Tretbootfahrer (2016)
Regie: Markus Pelzl Darsteller: Mika Metz, Giulia Beckmann, Olaf Krätke
Das Wichtigste erst einmal vorab. „Tretbootfahrer“ ist kein Horrorfilm, aber viel unangenehmer zu gucken, als die meisten modernen Genrevertreter. Denn in diesem kleinen aber feinen No-Budget-Film geht es um Menschen, die von einem realen Monster bedroht werden, gegen das keine Waffen und keine coolen Sprüche etwas ausrichten können. Das ist einer der Gründe, warum es ein Film für EVIL ED ist; ein anderer ist, dass es sich um eine verdammt gute Independent Produktion aus deutschen Landen handelt.
Frank und Tanja sind wie füreinander gemacht. Beide haben eine harte Zeit hinter sich. Er hat seinen Job und seine langjährige Freundin verloren und lebt jetzt wieder bei seiner Mutter, sie hat eine Drogenkarriere hinter sich an deren Ende ihr Freund Selbstmord begangen hat. Sie treffen sich in einer Bar, klammern sich aneinander und träumen von einer besseren Zukunft. Beide bemerken nicht, dass sie schon lange in der Alkoholfalle stecken und es aus dieser kein Entkommen mehr gibt.
„Tretbootfahrer“ ist mit Sicherheit nicht der erste deutsche Film, der sich mit dem Thema Alkoholismus beschäftigt, aber er geht einen anderen Weg als z.B. „Der Trinker“ (1995, mit Harald Juhnke) und andere vergleichbare Produktionen.
Wenn wir unsere beiden Hauptdarsteller kennen lernen sind sie durchaus „funktionierende“ Alkoholiker, die sich ihrer Sucht in keiner Weise bewusst sind. Wenn sie bei romantischen Spaziergängen über ihre gemeinsame Zukunft sinnieren möchte man fast glauben, dass all diese Träume realisierbar sind. Dass sie dabei mal das ein oder andere Bierchen trinken ist doch nicht schlimm, schließlich ist die Droge Alkohol hier in Deutschland gesellschaftlich akzeptiert und „gehört einfach dazu“.
Markus Pelzl verzichtet allerdings schon von Beginn an auf die üblichen Feierbilder von glücklich angetrunkenen Menschen, der Alkohol wird „Matter of Fact“-mässig zu sich genommen, in fast jeder Situation ist die Flasche der dritte im Bunde der schönen Zweisamkeit. Während der Film einige Vignetten aus dem Leben unserer beiden Hauptdarsteller zeigt, ändert sich die Grundstimmung auch nur sehr langsam, so schleichen sich in die eigentlich nette Beziehung langsam zuerst nur einige laute Streitereien und volltrunkene gegenseitige Beschimpfungen ein, ehe es dann sehr plötzlich zu einer äußerst schockierenden Szene im Badezimmer kommt, wenn Frank vom Tremens befallen noch nicht einmal mehr die Kraft hat sich die Zähne zu putzen.
Spätestens von diesem Moment an bewegen sich unsere beiden Helden komplett im Alkoholismus, richten sich ihre Tage nur noch nach dem Pegel aus.
Auch hier verzichtet Pelzl wieder auf die klischeeüberladenen Schockbilder und bleibt auf beobachtender Distanz, wobei er von den großartigen Leistungen seiner beiden Hauptdarsteller unterstützt wird. Speziell Mika Metz ist hier hervorzuheben, da sich in seinem Gesicht das komplette Grauen der langsam fortschreitenden Krankheit abspielt. Ein wirklich wunderbarer Schauspieler von dem ich gerne mehr sehen möchte.
Natürlich ist „Tretbootfahrer“ kein perfekter Film, einigen der Darsteller merkt man halt schon an, dass es sich um Amateure handelt, manche Szenen wünscht man sich länger und andere kürzer und ab und an stört der dokumentarische Handkamera-Stil ein wenig. Aber insgesamt haben Markus Pelzl und sein Team hier einen Film kreiert, der beweist, dass es auch hierzulande möglich ist mit wenig finanziellem Aufwand und einer Menge Herzblut mehr zu schaffen als das x-te Latex und Filmblut-Massaker.
„Tretbootfahrer“ ist ein Film der das Thema Alkoholismus mit dem nötigen Ernst angeht, auf sämtliche plakative Momente verzichtet und den langsamen Abstieg in die Sucht realistisch darstellt. Gerade deshalb geht er dem Zuschauer so nahe, gerade deshalb ist er so wichtig für die „Ach, was soll ein Bierchen schon ausmachen“-Zuschauer.
Ein toller kleiner Film, der eine größere Verbreitung verdient hätte. Ich kann jedem Leser nur empfehlen unten stehenden Link anzuklicken und die DVD zu kaufen, damit Pelzl und sein Team uns auch weiterhin mit intelligenten Indie-Produktionen überraschen können.
P.a.: Markus Pelzl wird demnächst auch im Evil Ed Podcast zu Gast sein und seine weiteren in Produktion befindlichen Werke und sein Projekt „German Indies“ vorstellen, welche wir ja in Episode 005 bereits angesprochen haben.
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