„Anläßlich der derzeitigen politischen Lage (in Bezug auf Filmverbote), besteht wohl kaum Hoffnung, dass ein interessierter Videoverleih Filme von (Herschell Gordon) Lewis ausgräbt und sie in Deutschland auf den Markt bringt.“
Nun ja, die politische Lage hat sich doch innerhalb der letzten mehr als 30 Jahre etwas geändert, allerdings sind Lewis Filme immer noch genau so als „böse“ und „sozialethisch desorientierend“ verschrieen, wie es damals der Fall war, als wir den – höchstwahrscheinlich – ersten deutschsprachigen Artikel über den „Godfather of Gore“ brachten. Dabei sind selbst die schlimmsten Filme des 1926 in Pittbourgh geborenen und im letzten Jahr verstorbenen Herrschel Gordon Lewis, noch bei weitem harmloser als so maches, was dem Zuschauer heute bereits auf dem Fernseher geboten wird.
Zusätzlich erweisen sich Filme wie der Genregründer „Blood Feast“ (1963) oder der hier vorliegende „Two thousand Maniacs!“ vom technischen Standpunkt aus betrachtet als eher dürftig, was aber ihre filmistorische Wichtigkeit in keinster Weise schmälert, denn ohne die Filme von Lewis wären die Splattereskapaden der frühen 80er niemals möglich gewesen und auch die Regisseure aktueller Blutspritzorgien müssten eigentlich vor jedem Drehstart vor einem Lewis-Altar niederknieen und um Segen bitten.
Lewis begann seine Karriere eigentlich zuerst als Werbefachmann (und kehrte nach seinem Ausflug ins Filmbuisness dann auch wieder dorthin zurück) und kam erst durch die Zusammenkunft mit seinem späteren Freund und Produzenten David Friedman auf die Idee Filme zu machen. Der Zeit geschuldet begannen sie somit mit sogenannten „Nudie-Cuties“, Filmen also in denen die rudimentäre Handlung nur darum gestrickt wurde, dass irgendwann nackte weibliche Brüste zu sehen waren. Hier bereits versuchten sie immer wieder die von der Zensur vorgebenenen Grenzen auszutesten, was dann dazu führte, dass sie (und andere Filmemacher) gleich komplett auf Handlungsstränge und Schauspieler verzichteten, direkt in FKK-Clubs drehten und als roten Faden eine Bekehrungsgeschichte (Held/-in ist Reporter, der in einem dieser verruchten Nudistenclubs recherchiert und am Schluss nackelich der Sonne entgegenschreiten darf) nutzten.
Da aber der anfängliche warme finanzielle Regen, dank eben erwähnter anderer Filmemacher, zu tröpfeln begann, suchten Dave und Herrschel nach einer neuen Möglichkeit grüne Scheine sozusagen aus dem Nichts zu zaubern und als Lewis in einer feuchtfröhlichen Nacht den Begriff Gore in den Raum warf, war das die Geburtsstunde des brutalen Splattermovies.
Sicherlich gab es bereits vor 1963 blutige Szenen in den Filmen der Hammer Studios und in Mexico zeigte zur gleichen Zeit José Mojica Marins, das man mit einer abgeschlagenen Bierflasche auch prima Finger abschneiden konnte, aber „Blood Feast“ badete den Zuschauer über seine 67 Minuten Laufzeit nahezu im titelgebenden Sanguis und ging dabei kameratechnisch nahezu pornographisch vor. Allerdings waren die schauspielerischen Leistungen auch eher in diesem Bereich angesiedelt, vor allem Hauptdarstellerin und Playmate Connie Mason macht den Eindruck unbedingt beweisen zu müssen, dass in einem hübschen Körper nicht immer auch ein hübscher Geist stecken muss. Das allerdings – ebenso wie das unglaubliche Overacting des Praktikanten/Hauptdarstellers Mal Arnold – war natürlich völlig gleichgültig; „Blood Feast“ wurde ein Riesenerfolg beim Publikum, die Kritiker schlugen die Hände über dem Kopf zusammen und Friedman/Lewis holten sich Blasen vom Geldzählen.
Umso erstaunlicher ist es, dass der nächste „richtige“ Gorefilm von Lewis, eben der hier zu besprechende „Two thousand Maniacs“, doch eher harmloser Natur ist und sich eher als schwarze Komödie herausstellt.
