titanquer 

(USA 1985)

Regie/Buch: William Malone

Darsteller: Stan Ivar, Wendy Schaal, Klaus Kinski

 

Lange ist es her, da war ich wie die meisten kleinen Jungs im Science-Fiction-Fieber, spielte mit Star-Wars-Figürchen und träumte davon, Astronaut zu werden. Dass man dazu gut in Physik und anderen technischen Fächern sein sollte (also genau der Bereich gefragt war, in dem ich in der Schule von Jahr zu Jahr schlechter wurde), spielte keine Rolle, Raumfahrt war für mich damals eine Sache, bei der man mal eben mit Überlichtgeschwindigkeit davon düst, sich mit Lichtschwertern verkloppt und große Abenteuer erlebt.

titan08Umso erfreulicher war es darum, als mein Vater an einem schönen Wochenende eine VHS-Kassette aus der Videothek anschleppte, die den spannenden Titel „Creature – die dunkle Macht der Finsternis“ trug und obendrein auch noch mit einem roten Aufkleber verziert war, auf dem „Keine Vermietung an Kinder und Jugendliche“ draufstand. Frei nach Nietzsches Motto „was mich nicht umbringt macht mich stärker“ hielt mein Pa nämlich nicht allzu viel von Bewahrpädagogik, in Watte gepackten Kindern und Benjamin Blümchen, sondern ließ mich in seinem Beisein so manche Perle der wenig kindgerechten Unterhaltung sehen („From Russia with Love“ in der ersten Klasse, „The Terminator“ mit 12 – rückblickend muss ich einfach sagen, dass ich einen tollen Vater hatte!). Weshalb ich mit dem freundlichen Hinweis, das nicht herumzuerzählen, selbstverständlich auch „Creature“ bzw. „Titan Find“ mitgucken durfte.

titan09Und Junge! Was war ich begeistert! Das war keine der „normalen“ Space-Operas, sondern ein finsteres Stück mit einem gefräßigen Alien, und obendrein hampelte auch noch Klaus Kinski aus den Wallace-Filmen im All herum. So etwas hatte ich bisher noch nicht gesehen, und ich kann mich noch bestens an dieses wohlig-unangenehme Gefühl erinnern, wie sich vor Spannung der Bauch zusammenkrampft, der Puls nach oben steigt, obwohl man ja nur zuhause im sicheren Wohnzimmer vor der Glotze sitzt. Ich denke, genau dieses Gefühl, das sich inzwischen nur noch in sehr seltenen Fällen ansatzweise reproduzieren lässt, hat mich schließlich zum begeisterten Horrorfan gemacht.

Doch drücken wir die Fast-Forward-Taste und springen in die Gegenwart.

Heute, mit 41, ist mir selbstverständlich bewusst, dass es da so einen Film von Ridley Scott gibt, der fast die gleiche Thematik hat und nur als Meisterwerk bezeichnet werden kann. Und dass der „Titan Find“ eines von zahllosen B-Movies ist, das mit deutlich weniger formalem Geschick, sparsamerer Ausstattung, dafür aber gesteigertem Splatteranteil am kommerziellen Erfolg dieses großen Vorbilds partizipieren wollte.

titan05Für viele selbsternannte Cineasten ist das natürlich bereits ein ausreichendes Kriterium, einen Bogen um solche „Plagiate“ zu machen, aber mal ernsthaft: Scott hat sich unter anderem ebenfalls ausgiebig bei Bavas „Terrore nello spazio“ bedient, das Rad muss nicht ständig neu erfunden werden, was zählt ist die Variation bereits bekannter Grundmuster. So funktioniert jeder Schlager und jede Abenteuergeschichte seit Odysseus im Mittelmeer herumirrte, also gucken wir den „Titan Find“ rund 30 Jahre nach der Erstsichtung noch einmal etwas genauer an:

Irgendwann in der Zukunft ringen zwei größere Raumfahrtfirmen um die Vorherrschaft im Weltraum. Die Amerikaner sind unter dem Namen NTI vertreten, als Gegenspieler fungieren mal wieder die Deutschen, deren Konzern auf den Namen „Richter Dynamics“ hört (scheinbar ging man 1985 davon aus, dass das mit der Wiedervereinigung nie was wird, der Introtext erwähnt ausdrücklich Western Germany und erspart uns darum den „VEB Sozialistische Interstellar-Expeditionen“). Die NTI hat dabei den Saturnmond Titan ins Visier genommen, weshalb dort zwei Astronauten ungelenk in einer archäologischen Ausgrabung herumstapfen, schusseliger Weise einen der dort befindlichen Kanister beschädigen und dadurch die „Creature“ freisetzen.

titan02Kinski wird später erklären, dass sich vor 200.000 Jahren auf dem Titan eine Art intergalaktischer Zoo befand, eine „Schmetterlingssammlung“ mit einigen höchst unfreundlichen Exemplaren – nach so langer Zeit ohne Futter dürfte aber wohl auch die netteste Hauskatze zur wilden Bestie geworden sein, für das muntere Raumfahrergeschlachte ist diese nahezu lovecraftianische Begründung, die zumindest am Rande auch die Frage aufwirft, wer oder was diesen Zoo angelegt hat, aber eine durchaus sympathische Grundlage. Egal wohin sich der Mensch aufmacht, am Ende lauert doch nur wieder das ehrwürdig-uralte Grauen, der destruktive Trieb, der darauf wartet, die Sau rauszulassen.

Etwas später – die erste Titan-Expedition ist inzwischen verschollen und eine gar nicht mal so schlecht getrickste Raumstation von einem verdächtig nach Zombie aussehenden Kamikazepiloten abgeschossen worden – landet ein zweites Team von NTI auf dem Titan, um Licht ins Dunkel zu bringen. Stattdessen stellt man aber fest, dass bereits die Deutschen da sind, das Raumschiff geht zu Bruch und innerhalb der Crew gibt es Kompetenzgerangel, aber auch eine kleine Sexszene zwischen zwei vermeintlichen Sympathieträgern (spätestens seit „Psycho“ sollte man allerdings wissen, dass im Horrorgenre auf solche Bezugspersonen keinerlei Verlass ist).

titan03Anstatt nun aber munter „Alien“ im kleineren Rahmen zu kopieren, wird „Titan Find“ sowohl hinsichtlich der Ausstattung als auch handlungstechnisch zu einer Verneigung vor Mario Bava. Zwar verzichtet Regisseur William Malone auf Bavas bunte Farbdramaturgie und setzt stattdessen auf größtenteils blaustichige, kalte Bilder, aber die Sets atmen durchaus den Charme eines soliden B-Movies irgendwo zwischen Lagerhalle und sinnlos blinkenden Computermonitoren (laut Detlef Klewer wurden die Kulissen zum Teil aus „Forbidden World“ recycelt; was „Titan Find“ in gewissem Sinne zu einem inoffiziellen Prequel macht)[1]. Am tückischsten ist allerdings, dass die Creature nicht einfach nur einen weiteren Mann im Gummikostüm vorstellt, sondern die Fähigkeit hat, mittels am Kopf angebrachter Parasiten einzelne Crewmitglieder fernzusteuern.

Nur leider gelingt es Malone an keiner Stelle, aus dieser Prämisse ein spannendes Verwirrspiel à la „The Thing“ zu machen, obwohl das 1951er Original sogar direkt zitiert wird. Stattdessen fallen nach bewährtem Schema F nach und nach diverse blödsinnig agierende Weltraumkasper dem Viech oder seinen Handlangern zum Opfer, bis es schließlich mit einer Bombe in den Orkus geblasen wird.

titan07Schade ist dabei, dass man mangels interessanter Figuren nie so richtig mitfiebert. Tatsächlich spielt Klaus Kinski als Hans Rudi Giger Hofner in der runden Viertelstunde seines Mitwirkens alle beteiligten Mühelos an die Wand, obwohl sich seine Performance im Wesentlichen auf Herumgegrinse und sexuelle Anzüglichkeiten reduziert. William Malone weiß übrigens zu berichten, dass ihm Kinski kurzerhand von den Produzenten aufs Auge gedrückt wurde und sich die Arbeit mit ihm wie nicht anders zu erwarten als eher schwierig gestaltete. Seine Obszönitäten beschränkten sich jedenfalls nicht auf die Arbeit vor der Kamera.[2]

