Kaena (2003)
Animierte Science-Fiction für Erwachsene. Frankreich besinnt sich seiner Wurzeln.
Schon lange bevor die Japaner mit ihren Science-Fiction inspirierten Animes den Markt überschwemmten wurden in Frankreich Meisterwerke des modernen Animationsfilmes hergestellt. „Der wilde Planet“ (1973) oder „Die Herrscher der Zeit“ (1982) von Rene Laloux boten intelligente Science Fiction mit Tiefgang ohne natürlich auch nur im Entferntesten an die Animationsqualität der Disneystudios heranzureichen. Trotzdem – alleine dadurch, das sich die Filme des Herrn Laloux vorwiegend an ein erwachsenes Publikum richteten und die Geschichten vielschichtig und intelligent dargeboten wurden - entwickelten sie sich zu Filmklassikern und zählen mit zu den besten Science Fiction Filmen aller Zeiten.
Mit „Kaena“ liegt nun ein komplett im Computer animiertes Stück Film vor und auch hier hinkt der sich aufdrängende Vergleich mit Werken aus den US-Schmieden Pixar oder Dreamquest natürlich. So wirken einige der in den Xilar-Studios mitten in Paris entstandenen Animationen wie einfache Stop-Motion-Tricks aus einem alten Dinsoaurierfilm und auch Beleuchtung und Charakteranimation sind bei weitem nicht auf dem Stand der grossen US-Konkurrenz.
Ausserdem ist „KAENA“ auch in keinster Weise ein einfacher Film – hier gibt es keine niedlichen sprechenden Tiere, Anspielungen auf andere Filme oder Gags für die ganze Familie – sondern eine mit dem nötigen Ernst erzählte Science-Fiction Story von epischem Ausmass.
KAENA beginnt mit der Explosion eines riesigen Raumschiffes über einem unbekannten Planeten und bietet somit in den ersten zwei Minuten schon einen Einstieg, der dem Zuschauer direkt klarmacht das er hier keinen neuen Pixar-Film zu erwarten hat. Hier wird gelitten und gestorben.
600 Jahre später hat sich der Planet gewandelt. Die Heldin Kaena und ihre Dorfgemeinschaft leben auf einer Art Riesenbaum, der sowohl oben wie auch unten von einer undurchdringlich erscheinenden Wolkendecke eingegrenzt ist, so das sich dem Genrekenner direkt Parallellen zu Alan Dean Fosters „Die denkenden Wälder“ auftun. Doch weit gefehlt.
Die Dörfler ernten den Saft des Baumes und opfern diesen ihren Göttern, die Wesen sind, die wie eine Art flüssiges Giger-Alien wirken, eine bedrohliche Aggressivität ausstrahlen und in einer riesigen Höhle ÜBER den Wolken zu leben scheinen. Obwohl das Dorf unter dieser Versklavung leidet und Hunger zum täglichen Leben gehört, haben sie sich mit ihrer Situation abgefunden.
Doch Kaena ist anders – durch seltsame Visionen von einer blauen Sonne getrieben macht sie sich auf ihre Welt zu erkunden und stösst dabei nach und nach auf Geheimnisse die die Symbiose zwischen ihrer Rasse und den Göttern, sowie die Struktur ihrer Lebenswelt in gänzlich anderem Licht erscheinen lassen, als es der Zuschauer anfangs auch nur ahnen kann.
Mehr über den Verlauf der Geschichte zu verraten wäre fast ein Verbrechen, denn der Film lebt von seinem überaus behutsamen Aufbau und den vielen Überraschungen.
Regisseur Chris Delaporte, der auch zusammen mit Tarik Hamdine das Drehbuch verfasst hat, nimmt sein Publikum ernst und hat mit seinem Erstlingswerk ein beeindruckendes Beispiel dafür geschaffen wozu der moderne Animationsfilm fähig sein kann. Eine Geschichte wie KAENA lässt sich einfach mit normalen Mitteln nicht mehr erzählen – nur die Computeranimation ermöglicht ein Werk von solch epischem Ausmaß ädequat auf die Leinwand zu bannen.
Leider sind die Grenzen der technischen Möglichkeiten des kleinen Studios teilweise zu erkennen, mussten sie doch zur Erstellung der komplizierten Animationen auf Standardsoftware zurückgreifen und konnten nicht wie die besser bestückten grossen Produktionen für jedes auftauchende Problem ein eigenes Programm schreiben. Das ist speziell bei der Animation der Hauptcharaktere offensichtlich, die natürlich nicht über eine solch ausgefeilte Mimik verfügen wie zum Beispiel die bei einer Megaproduktion wie „Die Unglaublichen“ und auch die Bewegungen wirken manches Mal sehr künstlich.
Dafür ist aber das Design des Filmes dermassen ausgefeilt und detailliert, das man sich von der ersten Sekunde an ärgert das ein solcher Film nicht die Chance auf einen Kinostart hatte. Auch wenn die DVD-Qualität überragend ist und die -meist düsteren- Farben brilliant herüberkommen, ist es doch bei vielen Szenen nahezu unmöglich zu erfassen was gerade passiert weil das Bild den Zuschauer einfach nur überfordert.
Im – leider viel zu kurzen – „Making Of“ des Silberlings erwähnt Delaporte, das er die Geschichte gerne mit drei bis vier weiteren Teilen fortführen möchte. Das wäre meiner Meinung nach das schönste Geschenk, das er einem Science Fiction Fan machen könnte und ich drücke schon einmal die Daumen das es zu „Kaena 2“ kommt. Die Geschichte bietet – obwohl mit einem sauberen und nicht offenen Ende versehen – noch so viele Möglichkeiten fortgeführt zu werden, das es sehr traurig wäre wenn der Film eine Eintagsfliege beiben würde.
„KAENA“ ist mit Abstand der beste Science-Fiction-Film der letzten Jahre. Kinder und jüngere Jugendliche sind sicherlich überfordert, aber Freunde der anspruchsvolleren Sci-Fi werden sicherlich ihre Freude an diesem Meisterwerk haben.
Bemerkenswert ist noch die ausnahmsweise mal sehr gute deutsche Synchronfassung und der Sound, der richtig saftig aus den Boxen hämmert.
FAZIT: Ein Muss – schade nur das man die Chance auf eine Kinoauswertung nicht ergriffen hat.
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