was ich vorher davon wusste ist, dass er von J.A. Bayona stammt, der mich zuvor bereits mit The Orphanage und dem „Misery-Porn“ The Impossible überrascht hatte. Zusätzlich hatte ich natürlich auch noch den Trailer gesehen (und hier auf der Seite in den Himmel gelobt) und war somit mit der groben Geschichte vertraut, die auf den ersten Blick denkbar simpel erscheint.

In Kürze geht es um den 13-jährigen Connor, der mit seiner Mutter alleine in einem kleinen Haus auf dem Land wohnt. Da die Mutter schwer an einem Krebsleiden erkrankt ist, der Vater die Familie bereits vor Jahren verlassen hat und jetzt in Amerika sowie die Großmutter in der entfernten Großstadt lebt, hat Connor es gelernt für sich selbst und seine Mutter zu sorgen.

Amonstercalls 005Überdurchschnittlich intelligent und zeichnerisch durchaus begabt, flüchtet er vor dem Horror der normalen Welt in seine Phantasie und erschafft sich, aus einer hinter dem Haus auf einem Friedhofshügel stehenden riesigen alten Eibe, ein grummeliges Monster, dass ihn nachts um 0:07 Uhr (daher der vermarktungstechnisch katastrophale deutsche Titel) besucht. Das Monster erzählt ihm, dass es ihm bei seinen Besuchen drei verschiedene Geschichten erzählen wird und das dann Connor sich mit einer vierten – seiner eigenen - revanchieren soll.

Das ist nun also der rote Faden, an dem entlang sich ein bewegendes menschliches Drama entwickelt, das viel tiefer geht, als man es eigentlich erwartet.  

Film und Buch verstecken in der simplen Grundhandlung nahezu philosophische Ansichten betreff Leben, Tod und Verlustängsten und allem was an Prüfungen auf den Menschen zukommt. All das jedoch ohne erhobenen Zeigefinger und aus der Sicht eines Heranwachsenden in einem Alter, in dem solche Themen eigentlich noch keinen Platz haben sollten. Um zu verstehen, warum das so gut gelingt, muss man zuerst einmal einen Blick auf das Buch wagen.

Wer keine Muße hat sich damit zu beschäftigen, der kann natürlich auch direkt zur Filmkritik weiterklicken.

 Direkt zum Film

 

 

Das Buch

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Die Idee zu „A Monster calls“ stammt von der irischen Autorin Siobhan Dowd (1960 – 2007). Dowd war seit 1984 Mitarbeiterin beim Schriftstellerverband PEN und dafür zuständig die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Schriftstellern in Krisenregionen zu beobachten. In dieser Funktion leitete sie damals auch die Verteidigung von Salman Rushdie.

Wieder zurück in Irland gründete sie in den frühen 90ern ein britisches PEN-Programm, dass Schriftstellern ermöglichte unter anderem in Problembereichen wie Gefängnissen oder sozialen Brennpunkten zu arbeiten.

Vor dem Jahrtausendwechsel war sie Herausgeberin von drei Anthologien, die sich mit aktuellen Probemen Heranwachsender beschäftigten und im Jahr 2004 begann sie eine zweite Karriere als Jugendbuchautorin. Zwei ihrer Bücher wurden noch vor ihrem Tode veröffentlicht, zwei weitere Romane posthum.

„A Monster calls“ war ein fertiges Konzept, das sie in der Endphase ihres schweren Krebsleidens entworfen hatte und nicht mehr fertigstellen konnte.

Vollendet wurde das Buch von Patrick Ness, einem 1971 geborenen amerikanischen Autoren, dessen gefühlvoller Schreibstil die Figuren des Romanes lebendig und die emotionalen Höhen und Tiefen, durch die sie gehen fühlbar macht. Unterstützt wird das Werk durch die atemberaubenden Illustrationen von Jim Kay, die genau den richtigen Ton treffen. Einige Beispiele dafür findet ihr hier im Text.

Ebenso wie der Film ist auch der Roman eine Achterbahnfahrt der Gefühle, die überraschender Weise auch dann noch funktioniert, wenn man den Film vorher gesehen hat. Mit gerade einmal 200 Seiten (von denen ungefähr ein Drittel auch noch aus Illustrationen besteht) ist das eines dieser Wiesen-, Wald- und Strandbücher, es funktioniert aber auch sehr gut im Lesesessel mit einem guten Cognac in der Wintervariante. Man sollte sich halt nur etwas Zeit nehmen, denn aus der Hand legt man es nach dem Einstieg erst nach der letzten Seite.

Solltet Ihr planen, Euch das Buch anzuschaffen, dann empfiehlt sich ein Klick auf den nebenstehenden AMAZON-Link, der Euch direkt zur Filmausgabe führt, die als überformatiges Hardcover und auf hochwertigen Papier gedruckt daher kommt.

Zusätzlich zum kompletten Roman, natürlich inklusive der Original-Illustrationen, finden sich hier noch Interviews mit allen an ihm Beteiligten sowie ein großer Teil über die Produktion des Filmes und Interviews mit allen Darstellern. Das Werk besticht dann auch noch mit vielen wirklich beeindruckenden Bildern, was den Band auf stolze 360 Seiten bringt.

Eines der schönsten Filmbücher in meiner Sammlung.