Unfreiwillig komisch hingegen gerät die von Diane Salinger gespielte „Sicherheitsexpertin“ (hüstel!), die als streng blickende und wortkarge Weltall-Domina die angeblich einzige vorhandene und obendrein nutzlose Schusswaffe dabeihat – was gegen später aber kein Hinderungsgrund dafür ist, dass einige andere potentielle Kreaturenhappen ebenfalls mit Laserpistolen herumfuchteln (vielleicht lagen die ja aber auch dem deutschen Raumschiff herum, egal, die Creature lässt sich davon nicht beeindrucken, aber den inzwischen besessenen Kinski muss man ja auch mit irgendwas kleinkriegen, bevor er endgültig allen die Show stiehlt). Wirklich kompetent wirkt aber auch sonst niemand an Bord, was allerdings auch dem Umstand geschuldet ist, dass Malone die technischen Basteleien der Crew mit fast schon wieder putzig wirkender Naivität inszenierte. Da werden einfach mal irgendwelche Kabel sinnlos umgestöpselt, damit man die metallenen Bodengitter des Raumschiffs in einen Creature-Grill umfunktionieren kann, dazu gibt es Techno-Babbel wie auf der USS Enterprise und dass man in einer jahrtausende alten Ausgrabungsstätte mal aufs Geratewohl an den Rädchen einer Lichtorgel dreht versteht sich von selbst.

titan01Auffallend hingegen ist der immense Härtegrad des Films. Neben schaurigen Dekoleichen, die eingesponnen von der Decke hängen gibt es abgerissene Gesichter und weggeschossene Köpfe zu bestaunen, und auch die Angriffe der bis zum Ende im Halbdunkel bleibenden Creature fallen überaus blutig aus. Allerdings nur wenn man eine andere als die deutsche Fassung im Player hat.

Obwohl „Titan Find“ nüchtern betrachtet kein guter Film ist sondern eher das Werk eines ambitionierten Genrefans darstellt, der hinsichtlich Dramaturgie und Schauspielerführung noch einiges zu lernen hatte, so dass „Titan Find“ in Summe einfach nicht richtig rund läuft und sichtlich gestreckt wirkt, ist er doch solide genug, um ihm vielleicht endlich einmal eine akzeptable Veröffentlichung zu spendieren. So wie dies in den USA geschehen ist, wo ihn William Malone 2013 in einer restaurierten Fassung auf DVD herausbrachte, die den Film erstmals im korrekten Breitbildformat zeigt, was ihn stellenweise fast aus den Niederungen der Schundproduktion erhebt.

titan04Die deutschen DVDs hingegen kann man unter ferner liefen abhaken. Nackt- und Splatterszenen sind wie schon auf der VHS gekürzt, das Bild im falschen Format und so hell, dass die größtenteils im Dunkeln stattfindenden Passagen in einer milchig-hellgrauen Suppe verschwimmen - und als Bonus gibt es noch echtes Video-Feeling durch Bildstörungen, die wohl von dem verratzten Tape stammen, das man als Master verwendete. In dieser Form lohnt sich die Wiederentdeckung von „Titan Find“ dann doch nicht.

Alexander

 

[1] Klewer, Detlef: Alptraum Splatterfilm. Der Splatterfilm, Band 2. Hille 1998, S. 91

[2] https://www.podcastone.com/episode/Bill-Malone-and-Tommy-McLouglin

 

Nachbemerkung:

Der Film erscheint Ende Januar von Alive-Film auf DVD (siehe auch untenstehenden Link). Über Qualität oder eventuelle Extras können wir natürlich noch nichts sagen, allerdings wurde "Creature" erst kürzlich in den USA in einer neuen HD Restauration auf verschiedenen Festivals gezeigt. Man darf also Hoffnung haben.



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