REVIEW:
In Kürze geht es im Film um drei Pärchen aus einer nordstaatlichen Großstadt, die, aufgrund eines geschickt versetzten Umleitungsschild, im Südstaatenstädtchen „Pleasant Valley“ landen, in dem gerade die Hundertjahrfeier des Ortes stattfindet. Unsere naiven Held/innen werden direkt als Ehrengäste empfangen und sollen der Mittelpunkt des rauschendes Festes werden. Dass sie dafür, von den Bewohnern „Pleasant Valley“s umgebracht und gegessen werden sollen, wird ihnen natürlich nicht direkt eröffnet.
Lewis macht direkt zu Beginn des Filmes klar, dass es sich nicht um ein ernsthaftes Werk handelt und eröffnet ihn mit dem herrlichen Song „The South gonna rise again“, in dem man neben dem zu erwartenden Country-Skiffle-Rock, viele „Yeahhh Hawww“s und Textzeilen, wie die folgenden zu hören bekommt:
There's a story you should know
from a hundred years ago
And a hundred years we've waited now to tell
Now the Yankees come along
and they'll listen to this song
And they'll quake in fear to hear this Rebel yell
Yeeeeehaw!
Oh, the South's gonna rise again!
Unsere Touristen werden dann auch direkt von der gesamten Bewohnerschaft des Örtchens empfangen, die Südstaatenflaggen schwenken und – zumindest in der Originalfassung – mit stärkstem texanischen Akzent sprechen, was sich immer so anhört, als würden sie gleichzeitig eine halbes Pfund Kautabak zermantschen, was den tatsächlichen Begebenheiten recht nahe kommt.
Der Film entwickelt ein schönes und angenehmes Erzähltempo und man merkt deutlich, dass Lewis hier mit dem ganzen Herzen bei der Sache war. So schafft er es das „Two thousand Maniacs!“ auch zwischen den (insgesamt 4!) Splatterszenen noch unterhaltsam bleibt, wohingegen alles, was sich bei „Blood Feast“ vom eigentlichen Gemetzel entfernte, beim Zusehen eher ein Fremdschämgefühl erzeugte.
Die Figuren werden, so fern das bei einem solchen Sujet möglich ist, recht lebendig gezeigt und speziell bei den Südstaatencharakteren nutzt Lewis alle Klischees, die man sich wünscht. Hierbei wird er überraschender Weise von einer Menge großartiger Charakterdarsteller (die wie üblich zumeist ohne Schauspielerfahrung vor die Kamera traten) unterstützt. Speziell der Bürgermeister des Städtchens, den Jeffrey Allen spielt, ist eine Figur, die sich sofort ins Herz des Zuschauers schiesst. Auch Connie Mason ist dieses Mal verblüffend gut und überzeugt als, zwar immer noch naive aber immerhin lebendig wirkende, Heldin die mit William Kerwin auch noch einen echten vierschrötigen Heldendarsteller an ihrer Seite hat.
„Two thousand Manics!“ hat Lewis selbst immer als den Film bezeichnet, der seinem Humor und seiner Idee vom Filmemachen von all seinen Werken am nächsten kommt, allerdings machte er auch immer direkt die Einschränkung geltend, dass es sich nicht um seinen besten Film handelt. Das war für ihn bis zum Ende immer „A Taste of blood“ (1967), ein düsterer (und relativ blutleerer) Vampirfilm, der mir leider immer noch nicht vor die Augen gekommen ist.
Trotzdem ist „Maniacs!“, speziell im direkten Vergleich mit „Blood Feast“ nahezu eine Offenbarung, bietet er doch neben der schon erwähnten recht stringenten Handlung und dem augenzwinkernden Humor, auch noch einige wirklich schöne Kameraeinstellungen und überrascht immer wieder mit einem visuellen Einfallsreichtum, den man einem Lewis Werk nicht unbedingt zutraut.
Aus filmhistorischer Sicht ist „Blood Feast“ allerdings natürlich immer noch der wichtigere Film und was den reinen Splatterfaktor anbetrifft, da bietet sich für die Blood and Guts-Fraktion eher Lewis letzter Gorefilm „The Gore Gore Girls“ (1972) an. Wer allerdings tiefer in die Seele von Herrn Lewis blicken will und seine ganz spezielle Art von Humor geniessen will, der ist bei „Two thousand Maniacs!“ wirklich gut aufgehoben.
