Schock! (1955) Quatermass Xperiment Regie: Val Guest
Nach der Notlandung eines britischen Raumschiffes findet man an Bord nur noch einen der drei Astronauten lebend vor. Die anderen sind verschwunden und nur noch ihre Raumanzüge vorhanden.
Nach Auswertung der Aufnahmen der automatischen Kameras finden Professor Quatermass (Brian Donlevy) und der mit dem Fall beauftragte Inspektor Lomax (Jack Warner) heraus, das höchstwahrscheinlich eine außerirdische Lebensform schuld an diesem Unglück war. Währenddessen wird der Überlebende Victor Carroon in einem Labor untersucht, wo festgestellt wird, dass sich sein Körper langsam zersetzt.
Seine Frau (Margia Dean) verhilft ihm zur Flucht, stellt aber schnell fest, dass nicht mehr sehr viel von ihrem geliebten Ehemann in dessen Körper steckt. Carroon entkommt und irrt nun – immer mehr körperlich und geistig zerfallend - durch London. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, denn die Verwandlung erfordert, dass Carroon andere Lebewesen in sich aufnimmt.
„Quartermass Xperiment“ ist eine Adaption einer sechsteiligen britischen TV-Serie von Nigel Kneale, die bei ihrer Ausstrahlung 1952 ähnliche Wirkungen zeigte wie die bundesdeutschen Durbridge Krimis in den sechziger Jahren – sie war ein absoluter Straßenfeger, nahezu die gesamte englische Bevölkerung richtete ihr freitäglichen Abende nach der Serie aus. Als Hammer-Produzent Anthony Hinds die Idee einer Filmversion an Regisseur Val Guest herantrug war dieser zuerst weniger begeistert.
Er war zum damaligen Zeitpunkt weder an Science Fiction noch am Fernsehen interessiert, doch nachdem er in einem Urlaub das Drehbuch der Serie gelesen hatte sprang der Funke über. Er sah das Potential der Geschichte und wurde nach eigenen Aussagen von diesem Zeitpunkt an selbst ein großer Fan des Phantastischen.
Das Drehbuch, das er zusammen mit Richard Landau verfasste, komprimierte die sechsstündige Serie geschickt und konzentrierte sich auf das Wesentliche, was dafür sorgt, dass diese Hammer-Produktion auch heute noch wenig von ihrer Wirkung verloren hat. Bei einer Laufzeit von gerade mal 84 Minuten bleibt logischerweise nicht viel Zeit für Füllmaterial und so bewegt sich der Film – wie der deutsche Titel schon andeutet – von Schock zu Schock.
Tatsächlich sind einige der Special FX Szenen – meisterhaft kreiert von Les Bowie, der kurz vor seinem Tod 1979 noch mit einem Oscar für seine Arbeit an „Superman“ ausgezeichnet wurde – auch heute noch überraschend effektiv.
Speziell das Makeup des im ewigen Schockzustand (noch ein Punkt für den deutschen Titel) gefangenen Carroon und seine späteren Auftritte als amorphes Monster sind höchst beeindruckend. Zusätzlich sind einige Aufnahmen seiner Opfer sehr graphisch dargestellt und dürften sicher damals im Kino bei einigen Zuschauern für Herzrasen gesorgt haben.
Der Film wurde damals in Großbritannien dementsprechend auch mit einem X-Zertifikat (nur für Erwachsene) versehen und deshalb der eigentliche Titel „The Quatermass Experiment“ geschickt und werbewirksam um ein E erleichtert. Witziger Weise, aus heutiger Sicht, wurde der Film für seinen US-Start unter dem Titel „The Creeping Unknown“ auch direkt um 2 ½ Minuten der extremsten Szenen (und eines Running Gags) erleichtert.
Ebenfalls bemerkenswert ist die exzellente Kameraarbeit von Walter Harvey, der neben einer generell tollen und atmosphärischen Schwarz Weiß Photographie auch teilweise mit aus der Hand geschossenen Bildern arbeitete, um einen eher dokumentarischen Effekt zu erzeugen. Selbst die damals eher seltene subjektive Kamera kommt hier zum Einsatz, wenn Carroon – schon teilweise zum Monster mutiert – beispielsweise durch einen Zoo schleicht bekommt der Film gar etwas Freitag der dreizehnte-mäßiges – immerhin ein Vierteljahrhundert bevor solcherlei Kameraspielereien zum
Standard im Horrorfilm wurden.
