The Harvest (2013) Regie: John McNaughton Buch: Stephen Lancellotti Darsteller: Samantha Morton, Michael Shannon, Natasha Calis, Charlie Tahan ab 23. November von Koch-Media auf DVD/BluRay
15 Jahre sind vergangen seit der letzte Film von John McNaughton (Kurzportrait hier) das Licht der Projektoren erblickte, seinem neuesten Werk wird diese potentielle Verbrennung leider erspart bleiben. Nicht nur, weil die Projektion mittlerweile zumeist digital erfolgt, sondern speziell weil heutzutage ein kleiner, billig produzierter Film es ziemlich schwer hat, überhaupt einen Kinostart zu bekommen. So war „The Harvest“ (der bereits 2013 gedreht wurde) erstmals Mitte 2015 heimlich, still und leise auf den diversen Streamingplatformen aufgetaucht und hatt, durch Mundpropaganda in den sozialen Netzwerken, einige recht gute Kritiken bekommen und überraschend hohe Verkaufszahlen bei Amazon erreicht. Nun, weitere zwei Jahre später, erscheint der Film auch letztendlich hierzulande unter dem – sorry Koch-Media – ziemlich schwachen Titel „Haus des Zorns“ und wartet darauf, von Euch entdeckt zu werden. Im Grunde genommen handelt es sich bei „The Harvest“ – zumindest in der ersten Hälfte – um ein wirklich tolles Drama mit interessanten Charakteren. Alle sechs Hauptpersonen haben mit Verlust oder Verlustängsten zu kämpfen und ihre Wege kreuzen sich auf natürliche und nachvollziehbare Weise. Von diesem Moment an, einem Plot-Twist, den ich an dieser Stelle natürlich nicht verraten werde, ändert „The Harvest“ nicht nur das Tempo sondern komplett das Genre und wird zu einem Horrorfilm par excellence. Ebenso wird der Charakter von Katherine, der anfangs nur irritierend überfürsorglich und leicht seltsam erscheint, langsam immer mehr zur Psychopathin. Samantha Morton spielt diese schwere Rolle mit Bravour und gibt der Figur eine Präsenz, die nahezu die – ebenfalls exzellenten - Leistungen des restlichen Ensembles überlagert. Ihre Katherine ist über weite Strecken eine noch unangenehmere weibliche Verrückte, als die von Kathy Bates so großartig dargestellte (und mit dem Oscar belohnte) Annie Wilkes in der 1990 entstandenen Stephen King Verfilmung „Misery“. Wie schon jemand auf McNaughtons Facebook Seite so richtig bemerkte: „If the Oscars would award real performances, Mrs. Morton would at least be nominated again.” Die Betonung liegt hier auf “again”, denn bereits in den Jahren 2000 und 2004 war sie nominiert. John McNaughton hat mit „The Harvest“ einen ernsthaften und funktionierenden Horrorfilm geschaffen, der vielleicht gerade deshalb so gut funktioniert, weil er sich NICHT an die Genrekonventionen hält. Er verzichtet in der ersten Hälfte des Filmes bewusst darauf auch nur den Hauch von Gruselatmosphäre aufzubauen sondern inszeniert bewusst auf eine Art und Weise, die den Zuschauer glauben lässt, in Sicherheit zu sein. Sicherlich gibt es auch hier bereits eine Spannungssequenz die sehr stark an Hitchcock erinnert (der Baseball) und einige Momente mit dem Katherine Charakter erzeugen ein subtiles Unbehagen, aber all diese Thrillerelemente fügen sich nahtlos in die dramatische Haupthandlung ein. Erst wenn es dann zur bereits erwähnten großen Überraschung kommt, zeigt McNaughton deutlich, das seine Wurzeln im Horrorgenre liegen. Von diesem Moment an – im vollen Bewusstsein den Zuschauer nun total in der Hand zu haben - zieht er alle Register vom sanften Grusel bis hin zum derben Schock und spielt gekonnt auf der Genre-Klaviatur. „The Harvest“ ist eine kleine Perle in der Masse der Direkt-to-BluRay/DVD-Veröffentlichungen und zeigt einmal mehr, dass dort mittlerweile der Ersatz zum klassischen B-Movie Kino früherer Jahre zu finden ist.
Zur VÖ von Koch-Media
Die BluRay hat - wie zu erwarten - eine exzellente Bild- und Tonqualität, was vor allem der großartigen Kameraarbeit von Rachel Morrison zu Gute kommt. Kluger Weise hat man beim Mastering auch darauf geachtet das Bild nicht zu überfiltern und so den natürlichen Kinolook behalten, speziell, da der Film tatsächlich auf 35mm-Material gedreht wurde. Auf der Disk befindet sich auch noch ein sehr interessanter und kurzweiliger Audiokommentar mit John McNaughton und dem Produzenten Steven A. Jones. Die beiden arbeiten bereits seit "Henry" zusammen und haben eine echte Freundschaft entwickelt, die auch in diesem Gespräch sehr deutlich wird. Außerdem ist natürlich auch noch der Trailer mit verfügbar, wobei ich hier dringlichst davon abraten würde ihn vor dem Film zu sehen, da er einige wirklich wichtige Momente spoilert. Das ist nicht nur meine Meinung, sondern es wurde mir von John McNaughton, der diese Vorschau im Übrigen nicht zu verantworten hat, ans Herz gelegt euch darauf aufmerksam zu machen. Ich kann zwar verstehen, dass man für das Massenpublikum solch ein Preview zur Verfügung stellen musste, jeder Fan von subtilem Horror und jeder, der mit dem Namen John McNaughton etwas anfangen kann, kommt aber ohnehin nicht an dieser Veröffentlichung nicht vorbei. Dia
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