i love dries 02I Love Dries (2008)

Regie: Tom Six

 

Der holländische 90er Jahre Schlagerstar Dries Roelvink (der sich hier selbst spielt) hat seine besten Zeiten zwar hinter sich, wird aber - trotz einiger Falten und zurückweichendem Haarwuchs - von seinen, vor allem weiblichen, Fans immer noch geliebt. Bei seinen simplen Mitklatschsongs fliegen auch heute noch Schlüpfer auf die Bühne und seine markenzeichenmässige Föhntolle sitzt immer noch wie zu Beginn seiner Karriere.

Eines Tages bekommt Dries nach einem Konzert, in einer Tiefgarage, einen Schlag auf den Hinterkopf, wird in einen Kofferraum verfrachtet und erwacht im Wohnwagen von Freek und Teutje. Der Wagen ist ausgekleidet mit Memorabilien aus Dries bester Zeit und die beiden Fans sind so ziemlich das schlimmste was man sich als Star vorstellen kann.

Ohne jetzt diskriminierend wirken zu wollen, die beiden sind fett, eklig, dreckig, häßlich und intelligent wie ein Bauzaun.

Der Grund warum sie Dries entführt haben, hat aber mit reinem Fandom nichts zu tun, da Freek zeugungsunfähig ist und die beiden sich ein Kind wünschen, soll der Samen des Schlagerstars zur Erfüllung dieses Herzenswunsches dienen. Das ist nun auch schon alles, was man zur Story wissen muss.

dries02Tom Six ist Holländer und Filmregisseur. Das an sich ist ja noch nichts besonderes, diese beiden Attribute passen schließlich auch auf Jos Stelling, Jan deBond oder Paul Verhoeven und auch das er bereits mindestens zwei Meisterwerke gedreht hat, passt auf die anderen Herren. Doch Herr Six ist trotzdem etwas anders - manche würden sogar sagen sehr anders oder gar Christian Anders. Das erste Mal, das mir dieser seltsame Name begegnet ist war bei "Human Centipede", dem Undergroundhit 2010, der mittlerweile zwei noch absurdere Fortsetzungen spendiert bekommen hat.

Zu „I love Dries" gibt es eine seltsame Geschichte. Als der Film 2008 fertig gestellt war und Dries ihn mit auf Tour nahm, sorgte das für ziemlich einhellig miese Kritiken. Die Fans wollten ihren Star nicht in einem Schmuddelfilm sehen und kamen auch mit seinem Hang zur Selbstparodie nicht so richtig klar. Auch auf Festivals (zu denen Six und seine Stars mit der einzigen fertigen Kopie reisten) wussten die Kritiker nicht so richtig, was sie von dem Film zu halten hatten.

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Zu seltsam war der Humor, zu zynisch der Blick auf die holländische Unterschicht und vor allem war der Film erheblich zu drastisch, wenn es darum ging den Schmutz und Ekelfaktor (DIE Sexszene ist nahezu unerträglich) des Ganzen zu betonen. Richtig bekannt wurde der Film dadurch also nicht, erst als die "einzige" Kopie gestohlen wurde und erst drei Monate später (zusammen mit der Ankündigung des DVD-Releases!) wieder in zerkratztem Zustand auftauchte, ging der Filmtitel durch die Presse. Und jetzt ist das Werk in Holland natürlich ein DVD-Hit - trotz der vielen Kratzer und Filmfehler, die man (wie erstaunlich) nicht beseitigt hat und die die Geschichte der angeblich zugrundeliegenden Kopie weitererzählen.

Tom Six ist also ein ziemlich genialer Stratege, was die Vermarktung seiner Filme angeht, aber er ist auch ein genialer Filmemacher, denn ebenso wie "Human Centipede" ist auch "I love Dries" ein Film der geschickt sämtliche Klippen des politisch Korrekten umschifft und dabei durchaus komisch ist. Hier wie dort parodieren die Hauptdarsteller ihr eigenes Image (Dieter Lasers verrückter Professor Heiter ist ein negatives Abziehbild seiner 70er Jahre Professorenrollen) und ebenso klingen beide Plots durchaus als würden die Filme eklig und abstoßend daherkommen, obwohl das endgültige Werk dann doch erfreulich zurückhaltend ist und jeweils nur in einigen Szenen Grenzen überschreitet.

Leider lag mir der Film (logischerweise) nur in der holländischen Fassung vor und so ist mir sicherlich einiges an Sprachwitz entgangen, aber trotzdem war er in keiner Sekunde langweilig oder unverständlich und ich hatte dadurch sogar mehr Muße mich mit Six´s Stil zu beschäftigen, der hier noch schimmert und seit "Human Centipede" blüht.

wtfFür mich ist Tom Six der neue Paul Verhoeven. Ebenso wie der Altmeister damals, beginnt er seine Karriere mit etwas absonderlichen Dramen (bei Verhoven waren es Filme wie "Türkische Früchte" und der geniale "Spetters"), lässt aber schon das Talent für größeres erkennen. Man darf auf die weitere Karriere dieses Mannes gespannt sein.

 

dia

 

 

 P.a.: Leider ist auch die holländische DVD mittlerweile nur noch sehr schwer zu bekommen. Die lange Jahre versprochene Version mit englischen Untertiteln ist unter dem Titel "What the F**k?!" mittlerweile direkt auf der Website von Tom Sixx erhältlich. Folgt einfach dem Link.

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