 

 

 

 

 

Der Film

Um es gleich vorab zu sagen, „A Monster calls“ ist meiner Meinung nach die gelungenste Buchverfilmung, die ich je gesehen habe. Regisseur J.A. Bayona schafft es nicht nur die Geschichte nahezu vorlagengetreu auf die Leinwand zu bringen, es gelingt ihm außerdem auch noch die Atmosphäre des Buches und alle Charaktere perfekt umzusetzen. Sicherlich gibt es einige kleinere Änderungen bezüglich der der Vorlage, - unter anderem wird eine Figur komplett weggelassen und die Figur der Mutter ist in der Filmversion ebenfalls zeichnerisch begabt – aber die stören den Fluss nicht und sind teilweise, speziell im Fall der Mutter, sogar noch eine Verbesserung, da sie eine weitere emotionale Ebene hinzufügen.

Amonstercalls 004Unterstützt wird Bayona hier natürlich von einer Riege erstklassiger Schauspieler.

Allen voran ist hier zuerst einmal die Neuentdeckung  Lewis MacDougall zu nennen. Der 2002 geborene schottische Kinderdarsteller war zuvor nur in einer Nebenrolle in der Peter Pan Verfilmung von 2015 zu sehen und muss hier logischer Weise den kompletten Film tragen, was ihm mit Bravour gelingt. Er darf hier die komplette Bandbreite von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt ausspielen und überzeugt in jeder einzelnen Einstellung.

Überraschend für mich persönlich war es Felicity Jones in der Rolle der, im Laufe des Filmes immer mehr vom Krebs gezeichneten, Mutter zu sehen, hatte ich sie doch erst zwei Tage zuvor als Jyn Erso in Rogue One bewundern dürfen. Selbst als Star Wars Fan der ersten Stunde muss ich zugeben, dass sie natürlich hier erheblich mehr ihrer wirklichen Qualitäten ausspielen kann.

Ebenfalls gelungen ist die Besetzung von Sigourney Weaver als Großmutter, die zu Beginn des Filmes eher wie ein Fremdkörper in die zweiköpfige Familie einzudringen scheint, sich aber im Verlauf der Handlung zu einer sehr positiven Figur entwickelt. Es ist schön zu sehen dass es noch Schauspielerinnen gibt, denen es gelingt mit Würde (und ohne Plastik) zu altern und die auch wissen, wann sie in das Rollenfach der Oma zu wechseln haben.

Wo wir gerade von alten Damen sprechen, sehr beeindruckend ist auch ein Kurzauftritt von Geraldine Chaplin, die als Schulrektorin eine kleine aber wichtige Rolle inne hat. Es ist schön zu sehen, dass sie in den mehr als 50 Jahren ihrer großartigen Karriere nichts von ihrer Ausstrahlung eingebüsst hat.

Amonstercalls 006Das Monster im Film wird von einer Mischung aus Computereffekten und Animatronics dargestellt und hat in der Originalfassung die unverwechselbare Stimme von Liam Neeson, der hier eben nicht nur die Stimme leiht sondern ein weiteres Mal beweist, dass ein guter Sprecher einer Figur Leben einhauchen kann. Wer sich hieran in der deutschen Fassung versuchen wird, ist mir derzeit nicht bekannt, aber ich bin mir sicher, dass derjenige nur scheitern kann. Die Stimme des Monsters lässt den Kinosaal erzittern, kann aber auch in leisen Gesprächen mit Connor für eine wohlige Gänsehaut sorgen.

Doch selbst die besten Schauspieler haben ein Problem, wenn sie gegen ein seichtes visuelles Konzept anspielen müssen, wie es ja unter anderem auch eben erwähnter Herr Neeson bei einem gewissen Prequel erleben musste.

Bei „A Monster calls“ taucht dieses Problem natürlich nicht auf, denn jede der drei Erzählebenen (Realität, Phantasiewelt und die Geschichten des Monsters) ist in ihrem ganz eigenen Stil gestaltet, was die Sogwirkung des Filmes nochmals verstärkt. Speziell die animierten Geschichten, mit ihrer eher außergewöhlichen Moral, sind dermaßen inspiriert konzeptuiert, dass sie sogar als eigener Kurzfilm funktionieren könnten.

Amonstercalls 007Ein weiteres –und sicher nicht das letzte Highlight – ist natürlich auch die Musik von Fernando Velázquez, der unter Filmmusikkennern mittlerweile  als Geheimtipp gehandelt wird. Hier präsentiert er – im Gegensatz zum heute üblichen Musikbrei mit Zimmerschen Nebelhörnern (nochmal danke dafür Frank!) einen themenorientierten breit angelegten symphonischen Score, der tatsächlich auch ohne den Film hörbar bleibt.

Zum Ende hin bleibt mir eigentlich kaum noch etwas zu sagen, außer dass es sich – wie bereits eingangs und mehrfach erwähnt – für mich um den besten Film des Jahres 2016 handelt und ich dem Verleih, trotz des dämlichen deutschen Titels und dem grausam späten Kinostart, viel Erfolg damit wünsche.

Jeder echte Eddie (Ihr wisst schon ob Ihr gemeint sein) ist hiermit verdonnert direkt am Erscheinnungsdatum zu kaufen.

dia  

 

 

     

  
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