Mediabook:
Da sich „Two Thousand Maniacs!“ hierzulande immer noch auf der bösen Liste befindet, obwohl er heutzutage mit einer Neuprüfung sogar ab 16 Jahren freigegeben werden könnte, prangt auf der aktuellen – auf 666 Exemplare limitierten – Veröffentlichung von Illusions, der herrliche Spruch „nur zum Verkauf in Österreich“, weshalb ich unten auch dieses Mal nicht auf AMAZON, sondern direkt auf Beyondmedia.at verlinkt habe.
Der Film selbst kommt in einer vernünftig restaurierten und auf 16:9 gecroppten Version daher, die wirklich ansehnlich gelungen ist. Dieser erste Eindruck bestätigt sich, da zum Vergleich auch noch eine unrestaurierte 4:3-Fassung mit auf der Scheibe befindet, die deutlich zeigt, wie viel Mühe in diese neue Version geflossen ist. Die Farben sind knackig aber natürlich, es sind genug Laufstreifen und Filmkorn erhalten geblieben und bei der Auswahl des Bidlformates ist man mit sehr viel Fingerspitzengefühl vorgegangen.
Zusätzlich wurde „Two thousand Maniacs!“ nun auch noch mit einer deutschen Synchronisation versehen, die zwar recht gelungen ist, aber leider – wie üblich – darauf verzichtet, die verschiedenen Sprachfärbungen zu berücksichtigen, was speziell beim vorliegenden Werk natürlich sehr viel der ursprünglichen Atmsphäre raubt. Da bietet sich das Sehen in der OV mit den recht sauberen deutschen Untertiteln nahezu an.
Der Sound ist ebenfalls wirklich toll gelungen, da man glücklicher weise darauf verzichtet hat, störende Hintergrundgeräusche, die bei Lewis Art des Guerrilla Filmemachens immer ein Problem sind, komplett zu unterdrücken. Sicherlich spürt man ab und an die Hand des Tontechnikers, aber nie so, dass man aus dem Film gerissen wird.
In Sachen Extras heisst es bei Illusions, wie auch bei unseren anderen deutschsprachigen Kleinlabels, klotzen statt kleckern. So finden sich neben dem schon fast zu erwartenden Audiokommentar mit Lewis, der rein nach dem Hören zu urteilen von einem frühen DVD-Release stammt, auch noch einige Outtakes, der Kurzfilm „Follow that Skirt“ (1965), der eine interessante Mischung aus Gorefilm und Nudie-Cutie bietet, aber ansonsten wenig mit Lewis zu tun hat und das übliche Bilder- und Trailermaterial.
Richtig interessant wird es allerdings, wenn man die BluRay einlegt, auf der sich zuerst einmal die von Frank Henenlotter gedrehte Dokumentation „Herrschel Gordon Lewis - The Godfather of Gore“ (2010) findet, in der nahezu Darsteller und jedes Crewmitglied, dass damals noch lebte, sowie etliche von Lewis/Friedman beeinflusste Filmemacher (wie Henenlotter selbst und John Waters) zu Wort kommen. Hier wird der gesamte filmische Werdegang von Lewis und Friedman beleuchtet und es geht dem Zuschauer das Herz auf, wenn die beiden alten Herren die Tatorte ihrer Meisterwerke nochmals besuchen.
Neben dieser 106-minütigen und äußerst kurzweiligen Dokumentation finden sich auch noch mehr als eine Stunde Deleted Scenes zu selbiger, so dass man in 2 ½ Stunden wirklich ALLES über die beiden und die herrlichen Filme des Paares erfährt. Bei diesen Dokumentationen hat man glücklicher Weise auf eine Synchronisation verzichtet und hat von den Spezialisten Playzocker und EVIL ED Magazin (von denen ich nie zuvor gehört habe) deutsche Untertitel erstellen lassen, die bis auf ein oder zwei wirklich dumme Schreibfehler, wirklich toll geworden sind.
Das Ganze Rundum-Wohlfühl-Paket kommt mit einem 24-seitigem Booklet mit einem recht interessanten Text von Stefan Kaiser daher, das sich aber – speziell aufgrund der hier vorliegenden Extras – dann leider eher als Double Dipping erweist, da es nicht wirklich mit neuen Infos aufwarten kann.
Mehr zur Verpackung des Ganzen gibt es aber in unten anhängendem Video von Zocki zu hören/sehen.
Von mir gibt es, vor allem wegen der filmhistorischen Wichtigkeit von Lewis und wegen der wirklich tollen Extras, eine absolute Kaufempfehlung für jeden Filmfan, der auch mal ein wenig über den Tellerrand gucken will und das hat nichts damit zu tun, dass auch ein klein wenig meiner Arbeit in dem Produkt steckt.