Das Böse / Fantasma / The Never Dead / Morningside (USA 1979) Regie/Drehbuch: Don Coscarelli Musik: Fred Myrow Darsteller: A. Michael Baldwin, Bill Thornbury, Reggie Bannister, Angus Scrimm
Und wieder ist ein Klassiker den nationalen Giftschränken entkommen. Zunächst ab 16, später ab 18, danach abgewertet, indiziert und schließlich vom AG München begraben. Viele Jahre später und fast vergessen wurde er kürzlich vom AG Tiergarten wiederbelebt und seitens der BPjM rehabilitiert. Nun hat die FSK zur Feier des Tages noch eine Jugendfreigabe spendiert und alles ist wieder so wie früher. Ja, die Rede ist von Phantasm, hierzulande auch bekannt als „Das Böse“. Aber wie böse ist der Streifen eigentlich wirklich? War er es wirklich wert so gegängelt zu werden, oder zieht er seinen Ruhm bloß als kollaterales Opfer von Indizierungswahn und Vertriebsgenozid? Vier Fortsetzungen sprechen schon mal für sich, aber das wirklich bemerkenswerte ist eigentlich seine Existenz als solcher oder besser gesagt seine Entstehungsgeschichte. Ein erster Blick auf die Crew sagt diesbezüglich schon eine Menge aus: Drehbuch, Regie, Kamera & Schnitt: Produzent und Statist: Szenenbild, Makeup, Kostüme und Statist:
Ja der Film ist ein ziemliches Familienprojekt. Auch wenn Don Coscarelli wahrscheinlich wie ein Hermann Hoffmann am liebsten alles selber gemacht hätte, so hat er trotzdem ein recht glückliches Händchen gehabt, was seine zusätzlichen Mitstreiter angeht. Oh Du kennst gar keinen Hermann Hoffmann? Das ist schade, aber zum Glück in diesem Augenblick ziemlich irrelevant, einfach mal bei Gelegenheit nach "Sender Zitrone" suchen. Wo war ich? Ach ja, Don Coscarelli hatte bereits zwei Filme gemacht und wollte als nächstes einen Horrorfilm drehen. Das Skript schrieb er alleine in einer einsamen Hütte, in der seine Gedanken mit jedem Tag ein wenig verrückter wurden. Dann galt es einen Geldgeber zu finden, was sich aber derart schwierig erwies, dass irgendwann sein Vater seine Ersparnisse opferte, um seinem Sohn diesen Traum zu verwirklichen. Der Geldmangel wurde schließlich zum Konzept. So stand die Hälfte der Schauspieler als absolute Laien vielfach zum erstem Mal vor der Kamera und es wurde bei jeder Szene immer das was irgendwie möglich war maximal ausgenutzt. Darum gibt es zum Beispiel sehr viele Kamerafahrten im Mausoleum, weil der Boden dort so eben war, dass diese auch ohne teure Dolly Tracks umgesetzt werden konnten. Eine reine Drehphase war nicht möglich, also wurde immer mal wieder ein intensives Wochenende gedreht und dann wieder längere Zeit Pause gemacht. So zogen sich die Dreharbeiten fast ein Jahr hin. Dies führte wiederum zu Folgeproblemen, wie zum Beispiel der Größenwandel des sich gerade in einer Wachstumsphase befindliche Michael Baldwin. Doch konnte dieser, genauso wie das gestutzte Haar von Angus Scrimm sehr gut versteckt werden. Das Team muss unglaublich gut funktioniert haben, denn immer wieder bekam Coscarelli ungeplante Unterstützung. Zum Beispiel hatte der für eine Szene angeheuerte FX Techniker Roger George noch ordentlich Material von einem anderen Dreh übrig und spendete dieses bereitwillig dem Film. Oder Joseph Westheimer, dessen Firma viele Star Trek Effekte gestaltete, baute einen originalen Effekt aus der Serie ein. Selbst beim Verkauf des Films hatte man Glück. Der Filmkritiker Charles Champlin hatte Mitleid mit Dac Coscarelli und sah sich eine Rohschnitt Fassung an. Er war davon derart angetan, dass er am nächsten Tag dem Präsidenten von Universal Pictures davon erzählte. Die daraus folgende Vorführung bei Universal endete schließlich mit einem Kauf, so dass Papa sein Geld frühzeitig zurückbekam. Soweit ist das alles schon recht beeindruckend. Aber was für ein Film ist „Phantasm“ letztendlich geworden? Die im Film erzählte Geschichte beeindruckt im Gegensatz zur Entstehungsgeschichte schon mal so ganz und gar nicht: Der Teenager Mike lebt bei seinem Bruder Jody, der sich seit dem Unfalltod ihrer Eltern um ihn kümmert. Bei einer Beerdigung fällt Mike das seltsame Verhalten des „Tall Man“ auf und er beginnt ihn zu beobachten. Dieser ist über die Nachforschungen ganz und gar nicht erfreut und Mike widerfahren nun immer seltsamere Dinge. Letztendlich glaubt Jody ihm und sie nehmen gemeinsam den Kampf auf. Die Dialoge und das Verhalten der Figuren gestalten sich unglaublich stereotyp und seltsame Subplots bremsen die Geschichte immer wieder aus. Die große Stärke des Films liegt zweifellos in der fantastischen Atmosphäre, welche durch die großartige Kamera zusammen mit einem starken Soundtrack aufgebaut wird. Wirklich gelungen baut der Film viel Suspense auf und ist, selbst wenn einem der Fortgang eigentlich nicht interessiert, bemerkenswert spannend. Und auch die Effekte funktionieren nach so langer Zeit immer noch hervorragend! Auch wenn Phantasm immer wieder am Rande der Lächerlichkeit wandelt, so kriegt er doch immer wieder die Kurve. Ich denke, es ist dieser allgegenwärtige Minimalismus in Kombination mit dem jederzeit spürbaren Enthusiasmus, was den Film funktionieren lässt. Die Stimmung ist mystisch, es kann alles passieren und die Erklärungen belaufen sich auf das Nötigste. Dazu kommt noch, dass alle Fäden tatsächlich am Ende wieder zusammenlaufen und so die Geschichte zwar nicht unbedingt besser, aber zumindest rund wird. Eine Tugend, die heute auch nicht mehr jeder Regisseur beherrscht. Und die Indizierung? Und das Verbot? Und die Einziehung? Nun ja, es gibt da zwei, vielleicht drei etwas härtere Szenen, die aber zusätzlich zum Schockmoment auch inhaltliche Wendepunkte in der Geschichte markieren. Den Zensoren in dieser Zeit fehlte es aber mitnichten nur an geistiger Fähigkeit dies zu erkennen, sie wollten es schlichtweg auch nicht. Es fiel die geistige Klappe und in ihrem Größenwahn meinten sie, alles was ihnen nicht gefällt durch Verbote aus der Welt schaffen zu können.
Vielleicht ist es ihnen heute ja, und sei es auch nur in diesem Fall, mittlerweile peinlich. Wäre schön, glaube ich aber nicht.
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