Bei der Musik handelt es sich um das Erstlingswerk von James Bernard, der später nahezu alle der großen gothischen Horrorfilme des Studios betreuen sollte. Auch wenn Bernard hier noch nicht den Bombast späterer Jahre produziert, so trägt seine Untermalung doch sehr zur düsteren und gruseligen Atmosphäre des Filmes bei.
Alles in allem entpuppt sich „Quatermass Xperiment“ als eine sehr schöne und interessante Wiederentdeckung, die auch heute noch wohligen Grusel erzeugen kann und mit einigen wirklich drastischen Bildern zu überraschen weiß. Eine kleine Perle, die zeigt, dass der Name Hammer für mehr steht als nur die bekannten Dracula und Frankenstein- Verfilmungen.
Zur BluRay von ANOLIS
ANOLIS beweist mit diesem Release ein weiteres Mal, warum sich diese Firma im Bereich Genre-Veröffentlichungen nicht hinter internationalen Konkurrenten wie Arrow oder Criterion verstecken muss. Nicht nur das die Qualität des Hauptfilmes nahezu perfekt daherkommt (das ein der andere blitzende Pixel ist durchaus verzeihlich), die zahlreichen Extras stellen den Film deutlich in seinen filmistorischen Kontext und lassen keinen Wunsch offen.
So findet man hier gleich zwei Interviews mit Regisseur Val Guest (eines schätzungsweise aus den frühen 90ern und eine Diskussion anlässlich einer Convention im Jahre 2002). Speziell bei letzterem überrascht der damals bereits 90-jährige mit seiner Spritzigkeit und seinem Humor.
Zusätzlich gibt es neben den üblichen Trailern und der Fotogalerie auch noch ein Featurette namens „From Reality to Science Fiction“ das über den geschichtlichen Zusammenhang aufklärt, eine Dokumentation über die Unterschiede zwischen der britischen und der US-Fassung, die Comicversion als Motioncomic und – bei ANOLIS fast schon Standard – auch noch die Super8-Version, die natürlich speziell hier, wo der Originalfilm ja schon komprimiert war, sehr interessant ist. Außerdem befindet sich auf der Scheibe auch noch die deutsche Kinofassung des Filmes, die interessanter Weise in einem anderen Bildformat daherkommt, allerdings nicht restauriert wurde und dementsprechend zum direkten Vergleich interessant ist.
Die absoluten Highlights für Filmfreaks wie mich sind aber die beiden Audiokommentare. Der erste mit dem britischen Filmkritiker Marcus Hearn und Val Guest bietet tiefe Einblicke über die Dreharbeiten und viele Anekdoten aus dem reichhaltigen Schaffen des Regisseurs – also im Endeffekt was man davon erhofft.
Der zweite Kommentar von Dr. Rolf Giessen, der – trotzdem ich nicht immer mit seinen Meinungen konform gehe – für mich einer der wenigen guten deutschen Spezialisten im Bereich des Phantastischen Filmes ist, erweist sich als ein kurzweiliger Überblick über die Geschichte der Hammer Studios, der selbst für Kenner der Materie noch etliche Überraschungen bietet, auch wenn ihm nahezu komplett der Bezug zum vorliegenden Film fehlt.
Die Extras finden sich auf sämtlichen Veröffentlichungen, das aufwendig gestaltete – und mittlerweile bereits ausverkaufte – Mediabook beinhaltet auch noch ein schickes und für diese Fassung exklusives Booklet.
Schlußendlich kann ich hier nur eine absolute Kaufempfehlung aussprechen. Jeder, der sich auch nur im Entferntesten für Science Fiction Filme der 50er Jahre oder die Quatermass-Serie im speziellen interessiert, wird mit dieser Scheibe einige glückliche Stunden verbringen können.
dia
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