Piranha 2 - fliegende Killer / Piranha 2 - flying Killers (USA/Italien/Niederlande 1981)
Regie: James Cameron, Ovidio G. Assonitis Drehbuch: James Cameron, Ovidio G. Assonitis Musik: Stelvio Cipriani als Steve Powder Darsteller: Tricia O'Neil, Steve Marachuk, Lance Henriksen
„Wir wollen Fisch!“ Diese Forderung erklang im Gefolge von Spielbergs „Jaws“ aus so manchem Produzentenmund. Allerdings entwickelten häufig gerade diejenigen einen Heißhunger auf delikate Haifischflossen oder wenigstens einen damit vergleichbaren Leckerbissen, die nicht gewillt (oder schlicht und einfach in der Lage) waren, für ihre Gourmet-Gelüste angemessen zu bezahlen. Stattdessen wurden nicht nur die direkten Fortsetzungen zu Spielbergs großem Weißen von Mal zu Mal immer schäbiger, auch die zahllosen thematisch ähnlich gelagerten Werke um irgendwelches hochgefährliche Meeresgetier unterstrichen, als mehr oder weniger enthusiastisch hingeschlampte Variationen, lediglich die Bedeutung von „Jaws“, ohne ihm das Wasser oder gar einen arglosen Schwimmer reichen zu können. „Piranha“ war allerdings zumindest insofern noch interessant, da er in gewissem Sinne die Spielregeln für den Umgang der B-Movie-Produktion mit erfolgreichen Vorlagen reflektierte und diese in den Rang eines Gestaltungsmittels erhob: In Joe Dantes Inferno ist grundsätzlich immer alles ein wenig kleiner, billiger, dafür aber auch fieser als bei Spielberg (man vergleiche hierzu die „Gremlins“ mit „E. T.“ oder „Saving Private Ryan“ mit den „Small Soldiers“), ohne dass die Qualität des Endprodukts darunter leidet, vielmehr lassen sich seine Filme als z. T. ziemlich giftige Kommentare zu und Auseinandersetzung mit Spielbergs Schaffen lesen. Nur war man nach Dantes Bouillabaisse, die aus einem großen Phallussymbol von ganz tief unten viele bissige kleine machte, noch immer nicht satt und rief: „Wir wollen Fisch!“ Weshalb sich schließlich irgendwo in der Karibik in einem Ferienclub mit dem vielversprechenden Namen „Eylsium“ einige parodistisch überspitzte Urlauber versammeln, um dort ein Grillfest der besonderen Art zu begehen: eigentlich wartet man nämlich begierig darauf, dass die örtliche Population an Exocoetidae (bekannt als „Fliegende Fische“, den zoologischen Fachbegriff habe ich auch erst nachschlagen müssen) zum Paarungsritual und anschließenden Ablaichen an Land kommt, um die armen Tierlein einzufangen und zuerst in die Pfanne und dann in den Magen zu befördern. Nur hat niemand der Beteiligten damit gerechnet, dass die Fischlies diesmal den Grillspieß kurzerhand umdrehen und den Menschen von der Spitze der Nahrungskette kicken. Dieses unter umgekehrten Vorzeichen stattfindende Ritual, das durch Bongotrommeln und die wie ein Mantra hervorgebrachte Forderung nach Fisch bereits an heidnische Opferfeste erinnert, stellt m. E. die Schlüsselszene von „Piranha 2“, einer ansonsten ziemlich zerfahrenen und unschlüssigen Produktion dar, da sie das Wechselspiel von Kommerz, Konsum und Publikumserwartung in Bildern von Gier und Fressen auf den Punkt bringt. So wie die Urlauber nach ihrem Grillteller und die „Fliegenden Killer“ (hier hat sich die deutsche Titelschmiede mal wieder Mühe gegeben) nach zweibeinigen Appetithappen lechzen, wartet nämlich der Gorehound auf ein paar harte Splattereffekte, und wenn die Flugpiranhas dann endlich über all die im Grunde genommen unwichtigen Figuren herfallen - so wie das bereits auf dem Filmplakat zu sehen war, das die Leute ins Kino locken sollte – kulminiert dieses Spiel aus künstlich gewecktem Bedürfnis, Schaulust und exploitativem Zeigegestus. Was „Piranha 2“ (und seien wir ehrlich: im Grunde genommen die meisten Horrorfilme) letztlich selbst in gewissem Sinne zu einem Ritual macht. Doch kommen wir zu den zahlreichen Angelhaken an der Sache: Das Grundproblem von Filmen über bissige Wasserbewohner dürfte sein, dass man sich mühsam irgendwelche Gründe ausdenken muss, wie man Menschen zum Bade bittet, wenn bereits bekannt ist, dass in der trüben Brühe nichts Gutes lauert. Da braucht es dann schon geldgeile Tourismusexperten oder finstere Militärs, die die Bedrohung geheim halten – oder eben die Schnapsidee von künstlich gezüchteten flugtauglichen Piranhas. Dies führt aber geradewegs zu Problem 2, denn selbst wenn man einmal ausblendet, weshalb-wozu-warum jemand fliegende Piranhas züchten sollte (was mit dem geplanten Einsatz in Vietnam als Begründung kurz und trashig hinwegerklärt wird), zieht man durch diesen erweiterten Aktionsradius den Piranhas ihre tiefere Bedeutung unter den Flossen weg. Zu Beginn sind sie noch die klassische monströse Bedrohung von ganz unten, aus den Tiefen des Unterbewusstseins. Dazu passend fällt ihnen ein Liebespaar zum Opfer, das in einem Schiffswrack horizontalen Tauchsport betreibt um dabei die unschönen Seiten der Fleischeslust zu spüren zu bekommen. Eine ähnlich reaktionäre Sicht auf lasterhafte Nacktbader, wie sie auch in der Eröffnungsszene von „Jaws“ präsentiert wurde. Als nächstes sind zwei ebenso leckere wie verschlagene junge Damen an der Reihe, die kurz zuvor noch den geistig zurückgebliebenen Koch des Ferienclubs um einige Vorräte erleichtert haben, womit das Thema Nahrung / Konsum bereits angeschnitten wird. Doch mit dem Wechsel vom Wasser in die Luft verschwindet dieser sexuelle Subtext ebenso wie der gesellschaftlich-kulturkritische, stattdessen fallen nun wahllos sowohl diejenigen, die aus konservativer Sicht irgendwie als „unmoralisch“ einzustufen wären als auch potentielle Sympathieträger den Piranhas zum Opfer. Diese allgemeine Unschärfe dürfte ihre Ursache im Kern in der verwickelten Entstehungsgeschichte des Films haben. Produzent Ovidio G. Assonitis wollte Fisch –James Cameron hingegen, der Titan, der auch mal klein anfangen musste bevor er sich mit Filmen über Terminatoren, Aliens, die Titanic oder merkwürdige blaue Naturvölker in den Olymp erhob, lieferte nicht das gewünschte Filet, wurde aus der Küche geschmissen und ist heute noch nicht so recht begeistert von „Piranha 2“. Assonitis stellte sich nach Camerons Rauswurf schließlich selbst hinter den Herd, rotzte einmal in den Topf und rührte kräftig um, damit sich die Gelehrten darüber streiten können, wer von beiden denn nun Schuld am ranzigen Geschmack der angerichteten Speise ist. Im Grunde genommen dürfte das aber reine Haar- bzw. Schuppenspalterei sein, wer welchen Teil des Films zu verantworten hat, denn weder die Anleihen bei den, insbesondere im Slasher-Subgenre beliebten, puritanischen Bestrafungsfantasien noch die Apokalypsenthematik einer durch menschliches Einwirken (bzw. skrupellose Militärs) vollends außer Kontrolle geratenen Natur können überzeugen. Dass diese Motive durch ihre beliebig wirkende Kombination unterm Strich vollends zur unbeholfenen Flickschusterei verkommen macht den Film allerdings sogar eher noch interessanter weil das Ableben diverser Personen dadurch einen Hauch von Unberechenbarkeit erhält. Eindeutig auf Camerons Konto dürfte jedenfalls die selbstbewusste weibliche Hauptfigur gehen. Tricia O’Neil gibt gewissermaßen eine Vorstudie von Sarah Connor oder Ellen Ripley zum Besten, eine Heldin, die sich mit vollem Einsatz den fliegenden Monstern entgegenstellt. Passend dazu tauchen die Biester nämlich zu einem Zeitpunkt auf, an dem es um ihr Familienglück nicht gerade wohlbestellt ist; tatsächlich gönnt ihr der Film sogar einen Seitensprung mit einem dubiosen Schmierlappen, der an der Piranha-Plage nicht ganz unschuldig ist, doch der Versuch, die Piranhas irgendwie als verkörperte Bedrohung der amerikanischen Kernfamilie zu deuten bringt einen ebensowenig weiter wie es Lance Henriksen als Sheriff und stets verschwitzt-gestresstem Ehemann gelingt, den Fisch noch aus dem Wasser zu ziehen. So ist „Piranha 2“ letztlich einfach, was er ist: ein obskurer Zwitter und damit seinen fliegenden Monstern gar nicht so unähnlich. Teilweise drastisch (die Effekte stammen von Gianetto de Rossi, der sogar eine Chestburster-Variation serviert, obwohl Cameron damals vermutlich nicht einmal im Traum daran gedacht hat, jemals eine Forstsetzung zu „Alien“ drehen zu dürfen), teilweise am Rande zur Satire (vor allem wenn man berücksichtigt, dass hauptsächlich die Urlauber und nicht die Fische mit Balzen und Ablaichen beschäftigt sind), phasenweise annehmbar (ordentliche Unterwasserszenen), und über weite Strecken purer Trash. Ob diese Sudelkocherei nach dem Motto „von allem ein wenig“ am Ende noch schmeckt? Egal, denn „Wir wollen Fisch!“ Und wenn hier unten doch sowieso schon alle fliegen, warum dann nicht zur Abwechslung auch mal die Piranha.
Alexander
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